Um den Spiegel ist, wovon immer ausgelöst, ein “Journalismus-Skandal” aufgebrochen, der darin besteht, dass ein Beiträger über lange Zeit Geschichten mit Fakten “angereichert” hat, die sich zunehmend als erfunden heraus stellen (“Ungenauigkeiten”). Aus Sicht dieses Bloggers, der ja nicht länger als 25 Jahre in der Mainstream-Journaille gearbeitet hat, handelt es sich um eine standard operating procedure, über die er ursprünglich gar nichts schreiben wollte. Jetzt tut er es doch, weil er mehrfach dazu aufgefordert wurde.
Er will sich aber kurz halten, weil er in diesen Heiligen Tagen Besseres zu tun hat.
Das mit der Berufserfahrung ist auch ein bisschen ungenau, weil ich das unmittelbar betroffene Genre – die Reportage – sozusagen nur in den frühen Tagen gepflegt habe.
Ich kann mich aber noch gut an mit anderen verfasste Texte erinnern, bei denen wir, von den damals neuen Möglichkeiten der digitalen Textverarbeitung fasziniert, einen ersten Entwurf der Geschichte “zu Papier” (auf den Schirm) brachten, in dem wir die “O-Töne” echter Gesprächspartner zunächst offen ließen (“X.Y. kommentierte: xxxxxx …..”)
und uns erst beim zweiten oder dritten Durchgang gefragt haben: “Was könnte er (sie) dazu gesagt haben?”
Man könnte polemisch formulieren: “Gute Journalisten wissen bereits, wie ihre Geschichte aussieht, bevor sie zu recherchieren beginnen.” (Es gibt Praktiker, die zwar zugeben, dass das schlimm ist, hinter vorgehaltener Hand aber Stein und Bein schwören, dass es gar nicht anders geht).
Praktiken wie die Obige durfte und darf man freilich keinesfalls zugeben und dieser Blogger kann das heute nur niederschreiben, weil nach unseren Strafgesetzen selbst Mord nach 20 Jahren verjährt ist (nicht ganz, man kriegt in Ö in dem Fall nur mehr 10 bis 20 Jahre Schmalz).
Aber es liegt auch für Nicht-Branchenkundige offen am Tisch, dass ein beachtlicher Teil der heutigen journalistischen Texte Predigten mit mehr oder weniger gut erfundenen “menschelnden Beispielen” ähnelt.
Ich glaube, angehende Priester lernen’s in ihrer Ausbildung. Wie in diesen Kreisen schon seit Jahrhunderten bekannt, zeichnen sich gute Predigten weniger durch faktische Akuratesse als durch viel human touch aus.
Überprüfen kann’s in der Regel sowieso keiner, weder ein Detail einer frühchristlichen Heiligen-Vita, noch die Lebensumstände eines verhinderten Selbstmordattentäters.
Was zählt, ist Storytelling, G’schichtldrucken, wie sich dieser Blogger zu übersetzen erlaubt.
“Geadelt” wird diese Praxis durch (angeblich) gute Intention des Erzählers. Wer will erbauliche Geschichten diesen Zuschnitts schon hinterfragen oder gar auf irgendwelche Einzelheiten überprüfen?
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