Der ORF-Stiftungsrat erhöht die Gebühren, die eigentlich eine Steuer auf den Besitz von Empfangsgeräten sind. Er maßt sich Kompetenzen an, die in einem demokratischen Staat nur dem Parlament zukommen. Dem dubiosen Vorgang wird von den beiden ehemaligen Staatsparteien und den Grünen Vorschub geleistet.
Um zu verstehen, wie es dem Gremium eines Unternehmens möglich ist, wie ein Staat Steuern einzuheben, müsste man über lange Zeit im politischen System der Zweiten Republik herumschnüffeln, wenigstens über fünf Jahrzehnte, in denen sich die heutige Machtzusammenballung entfaltet hat.
Der ORF war spätestens seit 1974 viel stärker als nach außen erkennbar. Das gern ventilierte Zerrbild vom Medienunternehmen, das zum Spielball von Partikularinteressen geworden ist, mag vor Bacher und dem ersten Rundfunkgesetz Realität gewesen sein – vielleicht.
Heute stellt eine solche Vorstellung die Wirklichkeit auf den Kopf.
Man könnte salopp formulieren, dass sich der ORF seit fast zwei Generationen am Machtmissbrauch durch SPÖ und ÖVP beteiligt – dies allerdings nicht fremdbestimmt, sondern als Akteur sui generis, der seine institutionellen Interessen geltend zu machen weiß.
Faktisch sind die Rundfunkgebühren, die dem ORF zu zwei Drittel zugute kommen, eine Steuer, die auf Empfangsgeräte erhoben wird – egal ob dieser möglich ist oder nicht.
Das erhellt nicht nur aus Fällen wie diesem, wo sich eine Staatsbürgerin an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wendet, weil sie Gebühren zahlen muss, obwohl sie nach eigenen Angaben keine ORF-Programme empfangen kann.
Das ist keine “Schlamperei”, das ist politisch gewollt.
Wie man Gebühren in eine Steuer verwandelt
Der wesentliche ordnungspolitische Sündenfall passierte beim ORF-Gesetz des Jahres 2011, als im Zug der sogenannten Schließung der Gebührenlücke entschieden wurde, dass
(k)ünftig jeder Rundfunkteilnehmer zahlen (muss), wenn er in einem Gebiet lebt, das terrestrisch versorgt wird – also praktisch überall. Nach der bisherigen Rechtslage mussten Rundfunkgebühren nur dann bezahlt werden, wenn mit der vorhandenen “betriebsbereiten Rundfunkempfangsanlage der Empfang sämtlicher vom Versorgungsauftrag umfassten Fernsehprogramme des ORF” möglich ist.”
Das machte aus den bestehenden, eventuell noch zu argumentiernden Gebühren eine (wenn auch zweckgebundene) Steuer, staatliche Einnahmen, “die zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs alle zahlen müssen”, nämlich alle Besitzer von Empfangsgeräten.
Das Mindeste, was der Gesetzgeber damals hätte tun müssen, wäre die Wiedereinführung eines Nationalratsbeschlusses im Fall von Gebührenanpassungen gewesen.
Solches ist bis etwa 2000 selbstverständlich gewesen – es scheint aber im Zug der Umwandlung des ORF in eine Stiftung im Jahr 2001 abgeschafft worden zu sein (ich konnte auf die Schnelle nicht finden, wann das genau stattgefunden hat).
Das ist aber nicht geschehen.
Folge dieses “Veräumnisses” ist, dass aus dem ORF auch legal das heutige hybride Monster wurde, das in einem Moment Unabhängigkeit und Staatsferne für sich reklamiert und im nächsten eine usurpierte Steuerhoheit für sich in Anspruch nimmt, die (noch) nicht einmal die Bundesländer haben.
Auf diese Weise haben sogenannte Medienpolitiker, die in der österreichischen Variante des crony capitalism eigentlich Täter sind, ein widernatürliches Biest geschaffen (die Feder sträubt sich, das österreichische Machtsystem mit Kapitalismus in Verbindung zu bringen).
Dieser Frankenstein nimmt von beiden Seiten, was er kriegt, gibt aber keiner von ihnen, was dieser zusteht.
Addendum
Was ich eigentlich vorhatte – und wozu ich in diesem Text nicht gekommen bin -, war die kurze Beschreibung des Umstands, dass der ORF im politisch-medialen System Österreichs keine “Feinde”, keinerlei Gegengewicht hat - jedenfalls nicht in organisierter Form.
Die Politiker des herrschenden Kartells agieren als Komplizen dieses “öffentlich-rechtlichen” Mediums und selbst die Zeitungsverleger, denen noch am ehesten ein kritisches Wort entfährt, sind keine wirkliche Opposition.
Ruß & Fellner mögen dem ORF das Gebührenprivileg neiden und auch mehr Fairness bzw. Verteilungsgerechtigkeit für ihre eigenen (Nicht Print-)Vorhaben wünschen.
Aber die Abschaffung der Gebührenfinanzierung ist das Letzte, was die VÖZler möchten. Dann würde sich der ORF nämlich mit noch besserem Gewissen als heute auf jenenWerbekuchen stürzen, von dem die Zeitungen glauben, dass er ihnen gehört.
Bild: Thomas Ledl, via Wiki Commons, CC BY-SA 3.0
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