Justiz in Ö: Mitschnitt statt Weisung – “Eigensicherung” nicht vergessen!

Wenn auch die Ankläger einander misstrauen und eine Seite gegen die andere Strafanzeigen erstattet, dann wird es allmählich schwierig, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Soll etwas vertuscht werden? Von Dr.Dr. Heinz-Dietmar SCHIMANKO

Die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Ilse Vrabl-Sanda, hat vor ein paar Tagen Strafanzeige gegen den früheren Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek sowie zwei Oberstaatsanwälte erstattet, wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs.

Pilnacek habe sie und andere Mitglieder der WKStA dazu angehalten, Teile des Eurofighter-Ermittlungsverfahrens ungeprüft einzustellen. Dies mit den Worten: “Setzt’s euch z’samm und daschlogt’s es” (Eurofighter: WKStA-Chefin Ilse Vrabl-Sanda bekräftigt Vorwürfe, Tiroler Tageszeitung, tt.com, 06.06.2019).

Die Ermittlungen gegen Pilnacek wurden eingestellt.

Nun sind Vrabel-Sanda und vier ihrer Mitarbeiter die Angezeigten (Raffaela LINDORFER, Nach Pilnacek-Anzeige wurden nun fünf Korruptionsjäger angezeigt, kurier.at, 06.06.2019). Pilnacek hat gegen sie Strafanzeige erstattet.

In der am Abend des 06.06. ausgestrahlten staatlichen Nachrichtensendung ZIB 2 meinte Vrabl-Sanda, sie sei „in eine Zwangslage“ versetzt worden, indem sie “von ihrem Vorgesetzten eine Vorgabe erhalten” habe, “die so nicht dem Gesetz entspricht“. Diese Vorgabe sei „nicht in einer förmlichen Weisung erklärt worden“, sondern informell.

Das ist im Allgemeinen und im Besonderen für eine Staatsanwältin, die diesen Beruf nicht erst seit gestern ausübt und überdies in leitender Position tätig ist, bemerkenswert.

Denn eine Staatsanwältin oder ein Staatsanwalt haben generell ein Recht darauf, dass ihnen eine mündliche Weisung auch schriftlich erteilt wird (§ 30 Abs. 2 Staatsanwaltschaftsgesetz – StAG). Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft sind von vornherein nur schriftlich zu erteilen und außerdem zu begründen (§ 29 Abs. 1 StAG). Über die interne Erörterung einer Strafsache ist ein Protokoll anzufertigen (§ 29 Abs. 2 StAG).

Das gilt ebenso für Weisungen des Bundesministers für Justiz (§ 29a StAG).

Außerdem sind jede Staatsanwältin und jeder Staatsanwalt verpflichtet, vor der Befolgung einer Weisung einem Vorgesetzten mitzuteilen, wenn gegen die Rechtmäßigkeit einer Weisung Bedenken bestehen (§ 30 StAG).

Fraglich ist also, warum die Frau leitende Staatsanwältin nicht auf einer schriftlichen Weisung bestanden hat, sondern erst nachträglich Anzeige erstattet hat.

Merkwürdig ist zudem, warum über die betreffende Besprechung mit dem BMJ-Generalsekretär Pilnacek nicht das gesetzlich vorgesehene Protokoll angefertigt wurde, aber davon stattdessen von einem der Teilnehmer eine heimliche Tonbandaufzeichnung, wie berichtet (Raffaela LINDORFER, Nach Pilnacek-Anzeige wurden nun fünf Korruptionsjäger angezeigt, kurier.at, 06.06.2019).

Jedenfalls hat man bei der Staatsanwaltschaft den für Exekutivorgane geltenden Grundsatz, bei einem Einsatz ja nicht auf die Eigensicherung zu vergessen (§ 3 der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes), analog angewendet. Allerdings nicht gegenüber Verdächtigen oder Angeklagten, sondern behördenintern untereinander, bzw. gegeneinander.

Wenn schon die Ankläger einander mißtrauen und die eine Seite gegen die andere Strafanzeigen erstattet, dann wird es allmählich schwierig, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.

Das gilt auch für den früheren Justizminister Moser.

Denn wenn der höchste Beamte des BMJ und Spitzenstaatsanwältinnen und -staatsanwälte einander in einer politisch heiklen Angelegenheit wie der Eurofighter-Affäre bekämpfen, dann stellt sich schon die Frage nach einer allfälligen Beteiligung des Ministers. Und die könnte mit einer Vertuschung zu tun haben.

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