Ö: Totalitär-Trutsche oder sozialist-nationaler Brückenbauer?

In der österreichischen Sozialdemokratie, einer großen Traditionsträgerin linksgerichteten Kollektivismus, werden die Mitglieder nun befragt, ob sie Scylla oder Charybdis vorziehen. Zur Wahl stehen derzeit eine totalitäre Bobo-Tante, die bisher zwar keinen Urnengang gewonnen, die die Partei mythischer Oppositionshelden aber (fast) geschlossen auf Regierungslinie Corona gebracht hat. Und der “kleinste” von drei roten Landeshauptmännern, der, wie die Vorsitzende kürzlich meinte, den Schulterschluss mit einem rechtsgerichteten Kollektivismus in Form der FPÖ suche. Nachbemerkung.

Die Bammela ist wirklich ein Phänomen sui generis.

Gegen politische Gegner reißt sie zwar nix, nach innen kann sie aber effektiv agieren

- wenigstens, wenn die Distanz nicht größer ist als jene zwischen Löwelstraße und Parlament.

Das zeigte sich im Februar vor etwa einem Jahr, als PRW ihre Fraktion erfolgreich vergatterte, einem Impfzwanggesetz zuzustimmen, das mangels internationaler Nachahmer fünf Monate später wieder aufgehoben wurde.

Wenn dieser Blogger richtig Buch geführt hat, haben 35 der 40 SPÖ-Mandatare (und -innen) das Gesetz durchgewunken, vier haben “gefehlt” und nur einer hat seine Zustimmung verweigert (Baugewerkschafter Muchitsch).

Das wird nur von den Regierungsparteien ÖVP und Grüne übertroffen, bei denen vier (drei) nicht anwesend waren und der Rest zugestimmt hat.

Die kleinste Oppositionspartei verzeichnete immerhin vier Verweigerer, zwei männliche und zwei weibliche,

obwohl auch die NEOS-Oberin für das Gesetz geworben und die Mehrheit der Pink-Abgeordneten dafür gestimmt hatte.

Die von allen Parlamentsparteien sauberste Corona-Weste hat jedenfalls die FPÖ, deren Mandatare – bis auf zwei “Fehlende” – das Gesetz abgelehnt haben.

Besagter FPÖ hält ausgerechnet PRW nun vor, diese agiere “spaltend” sowie “hetzerisch und menschenverachtend”, obwohl das aktuelle gesetzgeberische und sonstige Agieren der Mehrheit der SPÖ selbst auf Spaltung und Menschenverachtung aus ist/war

- nämlich die Spaltung in Geimpfte und Nicht-Geimpfte sowie die Verachtung/Diskriminierung Nicht-Geimpfter bis hin zum Verbot sich in der Öffentlichkeit zu bewegen.

Natürlich gibt es Unterschiede, aber natürlich lässt sich 2020 -2022 mit den ersten zwei, drei Jahren des Nationalsozialismus vergleichen, in denen Hitler sein Verordnungsregime cum Reichstag konsolidierte

und dabei die Grundlagen für die spätere, letztlich todbringende Diskriminierung von “Nicht-Ariern” legte (mehr dazu siehe hier und hier.)

Ihr vermeintlicher Allein-Rivale Doskozil, so die Erzählung von PRW, wolle die FPÖ nachahmen und schließe auch eine politische Zusammenarbeit mit dieser nicht aus

(was insofern tatsächlich ein Kurswechsel wäre, als es die “Vranitzkysche Ausgrenzungspolitik” von vor 37 Jahren revidierte).

Unbeleuchtet und ungesagt bleiben bis heute aber,

  • dass sich der schlimmere Teil der FP-Tradition mit zahlreichen Politiken heutiger “demokratischer” Parteien inkl SPÖ deckt; “kollektivistischen Politiken”, die sich quer über das gesamte politische Spektrum legen.
  • dass die FPÖ aber auch über eine andere Traditionslinie verfügt, eine anti-feudale und anti-absolutistische, wenn man so will. Dieses ihr historisches Erbe ist – innerhalb einer Nation – gesetzlichen und politischen Vorrechten spinnefeind; damals des “domestizierten Adels” und heute des demokratischen Etatismus, der politisch korrekten Vernetzung sowie des demokratischen Freunderl-Kapitalismus.

***

In der parteipolitischen Hauptfrage – der nach der Führung der SPÖ – hegt dieser Blogger freilich seine Zweifel, ob es bei einem Zweikampf zwischen Rendi-Wagner und Doskozil bleiben wird,

den – scheinbar basisdemokratisch – einfache Parteimitglieder zu entscheiden haben

(was der “Urabstimmung” der Tory-Mitglieder ähneln würde, die Liz Truss im vergangenen Oktober in die Downing Street 10 katapultierte – für 45 Tage).

Noch ist nicht entschieden, ob ein dritter Kandidat möglich ist.

Die Befragung würde für allfällige weitere Thron-Prätendenten wohl eine gute Startrampe abgeben; Interesssenten, die die Kraft hätten, eine solche Befragung über “ihre” Landesorganisation entsprechend zu beeinflussen.

Nachbemerkung, 18.3.2023, 13.00: Es haben mich Emails erreicht, die sich gegen meine angebliche oder wirkliche “Verengung” der Perspektive auf Corona-Angelegenheiten wenden.

Dazu gäbe es eine Menge zu sagen, das Wichtigste aber ist: Das Verhalten von ca. 70 Prozent unseres sich demokratisch nennenden Politgesindels in dieser Angelegenheit betrifft keine beliebige Allerweltssache, die sich mit anderen Allerweltsthemen in eine Reihe stellen ließe.

Hier geht es um ungleich Gravierenderes – den – teilweise geglückten – Versuch, sich über Prinzipien hinwegzusetzen, die seit Beginn unserer “modernen Staatswesen” vor 100 Jahren ihre Gültigkeit haben. Das wird für PRW und andere ein Nachspiel haben, hoffentlich ein gerichtliches.

Unabhängiger Journalist

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