Akademische und populärwissenschaftliche Klimahistoriker zeichnen mithilfe immer genauerer “Hilfswissenschaften” vergangenen Klimawandel und dessen oft fatale Folgen für frühe städtische Hochkulturen nach – pochen in Vor- und Nachworten aber drauf, dass der Klimawandel von heute “etwas völlig anderes ist”. Die offiziöse, in internationalen Konferenzen beschlossene Wissenschaft, erklären die Nachplapperanten, liege schon richtig (obwohl die aktuellen Dürren nicht so recht in die gängige Schmelzwasser-Modell mit seinen ersaufenden ErsteWelt-Metropolen & untergehenden VierteWelt-Inseln passen).
Die Flut klimahistorischer Veröffentlichungen während der vergangenen Jahre mag etwas mit wissenschaftlichen Moden zu tun haben,
vor allem aber ist sie einer sich laufend verbessernden Quellenlage geschuldet, die wiederum durch rasante Fortschritte bei der Analyse natürlicher Proxys geschaffen wird.
Paul Erdkamp gibt mit “A Historian’s Introduction to Paleoclimatology” einen groben Überblick über die wichtigsten dieser Methoden,
was interessierten Laien wenigstens ebenso viel bringen mag, wie mit dem Feld noch nicht vertrauten Historiker-Profis.
Dabei wendet sich Climate Change and Ancient Societies in Europe and Near East definitiv an ein an Universitäten beheimatetes Fachpublikum (was sogar die oberflächliche Lektüre des Sammelbands zu intellektuellem trocken Brot macht).
Die Beiträge in diesem Ende vergangenen Jahres erschienenen Bands reichen von der Vorgeschichte bis zur Spätantike und zeichnen sich idR durch äußerst komplexes Räsonnement aus.
Statt auf “mechanistische Reiz-/Reaktionsmodelle” legen die Beiträger des Readers Wert auf die Interaktion zwischen der sich ständig verändernden natürlichen Umwelt und den nicht zwingend davon bestimmten Antworten konkreter Gesellschaften.
Deterministisch zu sein, schickt sich für Fachhistoriker schon seit Jahrzehnten ganz und gar nicht.
Mayas & Wikinger
Nicht ganz so hyperakademisch kommt Gerhard Gerolds Klimawandel und der Untergang von Hochkulturen daher
(obwohl G. emeritierter Uni-Geograph ist und “nur” den jeweiligen Forschungsstand referiert – ohne für diesen Blogger erkennbare Fehler übrigens).
Nach der obligatorischen Thematisierung des Zusammenbruchs des früh-bronzezeitlichen Imperiums von Akkad vor 4.000 Jahren sowie des spät-bronzezeitlichen Kollapses im östlichen Mittelmeer 3.000 Jahre später
taucht der Deutsche in zeitlich nicht mehr so entlegene Gewässer ein:
nämlich zunächst in den Untergang der “klassischen” Maya-Stadtstaaten, etwa ein halbes Jahrtausend vor dem Auftauchen des Hernán Cortés bei den Azteken in Tenochtitlan,
gefolgt von Unterabschnitten über das Ende zweier andiner Kulturen (≠ Inkas), sowie einem über die Wikinger in Grönland (wieso sind die eigentlich eine “Hochkultur” ?).
Diese Kapitel stellen den Sukkus jahrzehntelanger Forschungen und Diskussionen hoch spezialisierter (echter) Experten dar
und die von diesen erzeugte “Literatur” auf jeweils 30 – 40 Buchseiten zusammenzufassen, ist kein geringes Verdienst
(leider macht sich G. zum Stichwortgeber unseres sich demokratisch nennenden Polit-Gesindels und seiner medialen und wissenschaftlichen Helferlein, etwa mit seiner Sichtweise der “Coronaviruskrise” und des (falsch) vermutet zoonotischen Ursprungs des Erregers;
das Labor in Wuhan mit seiner aus den USA finanzierten “Gain of Function-Forschung” kommt im Unterkapitel über Covid-19 nicht vor. War da was? )
Ob die von Gerold gebotenen Kurzfassungen in jedem Einzelfall gut sind, entzieht sich dem Urteil von “Nicht-Experten” weitgehend.
Daher beschränkt sich dieser Rezensent auf die zwei “neuere Fälle”, in denen er die voran gegangene Diskussion oberflächlich, quasi “aus den Augenwinkeln” mit verfolgt hat:
Zum einen ist die Rede vom noch immer etwas mysteriösen Kollaps der Maya-Städte in Mittelamerika, der sich über zwei Jahrhunderte hinzog, ausgehend vom unteren Río Usumacinta bis zum Fall von Chichén Itzá im nördlichen Yucatán zwei Jahrhunderte später.
Kondensiert man Gerolds Kurzfassung ein weiteres Mal, liegen die vom heutigen Stand der Forschung favorisierten Ursachen des Niedergangs der Urban-Mayas
in Bodenerosion, Waldrodungen, Überbevölkerung (zu hoher Bevölkerungsdichte) und Dürre.
Etwas anders die Sachlage bei den im Mittelalter an der grönländischen Westküste siedelnden Wikinger, wahrscheinlich Abkömmlinge isländischer “Stammesbrüder”.
Die Grönland-Wikinger verschwanden mit dem Ende der Mittelalterlichen Warmperiode (MWP) wie vom Erdboden verschluckt,
wobei Übernutzung des Bodens und gewaltsame Konflikte mit lokalen Inuit eine Rolle gespielt haben mögen.
Der Elefant im Wohnzimmer ist hier aber der natürliche Klimawandel des Kälterwerdens,
der zunehmend Missernten, Mangelernährung des Nutzviehs und die langsame Umstellung der menschlichen Ernährung auf mehr “marine Kost” zur Folge hatte.
Als es dann so kalt wurde, dass nicht einmal mehr Fischer und Robbenjäger in See stechen konnten,
war endgültig “Schluss mit lustig”, auch für die Steuereintreiber der Kirche und des norwegischen Königs.
Statt anhand der referierten Erkenntnisse über das Verhältnis von natürlichem (Sonne) und tatsächlich menschengemachtem Klimawandel (Entwaldungen) zu “diskutieren”
und z.B. das “Crutzensche Anthropozän” zu verwerfen oder wenigstens zu reformulieren und auf die Zeit vor 1800 auszudehnen,
hüpft Gerold einfach die auf Klimakonferenzen vereinbarte Konsenswahrheit über die angebliche Erderwärmung durch Treibhausgase des Industrialismus nach.
Für ihn wie für andere Klimaforscher und -historiker scheint zu gelten:
Seit dem Beginn des “Fossilzeitalters” vor 250 Jahren ist alles anders als bis zu diesem Zeitpunkt
- und der “Klimawandel”, der den alten Mayas und den Grönland-Wikingern den Garaus gemacht hat, ist hier und heute anscheinend nicht mehr anwendbar.
Vergleichbar sind hier allenfalls noch die Auswirkungen der Kollapse von gestern sowie jene der angeblich sich anbahnenden globalen Klimakatastrophe.
“Was ganz anderes”
“Climate Chaos. Lessons on Survival from our Ancestors” aus der Feder des emeritierten Anthropologieprofessor Brian Fagan sowie der Archäologin Nadia Durrani ist der Anpassung des Homo Sapiens an die Wechselfälle des Klimas seit der letzten Eiszeit gewidmet
(“Climate Chaos” ist ein hipperer Ausdruck für das bereits als zu dröge empfundene “Climate Change”).
Das Autorenduo hechelt über 30.000 Jahre Megadürren, Wirbelstürme und Überflutungen durch
um letztlich unter Berufung auf anderweitige “Wissenschaft” festzustellen, dass Extremwetter früher natürlichen Ursprungs, heute hingegen ausschließlich menschengemacht ist
- und wer das nicht glaubt, der ist halt ein “Klimawandelleugner”
(das Zentralgestirn dieses Sonnensystems kommt bei Fagan, Durrani & tutti quanti übrigens fast ausschließlich in Zusammenhang mit dem ägyptischen Sonnengott etc.vor).
Gegen Kultisten dieses Schlags lässt sich, wie u.a. hier bemerkt wird, nicht rational argumentieren
- bemerkenswert bleibt die nassforsche Frechheit dieses Autorenduos allemal,
das auf 290 Seiten Fälle von natürlichem Klimawandel ausbreitet um diese zuletzt als eigentlich obsolet wieder vom Tisch zu wischen.
Es gehe ihnen ja nur um Exempel für zeitlose menschliche Bewältigungsmechanismen, erklären Fagan & Durrani.
Universalgeschichte des Klimas
Zuguterletzt noch ein paar Worte zum in Wien lehrenden, relativ jungen Byzantinisten Johannes Preiser-Kapeller, der vergangenes Jahr zwei Bücher über die Auswirkungen des Klimawandels auf die (Früh)Geschichte vorgelegt hat.
Hier ist der erste Band, der mit dem Fall (West)Roms und “den Klimaflüchtlingen der Völkerwanderung” endet (“Klima, Pandemien, und der Wandel der Alten Welt bis 500 n.Chr.”):
Wie Gerold ist auch Preiser-Kapeller ein fleißiger Rechercheur, der von der ägyptischen Gefangenschaft der Juden bis zu den Hunnen alles zusammenträgt, was irgendwie von Belang sein könnte.
Abgesehen davon, dass sich Opfer der hier geschilderten “historischen Pandemien” wohl verarscht vorkommen würden, mit der aktuellen Pseudo-Seuche in den gleichen Topf geworfen zu werden,
sind die acht Kapitel von Preisers “Erster Ernte” so uninteressant nicht – und auch nicht die dem Autor wohl näher liegenden Themen des zweiten Bands (P-K ist letztlich Mediävist).
Das Themenspektrum des zweiten Bands reicht von der Justinianischen Pest im späten Ostrom bis zum Beginn der “Großen Divergenz” zwischen Europa und China um etwa 1500.
P-K, der nur zum Beispiel drei Jahrzehnte jünger ist als Geograph Gerold, geht mit den beiden Bänden gewissermaßen aufs Große und Ganze los,
den Deutungs-Primat einer abendländischen Weltgeschichte des Klimas (die zuvor freilich um das “Reich der Mitte” seit Qin Shi Huang angereichert worden ist).
Er nimmt im Text davon Abstand, sich allzusehr auf das Theoriegebäude des CO2-Warmismus einzulassen,
ist ein paar Monate nach den Veröffentlichungen aber seinerseits bereit – im Austausch für ein paar Sende-Minuten? – festzustellen,
dass die heutige “globale Erwärmung” etwas ganz anderes sei
- so, als wäre der “moderne Klimawandel” aus einem Guss und kein dubioses akademisch-mediales Konstrukt, das u.a. erst durch die Verwendung global gemittelter Temperaturen zustande kommen kann.
Nicht eingängig scheint dem Herrn Dozenten ferner zu sein,
dass es höchst problematisch ist, regionale, den “Archiven der Natur” entnommende Proxy-Daten mit erst seit 200 Jahren beobachteten bzw. gemessenen Werten zu vermanschen
um auf diesem Fundament welterschütternde Theoriegebäude zu errichten.
P-K mag sich ja mehr als manche seiner Kollegen mit den – durchaus nützlichen – helfenden Naturwissenschaften der neuen Historie auseinandergesetzt haben,
aber die fundamentale Differenz zwischen Baumringen und Kohlen- bzw. Sauerstoffisotopen einerseits sowie – sowieso oft “angepassten” – HadCRUT-Werten andererseits scheint der gute Mann nicht gerafft zu haben.
Natürlicher Klimawandel, physikalisch
Über dem Stimmengewirr über den historischen K-Wandel mag in manchen das Bedürnis entstanden sein, mehr über dessen naturwissenschaftliche Seite zu erfahren
- und da gibt es leider nicht allzuviel Literatur, weil Erwärmung/Klimawandel/Klimachaos von heute laut IPCC ja keine natürlichen Ursachen haben.
Deutsch lesende Interessenten können aber beispielsweise zum jüngsten Buch von Stefan Uhlig greifen.
Der Autor, ein Geowissenschafter, bietet einen konzisen Überblick über die “Muttern und Bolzen” des Klima-Systems, von Atmosphärenphysik und veränderten Neigungen der Erdachse über die Sonne und ihre vielen Zyklen, die Ozeane und ihre Oszillationen bis zum (realen) Treibhauseffekt.
Der Mitte 2021 erschienene Text mag nicht perfekt sein,
ist aber up to date und sowohl für szientifisch kaum vorgebildete Laien als auch für naturwissenschaftlich Bedarftere nützlich.
Obwohl der Autor Sympathien für “CO2-Skeptiker” auf “globaler Ebene” erkennen lässt,
stellt er einen möglichen, aus Sicht dieses Bloggers durchaus wahrscheinlichen anthropogenen Klimawandel regionaler Natur nirgendwo in Abrede.
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