Die Freunde des Transatlantischen Freihandelsabkommens werden nicht müde, auf die Wohlfahrtseffekte hinzuweisen, die TTIP auf beiden Seiten des Großen Teichs haben könnte (und theoretisch auch haben müsste). Nur: Es existieren viel größere Hürden für den internationalen Warenverkehr als ein paar marginale Zölle und sonstige Hemmnisse – z.B., dass Exporteure für einen Dollar 120 und nur wenig später 70 Euro-Cents bekommen können. Sowas muss man ein echtes nicht-tarifäres Handelshemmnis nennen. NB zu einem festen und doch flexiblen Wechselkurssystem.
Warum schweigt ihr darüber, ihr sonst so eloquenten Unternehmerlobbys, siehe z.B. hier, hier und hier? Macht der Kurs der Verrechnungswährung für Eure Ex- und Importgeschäfte etwa keinen Unterschied? Ist euch egal, wenn der US-Dollar Bocksprünge macht, als wäre er ein von Satyriasis befallener Faun?
Warum zerfranst Ihr euch das Maul, wenn es darum geht, ein paar Krümel zusammenzukehren, beschweigt aber das viel größere Problem? Warum wollt ihr über die Bedenken der Leute hinwegtrampeln, obwohl, für alle sichtbar, ein Balken im euerm Aug’ steckt?
Warum sollte euch die Allgemeinbevölkerung das Lob des Freihandels abnehmen, wenn euch ein freier Austausch unter für alle Partner geltenden gleichen Ausgangsbedingungen gar kein echtes Anliegen ist?
Warum, hochverehrte deutsche Exporteure, ist der Umstand, dass eure künftigen Ausfuhrerlöse in den Dollarraum 60 Prozent schwanken können, kein Thema für eure Kalkulationen sowie für den Freihandel ganz allgemein?
Könnte es sein, dass sich die Klügeren unter euch sowieso über Währungsderivative absichern und damit big time zum systemischen Risiko des gesamten Konstrukts beitragen? Ist vielleicht das die Ursache eures blinden Flecks?
Wie auch immer – wer Widersprüche wie diesen offen zur Schau trägt, darf sich nicht wundern, wenn alle Welt über die handelspolitischen Köpenickiaden eurer Verbandsfuzzis lacht.
Nachbemerkung, 9.5.2016, 07:15 Uhr: Tut mit leid, aber der Einwand, dass es derlei Währungsschwankungen “schon immer”, auch in der D-Mark-Zeit gegeben habe, stimmt einfach nicht. Bis zum Ende von Bretton Woods hat es das nicht gegeben. Da war der Dollar erst 4,20, danach 4 Mark wert.
Danach kam die Zeit der (angeblichen) freien Wechselkurse, die in Wirklichkeit gemanagte Wechselkurse sind. Gäbe es ein neutrales und unbestechliches Medium zum Settlement von Handelsungleichgewichten, könnten die Währungen stabiler, aber auch flexibel sein. “Total fest” miteinander verbundene Währungen sind gar nicht wünschenswert.
Nachbemerkung II: Am Begriff Köpenickiade ist nix auszusetzen. Die Verbandsfuzzis machen die Hauptmänner des Freihandels. Beschwören theatralisch den Geist Adam Smiths, wollen aber nur die Stadtkasse von Cöpenick entwenden.
Das Währungsrisiko kann auch nicht wirklich abgeschafft werden. Aber man kann die Währungen jenen Akteuren aus der Hand nehmen, die sie aus oft nicht nachvollzierhbaren Gründen in die eine oder andere Richtung drängen.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.