El Hierro: Ernüchterung über ein Vorzeigeprojekt für Erneuerbare

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Valverde 2009, Wikimedia Commons

Eine kleine Kanareninsel beherbergt ein ebenso ehrgeiziges wie kostspieliges Leuchtturmprojekt: Man will das Eiland energetisch autark machen – zunächst bei Strom. Doch davon ist man auch heute noch weit entfernt, zeigt eine soeben erschienene Analyse. Ihre Zwischenbilanz ist ernüchternd: ohne Grundlast aus Dieselstrom geht nix.

Blogger Roger Andrews stellt in seinem Eintrag auf Energy Matters schnörkellos fest, dass keine von vier Vorbedingungen erfüllt sei um, wie geplant, die Stromvergung ganz mit erneuerbarer Energie zu decken.

Er und sein französischer Kollege Hubert Flocard haben das Projekt über mehrere Jahre begleitet und in periodischen Abständen über seinen Fortgang berichtet – zum vorletzten Mal im vergangenen September. Am 4. Jänner 2016 erschien der aktuelle Bericht, der auf 188 Tagen Vollbetrieb der Anlage beruht.

Daten des spanischen Stromnetzbetreibers REE zeigen, dass im zweiten Halbjahr ’15 69 Prozent des ins Netz von El Hierro eingespeisten Stroms im Dieselkraftwerk Llanos Blancos produziert worden sind. Die Kosten für die “erneuerbare Kilowattstunde” beziffert Andrews mit 81 Cent und die gesamten Investitionskosten mit 84 Millionen Euro.

Das sind ziemlich irritierende Zahlen, vor allem angesichts der Tatsache, dass europäische Medien schon seit Jahren vor sich hinplärren, dass sich die Insel jetzt vom Erdöl unabhängig mache oder dies bereits getan habe, siehe zum Beispiel hier.

independieza
El País, 27.6.2014

Viel PR-lastiges Zeug erschien und erscheint in der Lokalpresse. Speziell beliebt ist das Thema aber auch in Deutschland und Österreich, wo die Phantasmen über die Möglichkeiten der erneuerbaren Energie fantastische Ausmaße angenommen haben. Die Sachkundigkeit hält sich dagegen oft in Grenzen, sodass manchmal nicht einmal zwischen Selbstversorgung mit Energie und solcher mit Strom unterschieden wird.

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Die 10.000 Einwohner-Insel eignet sich für so ein Experiment gut als Labor, weil die Kanaren als windreich gelten und speziell El Hierro nur wenige produzierende Betriebe mit Strom versorgen muss. Der größte Wirtschaftszweig ist der Tourismus, obwohl dieser im Vergleich zu den weiter östlich gelegenen Inseln auch ziemlich klein ist.

Die Wind-Hydro-Anlage ist eine Kombination aus fünf Windmühlen und einem Pumpspeicherkraftwerk, das als “wieder aufladbare Batterie” fungieren und überschüssigen Windstrom für Zeiten speichern sollte, in denen die Nachfrage größer war als das Angebot von Windstrom.

Dieses Kalkül ist bisher aus mehreren Gründen nicht aufgegangen, wobei die Andrews-Analyse wegen des unübersichtlichen Designs und aus Mangel an Daten unscharf bleiben bzw. auf Schlussfolgerungen zurückgreifen muss. So ist zum Beispiel nicht klar, wie viel Windstrom nicht ins Netz gegangen ist, weil dieser off grid für Bewässerungsprojekte verwendet wurde.

Die Bereitschaft der Betreiber, auf unangenehme Fragen aus Irland oder Frankreich zu antworten, scheint sich jedenfalls in Grenzen gehalten zu haben.

Es hat in El Hierro offenbar eine ganze Reihe von Problemen gegeben, von denen nur ein kleiner Teil natürlichen Ursprungs war (geringes Windaufkommen); aus irgendwelchen Gründen – wahrscheinlich zu geringe Kapazität der beiden Staubecken – funktionierte die Verwandlung der überschüssigen Windenergie in Wasserkraft fast nicht; der Netzbetreiber dürfte wiederum kaum Ausfuhr von Windstrom aus El Hierro gestattet haben.

Der Vertrag, den die lokale Betreiberfirma Gorona del Viento mit dem spanischen Industrieministerium geschlossen hat, scheint jedoch derart zu sein, dass das finanzielle Risiko vom Festland aus abgedeckt wird und dass 8,64 Mio. Kilowattstunden aus Wind von dort mit 7 Millionen Euro vergütet wurden (was Andrews zu seinen horrenden 81 Cent pro KWh führt. Zum Vergleich: der durchschnittliche – besteuerte – Strompreis für Haushalte liegt in Spanien bei 24 Cent.)

Electricity rates in Spain are the same everywhere so these costs will be borne by the Spanish taxpayer and not by the residents of El Hierro. One nevertheless has to wonder what the reaction of the Herreños would be if they were added to their electricity bills.”

Die beiden Hauptautoren der El Hierro-Berichte stimmen darüber überein, dass die Ziele des Projekts bisher krass verfehlt bzw. dass in den Machbarkeitsstudien überzogene Erwartungen geweckt worden waren.

Unterschiedliche Akzente werden jedoch bei der Frage gesetzt, ob es Abhilfe dagegen gibt. Während Flocard falsche Anreize hauptverantwortlich macht (die theoretisch rasch geändert werden können), weist Andrews auf den Umstand hin, dass die Destabilisierung des Stromnetzes durch Wind und die Speicherung der überschüssigen Energie noch nirgendwo einigermaßen überzeugend gelöst worden sind.

Die Betreiber des Projekts und die spanische Energiepolitik haben sich bisher jedenfalls nicht an der Diskussion beteiligt und es bleibt abzuwarten, ob sie das noch tun werden.

Foto: Mataparda (Own work) [CC BY 3.0], Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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