Wieder hat ein ehemaliger Mitarbeiter des Weißen Hauses Erinnerungen an seine Dientszeit unter Trump vorgelegt. Er liefert ziemlich genau, was der Titel seines Buches verspricht: “Team of Vipers”. Hätte einst ein beim Sonnenkönig in Ungnade gefallener Adeliger über die Entourage von Ludwig XIV memoiriert, hätte sich das wohl ähnlich angehört. Nichts anderes hat man auch vom Hof Donald I erwartet. Verblüffend ist auch hier das hasserfüllte Misreporting der Journaille, das sich bis zu den Rezensionen zieht.
“His greatest accomplishment of all may be somehow getting his opponents to expose themselves to be—or to turn themselves into—exactly what he says they are. Members of Congress largely proved to be the spineless opportunists he had always contended (…) The ‘fake news’ media has gotten so outraged at his broadsides—and committed to showing Trump to be unfit for office—that they peddle half-truths and manufactured narratives. The “deep state” bureaucrats, especially in the Justice Department, were so offended by his rise that they actually abused their power in ham-handed attempts to take him down. The ‘mob’ of left-wing activists resorted to openly calling for anyone associated with Trump to never again be allowed to live in peace.”
Cliff Sims arbeitete 500 Tage lang in der Kommunikationsabteilung des Weißen Hauses und war u.a. director of messaging (was immer das ist) und special assistant des Präsidenten, was immer das bedeuten soll.
Der Verlag macht ihn im Klappentext zum Vertrauten, während der Präsident selbst – von hämischen Journos darauf angesprochen – von einem low level staffer spricht.
Im Detail interessant ist der Text wohl nur für Leute, die die handelnden Personen aus einem professionellen Zusammenhang kennen und bis auf zwei, drei Ausnahmen kriegt jeder (frühere) Halb-Promi aus dem Westflügel sein Fett ab (wobei der Autor ein bisschen opinionated, aber nicht wirklich unfair rüberkommt).
Besonders wenig sympathisch erscheint der mittlerweile ebenfalls echappierte Stabschef John Kelly, der an Sims Abgang beteiligt gewesen sein dürfte.
Die Lesart der Medien
Die Mainstream-Journos machen aus dem Buch – sofern sie es zur Kenntnis nehmen – das Narrativ “Chaos im Weißen Haus” bzw. “Weißes Haus außer Kontrolle” und berichten bevorzugt über Klage und Gegenklage von Wahlkampfteam und Sims, die der Veröffentlichung gefolgt sind.
Der Chaos-Vorwurf hat zweifellos auch seine Berechtigung – aber das ist lediglich ein wichtiger Aspekt, während andere wesentliche Gesichtspunkte unter den Teppich gekehrt werden; etwa das politische Phänomen DJT, zu dem sich Sims bis zum heutigen Tag loyal verhält.
“Chaos” schreibt er einmal, habe im Verhalten dieses Urviechs schon früher eine zentrale Rolle gespielt, zum Beispiel bei Verhandlungen:
There’s no such thing as a ‘win-win’; someone will win and someone will lose. Layered on top of that is his belief that personal relationships are paramount, taking precedence in all negotiations, even over mutual interests. And layered on top of that is his belief that creating chaos gives him an advantage, because he’s more comfortable in the mayhem than anyone else.”
Sims, ein konservativer, offenbar tief gläubiger evangelikaler Christ aus Alabama, sieht Trump als jemanden, der (noch) nicht zu Jesus gefunden hat, der aber in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle die “richtige” politische Linie verfolgt – insbesonders mit seiner Gegnerschaft zur Abtreibung.
Football & Hymnen-Knieer
Wenn irgendwo ernsthafte Kritik aufblitzt, dann ist dort, wo Sims zu ahnen glaubt, dass Trump Weltliches an die Stelle des Göttlichen setzen könnte (“die Heilsbotschaft ist wichtiger als Politik”).
So erzählt er im Epilog über eine Begebenheit in der Football-Liga (NFL), wo sich Spieler geweigert hatten für die Nationalhymne aufzustehen – was Trump zu einer heftigen Attacke auf derlei “antipatrotisches” Verhalten nutzte.
Das hat ihm in den Umfragen enorm genutzt.
Sims erzählt, wie ihn der Leib-Meinungsforscher des Weißen Hauses telefonisch über die Umfrage informierte und das Ergebnis folgendermaßen kommentierte:
‘The country overwhelmingly agrees with him on this,’ Jim said (…) ‘And next thing you know they’ve got to watch people kneeling for the national anthem. It’s offensive, and that’s what the polling numbers show.’”
Er habe das Trump weiter berichtet und dieser habe in “(selbst)gerechtem Zorn” gemeint, dass er in dieser Angelegenheit natürlich recht gehabt habe. Dann habe der Präsident einen anderen Gang eingelegt und (eigene Übersetzung)
mit schlauem Grinsen angefangen zu überlegen, was das für seine Wahlkampagne 2020 bedeuten könnte. ‘Du wirst schon sehen, die Demokraten werden einen Knieer nominieren’, trunpfte er auf. ‘Sie werden einen Knieer nominieren und ich werde ihnen (trotzdem) die Hölle aus dem Leib prügeln.’ Er biss sich auf die Unterlippe und boxte mit seiner Rechten in die Luft wie ein Faustkämpfer, der sich auf einen neuen Fight vorbereitet. ‘Du kannst demokratische Vorwahlen nur mehr gewinnen, wenn du ein Knieer bist. Aber (!) du kannst keine allgemeinen Wahlen mehr gewinnen, wenn du Flagge und Nationalhymne hasst.”
Es ist offensichtlich, dass sich in dieser Situation Trump und sein Loyalist missverstanden haben, anscheinend weil sie unterschiedliche Anspielungshorizonte haben (weswegen die Begebenheit auch besonders authentisch wirkt).
Es ist, zweitens, offensichtlich, dass Trump das Bild des Knieers darauf abklopft, inwieweit es sich für das Framing seines künftigen Gegenkandidaten eignet.
Es ist aber auch offensichtlich, dass der Sims vom Kampfes- und Siegeswillen dieses Mannes fasziniert ist.
Just watch. I will. And so will you. Because the fact of the matter is, when it comes to Trump, we just can’t look away.”
Cliff Sims, Team of Vipers. My 500 extraordinary Days in the Trump White House. 2019
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