Asyl: Die Statistik-Fälschungen der Politicos und Medien in Österreich

Die Politiker der in Wien regierenden Koalition inszenieren am laufenden Band Scheinkonflikte um die Asylpolitik, die nur in ihrer jeweiligen politischen Zielgruppe Eindruck schinden sollen. Real sind SPÖ und ÖVP im Bestreben vereint, die Obergrenze 2016, auf die sie sich vor einem halben Jahr verpflichtet haben, zu umgehen. Dafür ist ihnen kein Taschenspielertrick, etwa das Wegdefinieren der sogenannten Dublin-Fälle, zu plump. Würde ehrlich gezählt, wäre der ohnedies hohe Schwellenwert ’16 wohl bereits jetzt, im August erreicht.

Geholfen wird Kern, Sobotka & Co. von den Journos in den sogenannten Mainstreammedien, die entweder zu beschränkt sind um die Zahlenspielereien zu verstehen oder die diese bewusst verschleiern.

In den vergangenen Tagen war in den Zeitungen und im ORF zu erfahren, dass es heuer bisher 24.300 Asylanträge gegeben habe und dass daher “noch Luft nach oben” sei.

Das ist Unfug, der nur dadurch ermöglicht wird, dass die Politicos ihre Zählweise stillschweigend verändert, und eine bestimmte Flüchtlingsgruppe einfach wegdefiniert haben. Nach der alten Zählung ist der vorgegebene Wert praktisch schon erreicht.

Wie erinnerlich, haben Faylehner & Mittermann im Jänner großartig verkündet, dass heuer nur mehr 37.500 Asylanträge entgegen geommen würden – siehe z.B. hier -, was u.a. Debatten darüber auslöste, was wohl mit dem 37.501. Flüchtling geschehen würde.

Zu diesem Zeitpunkt, als bereits mit gut 90.000 Asylanträgen für das vergangene Gesamtjahr gerechnet wurde, war jedenfalls in der Öffentlichkeit unumstritten, dass die real gestellten Anträge (inklusive “Dublin”) der entscheidende Wert für die selbst gegebene Obergrenze sein würden.

Wenn es eine Einschränkung/Ausnahme zu dieser Regel geben würde, dann nach unten. Der Standard berichtete (fäschlicherweise) hier sogar, dass in diese Zahl die nachgeholten Familienangehörigen eingerechnet werden müssten.

inklusive Familiennachzug
Standard vom 20. Jänner 2016

Nun sollen, wie hier nachzulesen ist, in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres 28.765 Flüchtlinge in Österreich einen Asylantrag gestellt haben (die offiziellen Zahlen inklusive Juli sind noch nicht verlautbart worden), worin jene 10.751 Menschen enthalten sind, die als Dublin-Fälle gewertet werden. Letztere sind aber nicht zum Asylverfahren (in Ö.) zugelassen.

Sozusagen zum Ausgleich muss die Asylbürokratie aber jene 8.400 Gesuche von Flüchtlingen addieren, die bereits 2015 ins Land gekommen sind, deren Zulassung zum Verfahren aus unerfindlichen Gründen aber erst heuer erfolgt ist.

Weil damit zu rechnen ist, dass praktisch jeder dieser Flüchtlinge das Asylverfahren in Österreich absolviert - Erklärung unten -, ergibt sich folgende ehrliche Kalkulation

Wirkliche Asylanträge/verfahren (I – VII/2016)
 2016
 “Zum Asylverfahren zugelassen”  15.871
 “Überhang-Verfahren” aus ’15   8.389
 Dublin-Fälle  10.751
 Summe  35.011

Quellen: Kurier, ORF-Nachrichten 14.8.2016 (Ö1)

Das bedeutet, dass, wenn ehrlich gerechnet würde, in den restlichen fünf Monaten 2016 nur mehr etwa 2.500 Verfahren eröffnet werden dürften (37.500 minus 35.011. Nach der “einfacheren Version” 28.765 + 8.389 ist der Schwellenwert fast völlig erreicht – 37.154 Anträge ).

Wenn am Ende freilich wirklich und total ehrlich gerechnet würde   ;-) , wären es wieder um 8.400 Anträge/Verfahren mehr, weil es in diesem Fall keinen Überhang aus 2015 gäbe, der aufgearbeitet werden muss.

Im hypothetischen Fall “total ehrlich” hätte das Innenministerium schon im März 2016 rund 98.000 statt knapp 90.000 Anträge melden können, wie in der Statistik vom Dezember 2015 geschehen.  Das Ressort versicherte diesem Blogger mittlerweile jedoch, dass besagte 8.400 Anträge bereits 2015 gestellt worden seien und dass diese in der Gesamtzahl von 88.912 für 2015 enthalten seien – dass aber die zugehörigen Asylverfahren erst 2016 zugelassen worden seien (das ist ein wenig seltsam; siehe dazu Nachbemerkung II).

Die Dublin-Fiktion

Der zentrale Mechanismus des Potjomkinschen Dorfs, das die österreichiche Asylpolitik ist, besteht jedoch in der Fiktion, dass die Dublin-Fälle tatsächlich von jenem EU-Land übernommen würden, in dem die Ersteinreise in die Union erfolgte.

Das ist reine Fantasie, zumal die Dublin-Fälle, die nicht in das Ersteinreiseland überstellt werden können, nach sechs Monaten das Recht auf ein Verfahren in Österreich haben. 

Die Ungarn nehmen keine “Flüchtlinge” zurück, weil sie behaupten, Ungarn sei nicht jener Staat gewesen, wo die Migranten zuerst EU-Boden betreten hätten (“Österreich muss die Frage nicht mit Ungarn diskutieren, sondern mit den Ländern, in denen illegale Migranten das EU-Territorium betreten”, Peter Szijjarto, ungarischer Außenminister).

Von den knapp 11.000 Dublin-Fällen sollte eigentlich gut Hälfte nach Ungarn überstellt werden…

Der zweite große Brocken ist Slowenien und auch das nimmt keine Migranten zurück.

Ljulbjana stellt sich z.B. auf den originellen Standpunkt, dass am Grenzübergang Karawankentunnel auf österreichischer Seite aufgegriffene Migranten möglicherweise nicht aus Slowenien gekommen sind – siehe hier.

Die österreichische Seite habe keinerlei Beweise vorgelegt, dass sie über Slowenien nach Österreich gelangt seien, berichtete die Nachrichtenagentur STS.”

Bleibt nur noch Italien (und auch Rom wird unter Garantie gute Argumente finden, z.B. in Tirol  aufgegriffene Migranten aus der Subsahara nicht zurückzunehmen zu müssen).

Wer kann es unter diesen frustrierenden Umständen unseren Regierungspolitikern verdenken, wenn sie meinen, dass die einzige verbleibende Gruppe, die noch dämlicher ist als sie, ihre Wähler sind?

Klamauk auch in der Asylpolitik

Für Kanzler Kern ist dieser Gedanke sichtlich nicht neu.

Er hat, noch keine drei Wochen im Amt, Ende Mai die neue Zählweise auf den Weg gebracht, siehe hier. Der schwarze Innenminister protestierte zunächst zum Schein – siehe z.B. die Kleine Zeitung hier -, ist mittlerweile aber zum Anhänger der Asylarithmetik nach Kern mutiert.

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Es ist das gleiche Muster, das die sogenannte Große Koalition auch in allen anderen Materien durchspielt, etwa in der Phantomdebatte um die 6. Urlaubswoche, beim Show-Beschluss die Beiträge zum FLAF zu senken, oder beim Klamauk um die parlamentarische CETA-Abstimmung – siehe hier und hier.

Und es ist das gleiche Muster, das auch die anderen Statistik-Lügen Wiens bestimmt – etwa bei den monatlichen Arbeitslosenzahlen, wo man die Schulungen einfach wegdefiniert.

Edit, 15.8. 2016 7:15 Uhr: Rechenfehler, Vertipper und Formulierungen ausgebessert sowie Ergänzungen angebracht, etwa im Kapitel “Dublin-Fiktion” (Halbjahresfrist).

Edit II, 15.8.2016, 19:00 Uhr: Ministeriumssprecher Grundböck erklärt in einer Stellungnahme via Mail, dass ein Asylantrag nicht gleichbedeutend sei mit der Zulassung zum Verfahren und verweist auf diesen Flowchart, der den Ablauf zeigt.

Die Grafik zeigt aber auch, dass die Polizei die Asylwerber binnen 48 Stunden registriert, erstbefragt und deren Fingerabdrücke nimmt. Danach kann und müsste das (de facto obligatorische) Verfahren unverzüglich beginnen.

Will man behaupten, dass 8.400 Flüchtlinge erst knapp vor Silvester gekommen sind, sodass deren Antrag im alten Jahr gestellt, dass deren Verfahren aber erst im neuen Jahr eröffnet wurde? Ein automatischer Start des Verfahrens nach Beendingung der polizeilichen Phase darf angenommen werden

Nachbemerkung, 15.8.2016, 23.15 Uhr: Die 8.400 zugelassenen Asylwerber sind laut Ministerium Antragsteller, deren Zulassungsverfahren bis Ende Juli 2016 ergeben haben, dass das folgende inhaltliche Verfahren jedenfalls in Österreich abgewickelt wird.

Dass derlei Zulassungsverfahren durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einige Zeit dauern können, ist eingängig. Deren Übertragung ins Jahr 2016 ist daher bis zu einem gewissen Grad plausibel.

Die “Dublin-Fälle” werden dessen ungeachtet zum allergrößten Teil in österreichische Asylverfahren münden.

Unabhängiger Journalist

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