Heinrich Klang – ein vielfältiges Leben in turbulenten Zeiten

klang_buchcoverHannes Rosenkranz erfüllt mit seiner soeben erschienenen Biografie über Univ.-Prof. Dr. Heinrich Klang auf gelungene Weise ein wissenschaftliches Desideratum. In ihr erfährt man das Wesentliche über das Leben des großen Juristen im Wandel von turbulenten und zum Teil auch sehr schweren Zeiten. Rezension von Dr.Dr. Heinz-Dietmar Schimanko.

Rosenkranz zeigt nicht nur das juristische Schaffen des bedeutenden Rechtsgelehrten und Höchstrichters, sondern auch dessen ab 1897 einige Jahre parallel zur juristischen Karriere als Richter und Rechtswissenschaftler ausgeübte Tätigkeit als Milizoffizier und sein späteres Leben als Offizier der k.k. Landwehr im Großen Weltkrieg, der in weiterer Folge retrospektiv als Erster Weltkrieg bezeichnet wurde, und – etwas umfangreicher – sein danach entfaltetes Wirken als “Homo Politicus”.

In seiner vollständigen und fundierten Präsentation des Lebens von Heinrich Klang widmet sich der Autor auch dem schwierigen Thema des Leidenswegs von Klang als Opfer der NS-Judenverfolgung und behandelt auch eingehend deren Vorgeschichte, antisemitische Tendenzen in Österreichs Zwischenkriegszeit, auch solche, die unter anderem auf Klang selbst bezogen waren sowie dafür bestehende Erklärungsansätze,

und auch die gegen Juden gerichteten diskriminierenden und sozial ausgrenzenden Maßnahmen des NS-Regimes sowie erfolgter Übergriffe auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Hannes Rosenkranz versteht es, die verschiedenen Lebensphasen von Klang auch für die bei einzelnen Themen historisch nicht so informierten Leserinnen und Leser anschaulich zu schildern, indem er jeweils die für Klangs Lebensweg wesentlichen historischen Hintergründe auf Meso- und Makroebene genau erklärt,

wie etwa jene der betreffenden Entwicklungen im Ersten Weltkrieg oder die politischen Umstände Österreichs und dessen Parteienlandschaft in den Phasen der Entstehung der Republik und der Zwischenkriegszeit oder eben die Details der NS-Maßnahmen gegen Juden und deren Durchführung.

Einzelne Themenbereiche spricht er ohne Umwege und Weitläufigkeiten und zuweilen mit pointierten Begriffen und Aussagen an.

So merkt er etwa kurz und bündig an, daß der Anschluss Österreichs an Deutschland erfolgte, als Deutschland von der für den grundsätzlichen Anschlussbefürworter Klang falschen Partei regiert wurde.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte Wiedererrichtung der unabhängigen und demokratischen Republik Österreich bezeichnet er prägnant als Reaktivierung Österreichs und faßt die betreffenden historischen Fakten zusammen, soweit sie für das Verstehen von Klangs Handeln und dessen Bedeutung erforderlich sind, ohne aber auf die im Zusammenhang mit der Biografie Klangs nicht interessierenden staats- und völkerrechtlichen Umstände einzugehen.

Gebührend Berücksichtigung finden allerdings die rechtspolitischen Themenstellungen wie Fragen der Justizorganisation und der verfassungsgesetzlichen Ausgestaltung des Richteramts, weil sich Klang als auch verfassungsrechtlich interessierter Zivilrechtswissenschaftler sowie als Repräsentant der Justiz und bei seiner Mitwirkung in der Richtervereinigung damit befaßte.

Fehlen dürfen natürlich auch nicht der für die juristische Fachliteratur wichtige Klang-Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), ein Projekt, das der 1923 habilitierte Klang als Herausgeber 1926 mit einem von ihm ausgewählten Autorenteam startete,

dessen Mitautor er in großem Umfang war, und die ursprünglich von Klang von 1928 bis zu seinem Tod im Jahr 1954 (mit der Unterbrechung von 1938 bis 1945) herausgegebenen, heute noch immer existenten “Juristischen Blätter”, eine der führenden juristischen Fachzeitschriften.

Die Biografie enthält neben naturgemäß erfolgenden Angaben zum familiären Umfeld Klangs auch interessante Details wie jene zur Schulzeit Klangs im Gymnasium Stubenbastei in Wien I, vormals Franz Joseph Gymnasium, zu später prominenten Schulkollegen Klangs und anderen Schülern dieser Schule, und zur Mitgliedschaft Klangs im deutschnationalen Corps Marchia, das im Unterschied zu vielen anderen Studentenverbindungen den “Arierparagraphen” mehrheitlich ablehnte.

Im letzten Kapitel widmet sich Rosenkranz dann auch der nach dem Zweiten Weltkrieg unter Mitwirkung Klangs erfolgten Reaktivierung der Marchia.

Der Autor geht auch auf die juristischen Tätigkeiten Klangs außerhalb dessen eigentlichem juristischen Berufe als Rechtsgelehrter und staatlicher Berufsrichter der regulären Gerichtsbarkeit ein, und zwar dessen Funktionen als Ankläger vor dem Feldgericht und als Militärrichter eines Feldgerichts und dann des Landwehrdivisionsgerichts Wien während des Ersten Weltkriegs

und als Richter des Ghettogerichts (eigentlich Lagergerichts) im Konzentrationslager Theresienstadt, das für viele der großteils weniger privilegierten Gefangenen letztlich eine Zwischenstation für den Osttransport in eines der Vernichtungslager war.

Der Autor nimmt auch die im Sinne einer objektiven Geschichtsschreibung nötige Aufarbeitung der späteren  kontroversiellen Erörterung dieser von Klang in dieser Sondersituation der fremdbestimmten Zwangsgemeinschaft des Lagers ausgeübten Funktion vor.

Klang war, wie im Buch geschildert, nach vergeblichen Ausreiseversuchen und einem erfolglosen Versuch der unerlaubten Ausreise, bei dem er Opfer eines Betrügers wurde, in dieses NS-Konzentrationslager eingeliefert worden. Er überlebte es und konnte nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Volksgericht als Zeuge gegen NS-Verbrecher fungieren, wie man im Buch ebenso erfährt.

Der berühmte österreichische Jurist entfaltete auch im reaktivierten Österreich seine Berufung zur Juristerei und war wieder als Richter, nun bald als Richter des Obersten Gerichtshofs und Rechtsgelehrter für Österreichs Staat und Gesellschaft aktiv, und vorübergehend auch als Verfassungsrichter.

Im Buch bleibt auch nicht unerwähnt, daß Klang auch bei Rechtsangelegenheiten, die bei der Reaktivierung Österreichs wichtig waren, eine maßgebliche Rolle hatte, und zwar mit seiner Mitarbeit an den Rückstellungsgesetzen, mit denen die Rückgabe von während der NS-Zeit enteigneten Vermögenswerten geregelt wurde, und als Mitglied und letztlich als Leiter der Obersten Rückstellungskommission.

Wie Dr. Hannes Rosenkranz aufzeigt, entschied Klang dabei auch couragiert gegen den Staat, wenn es der Sache nach aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen angebracht war.

Der Autor klärt auch über unberechtigte Kritik an den Rückstellungsgesetzen und deren Anwendung auf, womit er gängige Narrative korrigiert. Schließlich weist der Autor darauf hin, daß Heinrich Klang auch in seinem Ruhestand ein bedeutender Kritiker des juristischen Zeitgeschehens blieb.

Der Autor ist promovierter Historiker. In seiner im Jahr 2004 an der Universität Wien approbierten Dissertation hat er sich mit der Schulz-Gruppe der NSDAP beschäftigt.

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