Der Afrikanist Stephen Smith hat mit seinem jüngsten Buch viel Widerstand in den Medien ausgelöst, weil er lieb gewonnenen Dogmen der Migrations-Fans widerspricht – z.B., dass die sich abzeichnende Mega-Wanderung aus Afrika eine win-win-Situation für beide Seiten sei, dass Europa und Afrika wg. ihrer Demographie natürliche Partner wären oder dass der Alte Kontinent ohnedies keine Chance habe sich zu wehren (“abzuschotten”). Das passt Journos, die schon bisher die Kosten der Süd-Nord-Wanderung verschleiern halfen, nicht in den Kram.
Smith ist ein Franko-Amerikaner, der übrigens perfekt Deutsch spricht.
Lange Zeit als Korrespondent für franzsösische Zeitungen unterwegs, lehrt er heute an der Duke-University in North Carolina.
Stephen Smiths Text erschien 2018 zunächst auf Französisch, danach auf Deutsch und im vergangenen Jahr in Englisch (wo er diesem Blogger erst auffiel).
La Ruée vers L’Europe ist in einem fundamentalen Sinn nicht hilfreich, wie die deutsche Kanzlerin das vielleicht formulieren würde, denn
das Buch zeichnet, durchaus plausibel, das Szenario einer Migrationswelle von 150 Millionen Afrikanern – was aus heutiger europäischer Sicht als verwerflich und Panikmache zu werten ist.
Sein Motiv, gibt der Autor zu Protokoll, sei weniger die Sorge um den Alten Kontinent, sondern dass wegen des Exodus jüngerer Generationen das subsaharische Afrika zu einer leeren Hülle werde, einer riesigen departure hall, was im Endeffekt einer “Plünderung afrikanischen Talents” gleich komme.
Das absehbare afrikanisch-europäische Mega-Gerangel werde
- durch nicht vorhandene Einkommens-Chancen in den afrikanischen Städten motiviert und
- von einer enormen Frustration wegen der dortigen Verhältnisse beseelt sein sowie
- ein Resultat vermeintlich informierter Entscheidungen darstellen (auf Basis von Satelliten-TV und Internet).
Das und die unbezwingbare Abenteuerlust des Jugendalters lockten zur Wanderung.
Wesentliche Annahmen sind ferner die von der UNO projizierte Beinahe-Verdoppelung der afrikanischen Bevölkerung über die nächsten 35 Jahre, die demographische Schrumpfung Europas sowie dass Hunderte Millionen absolutem Elend würden entfliehen können
- denn auch das sei unabdingbar.
Absolut Arme seien nämlich zu sehr mit dem Überlebenskampf beschäftigt als dass sie sich ums Auswandern kümmern könnten.
Schon heute seien für so ein Vorhaben 2.000 bis 3.000 Dollar erforderlich, sozusagen als “Inititialzündung”.
Der Autor vergleicht die gegenwärtige Situation des “Dunklen Kontinents” mit jener Mexikos, wo sich um 1970 Bedingungen einstellten, die letztlich in die Nord-Wanderung von 12 Millionen Memschen mündeten.
Am Ende seines Texts führt Smith fünf Szenarien aus, in denen sich die afrikanische Migration abspielen könnte.
Dass es in der einen oder anderen Form jedenfalls dazu kommen wird, sei zu bedauern – ein derartiger Vorgang ist in seinen Augen aber ziemlich sicher; ein solcher “migratory encounter of unprcedented magnitude”.
Gutmenschliche Mythen
Milchmädchenrechnungen wie sie von Lehnstuhl-Demographen gern angestellt werden, lehnt der Afrika-Kenner ab, zum Beispiel,
dass in Europa eine immer kleinere ökonomisch aktive Bevölkerung immer zahlreichere Rentner unterstützen müsse, während sich in Afrika immer mehr im erwerbsfähigen Alter befänden und dass sich beide Ungleichgewichte auf einen Schlag lösen ließen.
Unsinn, meint Smith.
Das funktioniere schon deswegen nicht, weil afrikanische Familien größer als europäische seien und verhältnismäßig mehr Kinder (und auch einige Alte) aufwiesen und dass sich daher die erhoffte Verbesserung der Dependency Ratio nicht einstellen werde.
Und natürlich würden Aufnahme und Ausbildung der Zuwanderer die Steuerzahler einiges kosten (was von Journaille und Politicos in Europa oft genug heruntergespielt wird).
Kommen täten auch nicht “abstrakte Brüder der Spezies Homo Sapiens”, sondern konkrete Individuen mit eigener Kultur, speziellen Werthaltungen, Lebensstil und Sprache.
Es sei auch fragwürdig die Rechnung ohne den Wirt anzustellen und dieser sei auf absehbare Zeit noch mit Staatsbürgern und Wählern in Europa identisch.
Am Ende seines Buchs erörtert Smith die Extrem-Szenarien Willkommenskultur pur und Festung Europa – glaubt aber, dass die meiste Zeit über eine Durchwurstel-Strategie (muddle through) irgendwo in der Mitte gefahren werde.
Linear-Denker
Alles in allem legt Smith Szenarien und Problemlagen vor, die auf Basis der während der vergangenen 200 Jahre beobachtbaren empirischen Fakten erdacht und extrapoliert wurden.
Speziell Demographie muss wohl so vorgehen, weil sie Disruptionen nicht vorhersehen kann.
Ein Gamechanger wie etwa die Rückkehr der längst überwunden geglaubten “Malthusianischen Falle” gehört jedenfalls nicht zu den Prämissen.
Siehe auch:
The Scramble for Europe, in: Security Times
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.