Der österreichische Außenminister Kurz hat vorgeschlagen, die Boots-Migration im zentralen Mittelmeer nach australischem Muster zu kanalisieren und bezog dafür Prügel von jenen, die sich gern auf Kosten anderer als gute Menschen fühlen. Dabei ist das kritisierte Modell in down under selbst unumstritten und auch erfolgreich – was die Eindämmung der illegalen Immigration über das Meer angeht.
Im Wesentlichen besteht das, was heute unter diesem Begriff verstanden wird, darin,
- Booten mit Migranten die Einfahrt in australische Gewässer zu verweigern und sie ggf. zu ihrem Herkunftsland zurückzugeleiten. Letzteres ist oft nicht möglich, weil entweder nicht klar ist, woher die boat people gekommen sind, oder weil diese um keinen Preis zurück wollen oder weil sich die Regierungen der Herkunftsländer weigern, die Migranten zurückzunehmen (sehr oft der Fall).
- Jene IMAs (Illegale Maritime Ankünfte), die es schaffen einen Asylantrag zu stellen, müssen in Internierungslagern in Papua Neuguinea und Nauru auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten und werden, selbst wenn sie akzeptiert werden, außerhalb Australiens angesiedelt (aber auf dessen Kosten). In den Flüchtlingslagern sollen teilweise menschenunwürdige Zustände herrschen.
Nach dem aktuellen Kurz-Vorschlag, der hier gut zusammengefasst ist, soll die EU z.B. für die aus Libyen aufbrechenden Afrikaner Vergleichbares etwa auf der griechischen Insel Leros einrichten.
Ich schenke mir hier die kritische Würdigung jener – äußerst einseitigen – kritischen Würdigungen, die der Kurz-Vorschlag in der Öffentlichkeit fand. Der Vorstoß ist erst drei Tage alt, jeder kann die Reaktionen im Internet selbst nachlesen.
Erwähnt soll nur werden, dass diese Flüchtlingspolitik in Australien selbst völlig unbestritten ist und dass das auf die Erfahrungen während der vergangenen 15 Jahre zurückgeht.
Im Wahlkampf für die für 2. Juli angesetzen allgemeinen Wahlen gibt es diesbezüglich maximal rhetorische/”technische” Unterschiede zwischen den regierenden Liberalen und den Sozialdemokraten
In der Sache passt kein Blatt Papier zwischen Premier Malcolm Turnbull und dem roten Oppositionsführer Bill Shorten. Nur die politisch bedeutungslosen Grünen wollen das Offshoring der Camps aufgeben und die Grenzen aufmachen, siehe dazu den SMH – hier, Punkt 8.
Zickzackkurs seit John Howard
Das hat bis ins vergangene Jahrhundert zurückreichende Gründe und die diesbezügliche australische Lernkurve gleicht einem Zickzackmuster zwsichen der harten Haltung der australischen “Liberalen” und der (damaligen) Permissivität der lokalen Labour-Partei.
Die Basis der heutigen Politik legte der liberal-konservative Langzeitpremier John Howard, der von 1995 bis 2007 regierte. Howard propagierte die sogenannte Politik der Pazifischen Lösung, die die Anreize für die Migration senken sollte. Deren zentrales Element waren eben die Internierungslager in pazifischen Anrainerstaaten, in denen auf das Ende des sich lange hinziehenden Asylprozesses gewartet werden musste.
Danach kamen Labour und Kevin Rudd ans Ruder, die versprochen hatten, diese unmenschliche Politik zu beenden.
Rudd machte zunächst wirklich Schluss mit dem offshoring von Asylwerbern und schloss die Lager in Neuguinea und Nauru. Sofort explodierte die Zahl der Bootsankünfte wieder.
Er wurde 2010 von einer Genossin, Julia Gillard, gestürzt. Die erwies sich nur als Zwischenspiel, aber in Gillards Amtszeit fiel die 180 Grad-Wende der Sozialdemokraten in Sachen Migrationspolitik.
Gillard ließ die offshore Flüchtlingscamps wieder aufsperren und kehrte zur Pazifischen Lösung zurück (die sie freilich nicht so nennen wollte). Mitte 2013 wurde sie erst in der Partei wieder von Rudd gestürzt, der nur ein paar Monate regierte. Nach Neuwahlen waren wieder die Liberalen am Ruder, erst ein gewisser Tony Abbot, nun Turnbull.
Gillard und Rudd, die als Oppositionelle für eine “liberale Immigrationspolitik” gestanden waren, verbrämten die Rückkehr zum alten Modell mit dem Namen PNG Lösung, was für einen mit Papua Neuguinea geschlossenen (kostspieligen) Vertrag stand.
Nach diesem Übereinkommen sollte das Nachbarland nicht nur das Management der Camps übernehmen, sondern auch jene ansiedeln, denen Australien Asyl gewährte.
Nachdem das Höchstgericht von PNG die Camps im April 2016 für verfassungswidrig erklärt hatte und diese in den nächsten Monaten aufgelassen werden müssen, hat sich die Situation wieder verändert.
Trotzdem bleiben boat turn-backs und offshore detention Pfeiler der Asylpolitik beider großen australischen Parteien. Ein Abgehen davon scheint nicht ernsthaft zur Debatte zu stehen. Die in unseren Medien immer wieder erwähnte scharfe Kritik kommt aus den internationalen Organisationen sowie von der Immigrations-Lobby.
Die Regierungen Abbott und Turnbull können sich jedenfalls damit brüsten, mit harter Hand die Einwanderung über das Meer praktisch zum Erliegen gebacht zu haben (ohne dass es zu größeren Ertrinkungen gekommen wäre).
Das europäische Problem ist ungleich größer
Australiens geopolitische und geographische Ausgangssituation ist freilich um einiges besser als jene Europas. In down under sind die Anfahrtswege über das Meer viel länger als jene aus dem Maghreb nach Europa.
Verglichen mit der hiesigen Flüchtlingskrise grenzen die Zahlen aus Australien ans Lächerliche. Sie erscheinen wie ein Micky Maus-Problem.
Während auf dem Höhepunkt, in den Jahren 2012/13, gerade einmal 18.000 boat people nach Australien gekommen sind, sind allein im heurigen Jahr schon mehr als 200.000 Afrikaner nach Italien gekommen.
Grafik: Australische Regierung, Wikimedia Commons, CC BY-NC-ND 3.0
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