Gold: Ist COMEX endlich am Ende? Oder ist’s wieder falscher Alarm?

Leser dieses Blogs wissen, dass im sogenannten Goldmarkt ein Hütchenspiel mit extremem Hebeleffekt stattfindet – auf allen Ebenen, von den Zentralbanken bis hin zu den Rohstoffbörsen; dass also einer innerhalb des Systems befindlichen physischen Goldunze Eigentumsansprüche von etwa 100 Unzen gegenüberstehen (“Papiergold”). Nun gibt es Anzeichen, dass die Manager und Profiteure dieses Betrugs davor stehen, den Luftballon zum Platzen zu bringen. Sie können freilich auch in letzter Sekunde umsteuern und das Spiel verlängern.  Ein Erklärstück.

Vereinfacht ausgedrückt, werden an der New York Commodities Exchange, COMEX, Lieferansprüche auf alle möglichen Rohstoffe gehandelt, Wertpapiere, die zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt in echte Ware umgewandelt werden können. Der Großteil davon wird aber nur zu Spekulationszwecken abgeschlossen, von Händlern, die vom Steigen oder Sinken eines Rohstoffpreises profitieren wollen. Es besteht in diesem Fall kein Interesse an der Auslieferung der entsprechenden Ware.

Besonders oft tritt dieses Verhalten bei Gold zutage. Etwa 99 Prozent der Goldkontrakte werden routinemäßig nicht ausgeliefert. Das ist deswegen so, weil Gold kein Verbrauchsgut ist. Man braucht es nicht um daraus z.B. eine Maschine zu bauen oder damit einen Motor zu betreiben.

Wenn aus irgendeinem Grund plötzlich – sagen wir – vier Prozent der Goldkontrakte ausgeliefert werden sollen, kann das ein Riesenproblem werden. Dann droht etwas, was die gold bugs schon seit Jahren erwarten: ein COMEX default, eine “Zahlungseinstellung durch die COMEX”.

Das würde bedeuten, dass der Verkäufer bzw. die Handelsplattform sagen müsste: “Lieber Käufer, wir haben dir zwar versprochen, an diesem Datum so und so viel echtes Aurum zu übergeben, aber wir können leider nicht liefern.”

Das, sind sich viele mit guten Argumenten sicher, würde die Glaubwürdigkeit der Terminbörse, nein: des ganzen Finanzsystems irreparabel schädigen und unabsehbare Auswirkungen haben. Die Schlussfolgerung daraus: Wenn die Zentralbanken so etwas zulassen, dann nur

  • wenn sie es absolut nicht mehr vermeiden können und/oder
  • nachdem die Finanzbranche umfangreiche Vorbereitungen dafür getroffen hat.

***

Nun verfügt die COMEX über angeschlossene Lagerhäuser, in denen Gold liegt, das zur Befriedigung der Lieferansprüche verwendet werden kann. Ob bzw. zu welchem Prozentsatz das dort verzeichnete Gold physisch existiert, lässt sich schwer sagen. Sicher ist nur, dass die Börse nur einen kleinen Teil der Gesamtmenge verwenden darf, um zu beliefernde Käufer zufriedenzustellen.

Diese Kategorie nennt sich registered.

Sie besteht ziemlich sicher aus physischem Metall und gehört irgendwelchen Privatkunden. Diese haben nicht damit gerechnet, das Metall in absehbarer Zeit zu brauchen und der COMEX daher schriftlich erlaubt, ihr Gold (zwischenzeitlich) für Auslieferungen zu verwenden (für eine Gegenleistung).

Es gibt eine zweite Goldkategorie und es darf darüber spekuliert werden, zu welchem Anteil sie physisch überhaupt existiert. Sie nennt sich eligible gold, das – sofern die Genehmigung des Eigentümers vorliegt – in registered, also auslieferbares Metall umgewandelt werden kann.

Auf dieser Seite, www.24hgold.com, findet sich ein interaktiver Chart, der zeigt, wie sich die Menge an registered COMEX-Gold während der vergangenen sieben Jahre entwickelt hat. Am besten ist es, ihn sich anzuschauen (ich darf ihn nicht so einfach übernehmen).

Kurzbeschreibung: Von Mitte 2008 bis April 2013 standen an der COMEX im Durchschnitt immer ca. 2,4 Millionen Unzen zur Auslieferung bereit. Das sind etwa 75 Tonnen.

Dann plötzlich – parallel zu Leerverkäufen/“mysteriösen Preiseinbrüchen” – setzte ein steiler Sinkflug ein. Heute sind nur mehr 162.000 Unzen, umgerechnet 5 Tonnen übrig. Das ist weniger als ein Zehntel und angesichts der an der Warenbörse umgesetzten Mengen verdammt wenig.

Nun ist dieser Rückgang seit Frühjahr 2013 weder linear noch ohne Gegenbewegung vonstatten gegangen. Die an der COMEX tätigen Banken dürfen für sich selbst oder ihre Kunden ja eligible in registered gold umwandeln.

So ist von Jänner bis August 2014 die Menge von registered gold wieder von 400.000 auf 1,1 Millionen Unzen gestiegen (seither geht’s wieder bergab).

Das wäre prinzipiell auch heute oder morgen wieder möglich – wenn die Banken einen neuen Trick erfinden oder Kunden überzeugen können, ihnen ihre physischen Bestände zu überlassen. Und sofern das verzeichnete eligible gold überhaupt auslieferungsfähig ( = physisch vorhanden) ist.

Es ist freilich zweifelhaft, ob überhaupt der Wille dazu noch besteht und ob es JP Morgan & Co. diesmal nicht drauf ankommen lassen.

Warum ?

Deswegen: Vor einer Woche berichtete die Finanzseite zerohedge von einem Einbruch von registered in New York und äußerte die Erwartung, dass die Banken, vor allem Platzhirsch JP Morgan, die brenzlige Situation umgehend entschärfen würden.

Seither ist …. das Gegenteil passiert. Beide Goldkategorien der COMEX scheinen vor den Augen der Zuschauer zu “verdampfen”. JP Morgan, schreibt zerohedge, verfüge nur mehr über 27 Barren für die physische Auslieferung – ca. 335 Kilo.

Jetzt kann alles Mögliche passieren.

Es könnte beispielsweise sein, dass niemand mehr echtes Gold haben will und nicht einmal die vorhandenen registrierten 5 Tonnen gebraucht werden. Oder die Banken finden doch noch genügend eligible,  das sie umwandeln und beim nächsten delivery-Termin verwenden können.

Oder sie haben sich entschlossen, die Sache hinter sich zu bringen und nicht mehr physisch zu liefern.

In diesem Fall würde, müsste theoretisch schlagartig klar werden, dass der sogenannte Goldmarkt ein Hütchenspiel ist und die verlangten (Future- oder Spot-)Preise völlig unrealistisch sind.

Müsste, theoretisch.

Es gibt nämlich noch eine gelindere Variante, mit der man versuchen könnte, ein Lieferversagen zu bemänteln. Diese Variante – meint beispielsweise Rob Kirby -, wird im Fall des Falles auch probiert werden. Sie heißt settlement by fiat currency, Abrechnung über ungedecktes Geld.

Dabei wird der Käufer mit Geld statt Gold  “beliefert” – Geld, das die Banken über ihre Kreditoperationen unbeschränkt ins Leben rufen können. 

Das klingt speziell für eine Warenterminbörse lächerlich. Es ist aber sogar legal, wenn sich die Börse auf höhere Gewalt berufen kann. Die Kunden haben das irgendwo im Kleingedruckten unterschrieben/akzeptiert.

Das wäre eine gesichtswahrende Lösung, die formell auch kein default wäre. Man bräuchte nur unverständige/korrupte Medien, die das entsprechend darstellen/formulieren.

Wenigstens daran sollte kein Mangel bestehen.

Edit, 17. September, 14.00 Uhr: Im Einzelfall lässt sich natürlich auch eine Problemlösung à la Don Corleone probieren: “Ich habe da ein Angebot, das sie nicht ausschlagen können: Plus 50 Prozent in cash, wenn Sie den Kontrakt überrollen ! Und denken Sie auch an die vielen armen Kinder, die dadurch zu Schaden kommen können ! Sie haben doch auch Kinder ! Lukas und Denise – nicht wahr ? Sie wollen doch sicher nicht, dass denen wegen einer Dummheit ihrerseits etwas passiert !?” 

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.