Um mit Verbrennungsmotoren ausgestattete deutsche PkW auf Elektroantrieb umzustellen, wären 30% Steigerung der heutigen Stromproduktion vonnöten, hat ein Energie-Blogger errechnet. Das würde bedeuten, dass sich die Elektrizität aus Renewables vervierfachen müsste – noch ohne dass es z.B. eine Lösung für den Gütertransport gäbe.
Energy Matters ist der Blog des Schotten Euan Mearns und des aus dem südlichen England stammenden Roger Andrews, die je ein Berufsleben lang an Energieprojekten gearbeitet haben. Von Andrews stammt auch die regelmäßige Berichterstattung über El Hierro, über die man auch hier lesen kann.
Der neueste EM-Eintrag widmet sich der Frage Wieviel mehr Elektrizität bräuchten wir, wenn wir unsere Fahrzeuge zu 100 Prozent auf Elektroantrieb umstellen würden?
Andrews hat dazu nichts im Internet gefunden und daher seine eigenen Berechnungen angestellt – für Norwegen, die Niederlande, Deutschland, Großbritannien, die EU, die USA, die Volksrepublik China und die Welt.
Es handelt sich um grobe Überschlagskalkulationen, die freilich auf meist publizierten Durchschnittswerten beruhen (siehe “Sources of data”).
Die Resultate für Energiewende-Deutschland, über das ich z.B. hier und hier geschrieben habe, sollen an dieser Stelle besonders interessieren.
Um die knapp 45 Millionen Pkw auf Deutschlands Straßen auf Elektro umzustellen, benötigte man, sagt Andrews, 31 Prozent mehr Stromproduktion und eine um 40 Prozent höhere installierte Kapazität als heute. Das würde gemäß seinen Berechnungen nur 232 Mrd. US-Dollar kosten, Investitionen ins Netz nicht mitgerechnet.
2015 betrug der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Strommix 31,6 Prozent (Bruttostromerzeugung), was – ebenfalls überschlägig gerechnet – ein Erfolg der seit 15 Jahren laufenden Energiewende ist, der mit 150 bis 200 Mrd. Euro erkauft wurde.
Weil aber die heute noch liefernde Kohle- und Kernkraft abgedreht werden muss, müsste sich die heutige Erneuerbaren-Erzeugung vervierfachen (fast – Erdgas, wo es keinen offiziellen Ausstiegsbeschluss gibt, hat nur neun Prozent Anteil).
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So etwas ist aus Kostengründen, aber auch aus Gründen des Flächenverbrauchs (Windräder!) absolut nicht realistisch.
Selbst wenn das Problem der Intermittenz bzw. Speicherung gelöst würde und ein stabiles Netz auch mit einem hohen Anteil intermittenter Erneuerbarer hergestellt werden könnte,
- wäre dabei für den Gütertransport auf der Straße nicht vorgesorgt weil die Nutzfahrzeuge (inkusive leichter Lkw) nicht mit gerechnet sind (lediglich die auf Firmen angemeldeten Pkw). Mit Lkw werden aber praktisch alle auf der Straße transportierten Güter befördert.
- Zweitens könnte mit dieser zusätzlichen Stromproduktion auch nicht die Transportenergie für Schiff- und Luftfahrt ersetzt werden.
- Natürlich ist damit auch noch kein Ersatz für die heutige Raumwärme aus Öl und Kohle gefunden (Strom eignet sich hier sowieso denkbar schlecht).
- Und schließlich stellt sich die Frage, woher der Rohstoff für Abermillionen neuer Autobatterien kommen würde. Es ist dies zwar nicht Teil des Andrews-Postings – aber Kommentatoren z.B. hier und hier nehmen sich der Frage an, wie beispielsweise das Lithium für die benötigten Batterien aufzutreiben wäre. Sie stoßen dabei auf tlw. grotesk anmutende Diskrepanzen zwischen (heutigem) Angebot und der durch die angenommene Elektrifizierung ausgelösten zusätzlichen Nachfrage.
Fazit: Alle, die implizit oder explizit in Aussicht stellen, dass es eine nennenswerte Umwandlung der heutigen Benzin und Diesel getriebenen Pkw-Flotte auf Elektroantrieb geben kann, üben sich in Showpolitik bzw. mehr oder minder bewusster Täuschung der Öffentlichkeit.
Eine ähnliche Irreführung wie sie etwa bei der Behauptung stattfindet, der Zweck der Übung sei Klimaschutz.
Das soll freilich nicht heißen, dass das geplante Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2030 (“nur mehr emissionsfreie PkW zulassen”) eine Zeitungsente ist. Das ist todernst gemeint.
Bild: Huhu Uet, via Wiki Commons, CC BY-SA 3.0
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