“Die Wirtschaft” hat an eine noch nicht einmal amtierende Regierung appelliert, den Klimaschutz vorrangig zu behandeln und eine “Mobilitätswende durch die Forcierung des öffentlichen Verkehrs und der E-Mobilität” herbeizuführen, wie die APA schreibt. Wem das nicht nach Akteuren klingt, die früher gedroht haben, wegen zu hoher Emissionskosten nicht mehr zu investieren, der braucht nicht verwirrt zu sein, denn (eigene Hervorhebung): “242 österreichische Konzerne und Betriebe haben auf Initiative der Umweltorganisationen WWF und Global 2000 den ‘Appell der Wirtschaft’ unterzeichnet.”
Das Geheimnis, wie man andere (scheinbar) etwas fordern lässt, was man selbst gerne hätte, liegt, nebenbei bemerkt, in unseren mehrstufigen Veröffentlichungsprozessen.
Der hier Relevante geht so:
Erstens überzeuge man Marketingabteilungen und Stäbe von Unternehmensleitungen, dass es gut für das Image der Firma wäre, einen Aufruf zu unterschreiben, in dem an und für sich wenig Verkehrtes steht – einen Appell, der schon deswegen Image bringt, weil auch andere Imageträger diesen unterzeichnen.
Die überzeugten Helferlein im Chefbüro legen dem CEO, der pro Tag bereits 1.000 Dokumente unterschreibt, ein 1001. vor (was praktisch nicht zu bemerken ist).
Danach reichen die Initiatoren des Aufrufes, zweitens, diesen an Medienvertreter weiter, die wissen, wie man so etwas “richtig aufzieht” ohne dass allzuviel von der wirklichen language, dem manifesten Inhalt des Aufrufes durchdringt.
Nichts ist für professionelle Journos, auch “seriöse”, leichter als das.
Sie wissen unter anderem, dass die meisten ihrer Leser nicht über Titel und Lead einer Meldung hinauskommen. Damit kann weiter unten im Text stehen was mag – es wird sowieso gekürzt oder nicht gelesen.
Ähnliches hat es sich im vorliegenden Fall ereignet.
Soweit sich der Inhalt des Aufrufs im Inneren der Meldung rekonstruieren lässt – er ist nicht öffentlich -, fordern dessen Unterzeichner erstens den “Aufbau eines zukunftsfähigen Energiesystems”;
sie wollen, zweitens, eine langfristige Klima- und Energiepolitik (“Leitplanken”) um Fehlinvestitionen zu vermeiden sowie, drittens, einen gut gemanagten Ausstieg aus den fossilen Treibstoffen bis 2050;
und schließlich hätten sie gern “100 Prozent naturversträglichen Strom bis 2030″.
Was mit einer kleinen Einschränkung ziemlich vernünftige Forderungen sind.
Lediglich der Punkt mit den 100-prozentigen Naturstrom lässt sich kritisch hinterfragen.
Das Ziel mag für Österreich mit seinen vielen Wasserkraftwerken ausnahmsweise und annäherungsweise erreichbar sein
- CEOs von deutschen Industrieunternehmen, die so etwas unterschreiben, müssten sich wegen Inkompetenz dagegen selbst kündigen.
Spielart des Florianiprinzips
(An dieser Stelle erinnert dieser Blogger sozusagen á propos an die Banalität, dass Strom nicht gleich Energie ist und Elektrizität nur etwa ein Viertel der konsumierten Primärenergie darstellt).
Die Kernanliegen der Appell-Unterzeichner lassen sich aus den Absätzen vier bis sieben in dieser längeren Version destillieren.
Die Agenturmeldung ist freilich so aufgezogen, als ginge es “der Wirtschaft” um die Aufrechterhaltung jener einseitigen Klimaschutzpolitik, die außerhalb Europas sonst fast niemand mitmacht;
bzw. als fänden die Unternehmen die vor aller Augen scheiternde europäische Energiewende dufte (soweit sich ihre Begeisterung aus einschlägigen Aufträgen speist, mag das zutreffen).
Wenn den Unternehmen ihre “Verantwortung für das Klima” übrigens so ein Anliegen ist, wie sie in ihrem Aufruf betonen, können sie das unter Beweis stellen.
Sie müssen zu den irrsinnigen Klimazielen der EU-Kommission lediglich selbst substanziell beisteuern, indem sie z.B. verbindlich erklären, Hochöfen künftig nur mehr mit Naturstrom zu betreiben und Lebensmittel ausschließlich mit batteriebetriebenen Sattelschleppern anliefern zu lassen.
Wenn sie das tun und sonstige Produktion und Logistik auf emissionsfrei umstellen, wird den österreichischen Autofahrern der Abschied von ihren internen Verbrennungsmotoren zweifellos leichter fallen.
Solange sie sich nicht dazu herbeilassen, klingen Appelle wie der ihre aber verdammt nach der einschlägigen Anrufung des Schutzpatrons der Feuerwehrleute und Brandgefährdeten:
O heiliger Sankt Florian, verschon’ mein Haus, zünd’ andre an!“
Bild: ProfessorX [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons
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