Die Horror-Clowns des EU-Kartells sind möglicherweise über die eigenen überdimensionierten Schuhe getolpert. Nachdem das wallonische Regionalparlament ostentativ seine Zustimmung zu CETA verweigert hatte, schien das letzte Stündlein des Vertrags von Lissabon gekommen. Aber die Clowns haben noch Asskarten im Ärmel.
Die Farçe, die in diesem Blog CETA-Klamauk genannt wird, hat im vergangenen Juni begonnen.
Damals entschlossen sich die Politicos mehrerer Staaten, allen voran Österreichs, ihrer jeweiligen Öffentlichkeit eine volkstümliche Einlage zu bieten: die Moritat von der Selbstbestimmtheit des Parlaments.
Ursprünglich war nicht daran gedacht den mühsam, über Jahre durch Lug und Trug erworbenen “Stand der europäischen Integration” aufs Spiel zu setzen. Man wollte nur ein bisschen parlamentarische Demokratie aufführen, um den “Rechtspopulisten” den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Dieses Vorgehen war insofern ein gefährliches Spiel, weil es aus dem Ruder laufen konnte (und womöglich sogar musste). Was ernste Beobachter unintended consequences nennen, ist auf Ebene der Clowns nämlich unverzichtbarer Bestandteil des acts (sonst würden die Leute nicht lachen).
Vor der Öffentlichkeit wurde so getan, als wären die nationalen Parlamente weiterhin die Herren des Verfahrens, weswegen sie auch über den Handelsvertrag mit Kanada abstimmen sollten.
Natürlich rechneten die handelnden Personen – allen voran der österreichische Bundeskanzler – damit, dass sich die Parlamente alle unter der Knute des Kartells befänden und in gewünschter Weise abstimmen würden.
Die Abstimmung ist aber – rein rechtlich betrachtet – seit 2009 nicht mehr notwendig, nicht mehr für den Typus des CETA-Abkommens.
Nach dem den europäischen Völkern oktroyierten Lissaboner Vertrag – dem Wiedergänger der 2005 gescheiterten Verfassung – ist es der Kommission gestattet, einfache Handelsverträge selbst auszufeilschen und mit Hilfe des Europäischen Parlaments in Kraft zu setzen.
Diese Rechtslage kennen alle handelnden Personen inklusive Kern & Konsorten und deshalb entfuhr dem wirklich verblüfften Lügenbaron im Juni der Begriff “Klamauk”.
Formaljuristisch handelt es sich auch um Klamauk (wenn man voraussetzt, dass es 2009 rechtens war, den Völkern grundlegend neue politische Regeln der Zusmmenarbeit in der EU auf’s Aug’ zu drücken, mithilfe von ferngesteuerten Abgeordneten, ohne Diskussion, Volksabstimmungen, etc.)
Wenn die heute Herrschenden alle Parlamente so gut im Griff hätten wie Kern & Mitterlehner das ihrige, gäbe es auch kein Problem.
Bei wenigstens 99 Prozent der in Frage kommenden “Volksversammlungen” scheint das der Fall zu sein. Die jeweiligen Abgeordneten haben entweder schon darüber abgestimmt oder werden das in gewünschter Weise noch erledigen, unter der Peitsche ihrer Whips wie hierzulande Schieder oder Lopatka.
Es könnte allerdings durchaus sein, dass nicht 100, sondern nur 99 Prozent der relevanten Parlamente unter der Knute des europäistischen Kartells stehen.
Das lässt sich aus meiner Warte nicht definitiv ausmachen.
Es würde jedenfalls einen riesigen Unterschied machen, weil nach den Vor-Lissabon-Regeln, die die Clowns aus innenpolitischen Gründen haben wollten, Einstimmigkeit erforderlich ist.
Es besteht aber die Möglichkeit, dass die Weigerung der Wallonen nur ein Teil der Inszenierung ist (“seht, wie wir uns zur Wehr setzen”) und dass in Wirklichkeit schon heute klar ist, dass die Europäisten das Parlament in Namur in der Tasche haben.
Einiges spricht dafür, dass es sich bei der Verweigerungshaltung der beiden Parteien, die diese Kammer beherrschen (Sozialdemokraten und “Mouvement Reformateur”) um kontrollierte Opposition handelt und dass die Wallonie “in letzter Sekunde einwilligen wird”.
“Schließlich können 3,5 Millionen Wallonen nicht alle anderen Völker und Parlamente daran hindern ihren Willen zu bekommen”, würde es danach heißen. Dies wäre leicht als großherziges, ehrbares, gut-europäisches Motiv darzustellen.
Noch besser, weil (für das Kartell) nachhaltiger, ist es freilich, den Deal vorerst scheitern zu lassen, die originalen rechtlichen Grundlagen aber gerichtlich durchzusetzen – siehe zu dieser Option z.B. hier und hier.
Dabei würde der Europäische Gerichtshof die Grundlagen von Lissabon wieder herstellen, indem er die ursprüngliche Rechtsansicht der Kommission bekräftigt, es handle sich um ein “einfaches Abkommen” für das nur die Kommission (und das EP) zuständig seien.
Wie der EuGH in einer solchen Causa entscheiden würde, darüber kann es keinen ernsthaften Zweifel geben.
Wenn alle Stricke reißen – also beide der gschilderten back up-Varianten scheitern – ist es um den Vertrag von Lissabon wirklich geschehen.
Bild: Silvano En, via wiki Commons, CC BY-SA 4.0
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