Ehemaliger US-Zentralbanker legt erstaunliches “Geständnis” ab

Richard Fisher, ein kürzlich aus dieser Funktion ausgeschiedenes Board-Mitglied der Federal Reserve, hat öffentlich ausgesprochen, was jeder weiß, aber kaum wer laut sagt, zumindest nicht im Finanzestablishment; dass heute viele Vermögensklassen, vor allem die Aktienmärkte, überbewertet sind und dass diese Blase Folge einer bewussten Politik der US-Zentralbank ist.

Wer den Hausbrauch ein bisschen kennt, weiß, dass solche Aussagen außerhalb jeder Norm liegen – auch wenn es nur von einem Ehemaligen kommt. Es stellt sich die Frage, ob Fisher seinen starken Tobak nicht vielleicht sogar auf ausdrückliche Ermunterung durch die “neue Führung” der Fed absonderte.

Hier findet sich das fragliche Interview, wenigstens zum Teil.

Möglicherweise kommt es zu Abspielproblemen in der eingebetteten Version, auf Youtube selbst sollte das Nachhören aber kein Problem darstellen (Bild und Ton sind manchmal asynchron).

Das Ganze ist ein Interview mit CNBC. Fisher stand in seinen letzten Amtsjahren in der Fed in Opposition zur Majorität des Gremiums bzw. zum früheren Chairman Ben Bernanke. Er zog sich praktisch zeitgleich mit Bernanke aus der US-Zentralbank zurück.

So hat Fisher schon früher z.B. die dritte Runde des Quantitative Easing offen kritisiert (während er noch heute die beiden ersten QE-Runden verteidigt).

Dennoch können Aussagen diesen Inhalts und in dieser Form kaum als der Alleingang eines “Freigelassenen” interpretiert werden. In der Fed dürfte es ähnliche Vereinbarungen geben wie bei den amerikanischen Geheimdiensten, die Mitarbeiter verpflichten, einschlägige Veröffentlichungen nach dem Ende der Geheimdienstkarriere vorab dem früheren Dienstherren vorzulegen.

Hier sind ein paar Passagen, die ich selbst auf Deutsch übersetzt habe. Sie fußen auf einer teilweisen Transkription des Interviews durch Mish. – danke! Die Hervorhebungen stammen von mir selbst.

Wir in der Fed haben ab März 2009 eine gewaltige Rally vorgezogen (“frontloaded”) …Noch einmal: Wir haben eine gewaltige Rally vorgezogen, um einen wealth effect zu erzielen (zu dem Begriff siehe hier). Ich denke, wir haben jetzt eine lange Verdauungsperiode vor uns…Die Märkte sind teuer (“heavily priced”) – 19,5 Mal der Jahresgewinn ohne dass sie das Wachstum (“top line growth”) hätten, das man gerne sehen würde. Es ist schon spät im Zyklus… Sie (die Märkte) sind üppig bepreist (“richly priced”). Sie sind nicht billig. Ich kann ein signifikantes Abwärtsrisiko sehen. Ich kann auch einen flachen Markt über einen längeren Zeitraum sehen, in dem die enormen Gewinne verdaut werden, die die Fed sechs Jahre lang arrangiert (“engineered”) hat.

Ich glaube nicht, dass es noch viel accomodation geben kann (Zentralbanker-Slang für Ausweitung der Geldmenge). Die Federal Reserve ist ein Riese, der keine Munition mehr hat. Was mir Sorgen macht, ist: Es war die Fed und immer wieder die Fed während der Hälfte der Zeit, die ich dort verbracht habe, nämlich ein Jahrzehnt. Jeder hat von ihr erwartet, dass sie alle Boote flott macht.

Meiner Meinung nach sind sie (die Anleger, Anm.) faul geworden. Jetzt müssen wir zurück zur fundamentalen Analyse – die Arbeit, die getan werden musste, bei der man abschätzen muss, ob ein Unternehmen aus eigener Kraft die Gewinne steigern kann und ob sein Kurs dem entspricht – und dass man von der Fed nicht mehr erwartet, dass sie alle Boote flott macht. Wenn die Flut zurückgeht, wird man sehen, wer eine Badehose an hat. Das beginnt schon. Das sah man zum Teil schon im vergangenen Jahr, sogar bei den mittelgroßen Unternehmen und beim S&P ohne Dividenden. Das einzige Asset, mit dem im vergangenen Jahr Gewinn gemacht wurde, war Cash, 0,1 Prozent (…)

Schauen sie sich die Interviews an, seit wir mit der quantitativen Lockerung angefangen haben. Es war die Fed, die Fed und wieder die Fed, die EZB, die Japanische Zentralbank und die Chinesen machen auch nichts anders. Quantitative Easing ist immer von Zentralbank-Aktivitäten getrieben. Märkte sollten nicht auf diese Weise arbeiten. Sie sollten ihren Instinkten folgen, aber sie wurden von den Zentralbanken aufgeladen (“juiced up”), inklusive der Fed.”

Edit, 7.1.2015, 15:45: Übersetzung um eine relevante Passage erweitert (Wiederholung der Aussage “We frontloaded a tremendous rally.”) Ein paar Rechtschreibfehler ausgebessert.

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.