Erneuerbaren-Flop in El Hierro – Lupe über “Energie-Europa”

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Screenshot Youtube

Eine spanische Insel ist 2012 zum Labor für die nachhaltige Stromzukunft Europas erklärt worden. Mit fünf Windmühlen und einem Pumpspeicher glaubte El Hierro, sich selbst mit Elektrizität versorgen zu können. Doch davon kann keine Rede sein. Das hat mit technischen Mängeln zu tun – primär aber damit, dass es keine Lösung für die Grundlast gibt. So werden 65% des Stroms aus Diesel erzeugt. Wie im Vergrößerungsglas zeigt sich die Energiemalaise der EU

Die kleinste der westlich von Afrika gelegenen Kanarischen Inseln mit ihren 11.000 Einwohnern hat sich als Experimentierfeld angeboten, weil sie nur wenig gewerbliche Stromverbraucher aufweist und gut im Nordpassat liegt. Man dachte sich wohl: Wenn Stromautarkie in El Hierro nicht funktioniert, wo dann?

Hier ist ein Werbefilmchen über das prospektive spanische “Energiewunder”, das 2012 unter Mitwirkung der BBC produziert wurde, und das die hochfliegenden Ziele des Projekts zeigt:

Doch der Hype um Gorona del Viento ist mittlerweile verflogen. Nun ist Schadensbegrenzung angesagt.

Das Projekt kam nie auch nur annähernd an seine Ziele heran – obwohl im Juli 2016, dem 13. Betriebsmonat, steife Brisen für ein Aufputzen der mageren Einjahresbilanz sorgten – siehe hier.

In dieser Zeit, dem bisher besten Windmonat, kamen immerhin beinahe zwei Drittel der lokalen Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen.

Über 12 Monate gesehen hat die aus dem kontinentalen Spanien berappte Megawattstunde freilich sage und schreibe 1,38 Euro gekostet, wurde berechnet (die Erzeugung in El Hierro war Madrid 12 Millionen Euro wert).

Vor dem stürmischen Juli, im Durchschnitt der ersten 12-Monate, ist der Anteil “erneuerbarer Elektrizität” noch bei 34,6 Prozent gelegen, wie die Energieblogger um den Schotten Euan Mearns schreiben (im Juli ist der durchchnittliche Prozentsatz von grünem Strom auf 38% hochgeschnellt, wird voraussichtlich aber wieder fallen).

Nach einer aktuellen Studie könnte Goronoa del Viento selbst im günstigsten Fall nicht mehr als 46 Prozent des lokalen Strombedarfs erzeugen.

Der Blog Energy Matters (EM), wo Techniker und Fachleute mit Praxiserfahrung schreiben, verfolgt das Projekt und berichtet laufend. Jubelaussendungen und ahnungslose Stories journalistischer Energiedilettanten entlocken derlei Bloggern nur ein ironisches Lächeln.

Die lokalen Betreiber sowie die spanische Netzfirma versorgen diese unbequemen Beobachter mit so wenig Informationen wie möglich, doch die regelmäßige Veröffentlichung z.B. von Netzdaten lässt sich nicht umgehen.

Mit denen können die Energy Matters-Leute aber einiges anfangen.

Hier ist, was ich im Jänner, nach einem halben Jahr Normalbetrieb, darüber geschrieben habe – und hier, woher ich meine Weisheit beziehe: das El Hierro-Portal von Energy Matters. An dieser Stelle findet sich auch das “Design” der Anlage.

Hauptroblem Speicherung von Windstrom

Vor sieben Monaten war schon klar, dass das Projekt nicht an die ehrgeizigen Planungen herankommen würde, aber kaum, woran das liegt. Heute ist EM-Beobachter Roger Andrews ein halbes Jahr klüger.

Er weiß: El Hierro laboriert an 0815-Problemen wie Fehlplanungen oder mangelnder Netzstabilität, seine zentrale Schwäche ist jedoch Energiespeicherung/-ausgleich.

Das Pumpspeicher-Kraftwerk, das “Batterie” und Ausgleich für die unregelmäßige Windstromerzeugung sein sollte, erfüllt diese Funktion nicht (es spielt höchstens eine Rolle als “dynamischer Widerstand” in Zeiten des Wind-Überschusses).

Folgendes sagt Andrews in seiner 12-Monatsbilanz, in der er El Hierro “offiziell” das Prädikat Fehlschlag verleiht (eigene Hervorhebung):

Here we come to GdV’s fundamental (and unsolvable) problem. (…)  As a result the project now boasts a pumped hydro system that is totally inadequate and which to all intents and purposes might as well not be there.”

Konkret wird zu windigen Zeiten sehr wohl Wasser den Berghang hinaufgepumpt, aber es ist entweder zu wenig und/oder es wird, oben angekommen, wieder abgelassen ohne Turbinen anzutreiben.

Das zeigt sich an folgender Grafik, die die Stromerzeugung im Juni 2016 abbildet:

Quelle: Energy Matters

Der Beitrag, den das Pumpspeicher-Kraftwerk zur Stromerzeugung geleistet hat, ist blau (Diesel gelb, sofort ins Netz gelieferter Windstrom sattgrün).

Dieses Bild mag auch etwas mit dem fehlerhaften Design der Anlage und den vorfindlichen natürlichen Gegebenheiten zu tun haben (Staubecken zu klein) – es ist jedoch ein für Kontinentaleuropa ziemlich typisches Problem. Wie unter einem Vergrößerungsglas zeigt das Experiment die Achillesferse des Alten Kontinents in Sachen Elektroenergie.

Europas Energiedilemma, Kapitel Stom

Die einzige größere erneuerbare Stromquelle, die Europa zur Verfügung hat, ist (offshore) Windenergie (dazu kommt im Süden noch ein wenig konzentrierte Solarenergie und Photovoltaik).

Diese 2015 erschienene Studie zeigt auf S. 249 das mutmaßliche europäische Stromerzeugungspotenzial im Jahr 2070 in Exajoule (die Extrapolationen zu den absolut verfügbaren Energiemengen sind m.E. höchst fragwürdig). Vier Fünftel davon sind Windkraft. Generell sind die europäischen Möglichkeiten zur Erzeugung von “erneuerbarer Elektrizität” allerdings viel kleiner als in den meisten anderen Weltgegenden.

Windkraft ist jedoch intermittent und benötigt ein System, einen ausgleichenden Gegenpol, der verlässlich einspringt, wenn einmal kein Wind weht – z.B. Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke (auch große Wasserkraft-/Laufkraftwerke würden’s tun).

Diese werden im Zeichen der Energiewende aber laufend abgeschaltet – “je schneller desto besser” und “weil das Volk es so will”  :mrgreen: .

Nun kann es sein, dass in den nächsten Jahrzehnten technische Lösungen für das Problem gefunden werden – welche, die besser sind als die heutigen Behelfslösungen (jedenfalls besser als “es macht keinen Unterschied ob es diese Einrichtung gibt oder nicht”).

Es ist jedoch ziemlich blöd, hier fix eine “Silberkugel” einzuplanen, die es ermöglichen wird, den mit Wind erzeugten Strom später, in windarmen Zeiten wieder einzusetzen (mit “akzeptablen” Speicher-/Umwandlungsverlusten).

Genau das aber haben z.B. die deutschen Politicos getan – auf Anraten der “grünen” Männchen in ihren Ohren.

Vielleicht verlassen sich Gas-Gerd und Mutti darauf, dass sie schon tot sind, wenn die Deutschen (und Europäer) draufkommen, was sie gemacht haben.

Sie und die von ihnen kontrollierten Politicos haben entschieden, dass Deutschland in den nächsten 10, 15 Jahren aus “seinem Dieselkraftwerk” aussteigen muss, dem Kraftwerk, das 65 Prozent seiner Erzeugung von elektrischem Strom liefert.

Unabhängiger Journalist

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