Germanwings: Das größte Risiko sind aber unsere Medien-Papageie

In der Germanwings-Katastrophe haben sich die traditionellen Medien vorzeitig festgelegt und ignorieren den sprichwörtlichen Elefanten im Wohnzimmer: den Autopiloten, der allzu leicht zweckentfremdet werden kann. Daraus wird klar, dass das vielleicht größte Risiko für die Sicherheit der Europäer in ihrer Medienlandschaft liegt, in den vertrottelt-zahmen Blättern und Sendern des Kontinents. Diese Vierte Gewalt ist weder fähig noch willens, der Zweiten und Dritten auf die Finger zu schauen. Sie ist ein Strohhalm im Wind. Sie hat ihre demokratiepolitische Nutzlosigkeit unter Beweis gestellt und ihre Abschaffung vorab gerechtfertigt. Achtung: Nachbemerkung zur fragwürdigen “Bestätigung” der Ermittlerhypothese durch einen veralteten Flugschreiber !!!

Das Versäumnis, Dinge wie den uninterruptible autopilot zu thematisieren, ließe sich noch verstehen, würde es sich um eine weit reichende Spekulation handeln, die sich auf einer nicht existenten Faktenbasis aufbauen. Das ist aber nicht der Fall. Es ist eine Technologie, die aus geschäftlichen Gründen totgeschwiegen werden mag – die aber mindestens ebenso real ist wie Lubitzs Depressionen im Jahr 2009.

Jede andere Aussage über Psychoprobleme jüngeren Datums verliert sich in einem Meer der Unbestimmtheit, in dem sich “Beamte einer europäischen Regierung” und noch weniger definierbare Gattungen tummeln. Die Standardformel für dieses Vorgehen lautet:”… nach Informationen von (Name einsetzen)”.Als ob der Name des eines Blättchens vertrauenerweckender als der eines anderen wäre !

Lubitz, berichtet Bild, hat sich im Internet über Selbstmordmöglichkeiten informiert und dieses publizistische Juwel hätte der Spiegel genausogut bringen können. Der kleine Unterschied ist abgeschafft. Berichtet wird, womit Staatsanwälte glauben, sich die Öffentlichkeit gewogen machen zu können.

Doch keine dieser angeblichen Aussagen wird regulär zur Welt gebracht werden müssen. Kein Ross und auch kein Reiter jemals namentlich in der Zeitung stehen. Keiner der zitierten Experten oder Ärzte brauchte damit zu rechnen, in den Zeugenstand treten und ihrer Aussage Gesicht und Ruf zur Verfügung stellen müssen. Der Verdächtige ist ebenso tot wie seine angeblichen Opfer und kein Staatsanwalt muss fürchten, eine Anklage aufbauen und und vor Gericht verteidigen zu müssen.

In zwei Jahren kräht kein Hahn mehr nach den Absturzursachen von Flug 9525 – grad so wie es heute niemanden mehr interessiert, ob der frühere IWF-Chef 2011 ein Zimmermädchen vergewaltigt und illegale Sexparties veranstaltet hat. Es ist heute ziemlich klar: Er hat nicht. Der Zweck des Schauspiels ist trotzdem erreicht worden.

Die Medien stellen sich heute aus Naivität und/oder wider besseres Wissen in den Dienst einer verglichbaren Inszenierung. Es ging damals nie um Strauss-Kahns Exzesse und Eskapaden – ebensowenig wie es heute um die Aufklärung der Todesumstände von 149 Menschen geht.

Der Hauptunterschied besteht darin, dass es bei Strauss-Kahn schon damals auf der Hand lag, worum es ging: seine Entfernung aus dem Amt. Worum es bei der Vernichtung von Flug 9525 wirklich gegangen ist, wissen wir nicht.

Die Funktion der Medien besteht heute darin zu verhindern, dass die Gesellschaft diese Frage überhaupt formuliert. Es wäre aber eigentlich deren Kernaufgabe, diese Frage für die Gesellschaft zu stellen.

Nachbemerkung: 3.4.2015, 16 Uhr: Die französischen Ermittler behaupten, aus den Daten des mit zehn Tagen Verspätung aufgefundenen Flugschreibers schließen zu können, dass  der Sinkflug aus dem Cockpit ausgelöst wurde. Eine solche Aussage muss in zweierlei Hinsicht analysiert werden.

Erstens muss man die Frage stellen, ob das 24 Jahre alte und in seinen Fähigkeiten ziemlich eingeschränkte Gerät eine solche Aussage überhaupt möglich macht. Dieser Artikel der Tageszeitung “Die Welt” lässt zumindest Zweifel daran aufkommen.

welt_300 ParameterNur Fachleute können beurteilen, ob aus dem in diesem FDR aufgezeichneten Datensample ein solcher Schluss gezogen werden kann (merke: am Sinkflug selbst bestehen keine vernünftigen Zweifel). Für einen Laien klingt die Behauptung der Ermittler nicht unbedingt plausibel, denn es ist kaum vorstellbar, dass Germanwings 2015 noch mit einem Autopiloten aus dem Jahr 1990 geflogen ist.

Wenn dies aber tatsächlich möglich sein sollte, wären die Ermittler gut beraten, ihre Rohdaten für eine unabhängige Analyse zu veröffentlichen – zumindest, wenn ihnen irgendetwas an ihrer Glaubwürdigkeit gelegen sein sollte.

 

Unabhängiger Journalist

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