Nachtrag Asyl: Syrien kann “Flüchtlingskrise” nicht erklären

Die Entwicklungen in Syrien, wo bereits seit drei Jahren Bürgerkrieg herrscht, können nur zum kleineren Teil für die Flut der neuen Asylanträge und noch weniger für die gestiegene Zahl der Anerkennungen verantwortlich gemacht werden. Das geht aus vom Innenministerium veröffentlichten Statistiken hervor.

Trotzdem bietet insbesondere Syrien, wo zweifellos Terror gegen die Bevölkerung stattfindet, eine Menge Ausflüchte, wenn es z.B. darum geht, explodierende “Einbürgerungen in das österreichische Sozialsystem” zu erklären. Das Land im Nahen Osten kann die lawinenartigen Entwicklungen aber selbst unter (für eine Rechnung) “günstigsten” Annahmen nicht wirklich erklären.

Ein Beispiel für die Verwendung von Syrien als Ausrede ist Wolfgang Taucher, der Direktor des 2014 neu geschaffenen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BfA). In seiner Erklärung, warum das für die erste Instanz zuständige Amt bereits 2014 die Zahl der anerkannten Flüchtlinge verdoppelt hat, schreibt Taucher hier:

39 Prozent der Asylanträge wurden positiv beschieden, was vor allem auf die schwere humanitäre Krise in Syrien zurückzuführen war.”

Aussendung_BfA_Jänner
Taucher-Aussendung vom Jänner

Diese Erklärung ist zu bezweifeln, umso mehr als das Innenministerium offenbar mit der seit Jahrzehnten üblichen Praxis gebrochen hat,  Zahlen zu den “Asylerledigungen”, d.h. den Neuzugang von Anspruchsberechtigten zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung dieser Statistik passierte bisher im März. Gemäß einer Äußerung des Innenministeriums gegenüber diesem Blogger ist eine “EDV-Umstellung” für die bis heute anhaltende Verzögerung verantwortlich.

Der Grund, warum die Erklärung Tauchers wenig glaubhaft ist, ist darin zu suchen, dass die Erledigung der Anträge in erster Instanz etwa ein halbes Jahr benötigt, dass aber die wirklich dramatischen Steigerungsraten von angeblich aus Syrien stammenden Antragstellern erst im Herbst 2014 begonnen haben. Das geht aus der hier abrufbaren, (noch immer) monatlich veröffentlichten Innenminsteriums-Statistik über die Anträge hervor.

syrien
Quelle: Bundesministerium für Inneres

Für die Erledigungen in erster Instanz können also nur Anträge von (angeblichen) Syrern ausschlaggebend sein, die im ersten Halbjahr 2014 eingebracht wurden. Nach BMI-Angaben benötigt das BfA für die Erledigung eines Falls im Durchschnitt 4,2 Monate, wobei die wesentlich einfacher zu handelnden (kürzeren?) Dokumentenverfahren mit erfasst sind.

Für 2014 sieht das Bild daher folgendermaßen aus:

Im ersten Halbjahr 2014 wurden in Österreich 1.851 Asylanträge von Syrern eingebracht, im ersten Halbjahr 2013 waren es nur 604 gewesen (Asylstatistik 2013, Seite 11).

Das ist substanziell, eine Verdreifachung, ausgehend von einem niedrigen Niveau. Im für die Jahreserledigungen 2014 relevanten ersten Halbjahr wurden um 1.247 mehr Anträge aus Syrien gestellt.

Selbst wenn die ohnedies schon hohe Anerkennungsquote für Syrer (76 Prozent) noch einmal gestiegen wäre und wenn alle 1.851 Anträge des 1. HJ genehmigt worden wären, hätte die Asylbehörde erster Instanz nur um ca. 1.250 mehr Anträge aus Syrien positiv erledigen können als 2013.

Die positiven Erledigungen 1. Instanz im Gesamtjahr 2014 sind aber um etwa 3.900 Fälle gestiegen (Erklärung siehe unten). Das bedeutet, dass der vergrößerte Zustrom von (angeblichen) Syrern höchstens für ein Drittel der zusätzlichen Anerkennungen verantwortlich sein kann, selbst unter den (für die Rechnung) “günstigsten” Annahmen. Die in den Raum gestellte Darstellung, die Verdoppelung der positiven Bescheide in erster Instanz durch das BfA sei durch den syrischen Bürgerkrieg verursacht, ist daher ziemlich schief.

Erklärung zur “Verdoppelung der Anerkennungsquote 2014″

Die positiv rechtskräftigen Erledigungen 1. Instanz der Vorgängerbehörde des BfA betrugen 2013, statistisch gesehen, 3.165 Fälle, sagt die Asylstatistik 2013, Seite 18.

erledigungen 2013
Quelle: Bundesministerium für Inneres

Die Vergleichszahl für 2014 lässt sich nur durch eine Prozentrechnung ermitteln, wg. “EDV-Umstellung” (siehe oben).

BfA-Direktor Taucher behauptet in seiner Aussendung, dass im Vorjahr 39 Prozent der ca. 18.200 “Statusentscheidungen” mit einer Anerkennung erledigt worden seien (das bezieht sich natürlich nur auf die im BfA angesiedelte 1. Instanz.)

39 Prozent von 18.196 sind nach Adam Riese 7.096, also etwa 7.100 Fälle (gerundete Zahl aus einer gerundeten Angabe).

2013 wurden in erster Instanz aber nur 3.165 Fälle rechtskräftig anerkannt (siehe oben). Das entspricht einer Steigerung von 124,3 Prozent.

Unabhängiger Journalist

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