Politische Gängelung im Namen europäischer Denktraditionen

cover_leviathan_resizedEin Wiener Philosophie-Ordinarius und Berater der Union re-interpretiert liberale Denktraditionen Europas “im Licht von Klimakrise & Künstlicher Intelligenz”, wobei – wenig überraschend – heraus kommt, dass sich der Liberalismus anpassen müsse “bevor andere ihn brechen”.  Die bei diesem Prozess übrig bleibende sg. “positive Freiheit” (“Freiheit zu”)  habe auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse (“capabilities & needs”) der gesamten Menschheit Rücksicht zu nehmen, wobei Einschränkungen der “negativen Freiheit” hinzunehmen seien (z.B. bei der angeblichen Freiheit den Regenwald abzuholzen). Begründet wird das mit einem nicht hinterfragten CO2-warmistischen Klimakrisen-Popanz und der herbei fantasierten Aussicht auf collective action mit totalitären Regimen zur Einhegung der AI.

“Negative Freiheit” ist nach dieser Lesart eine antiquierte, “nicht ausreichende” Zielvorstellung, an der sich heute höchstens noch sg. Neoliberale orientierten. 

Wahre Freiheit, meint Coeckelbergh, sei dagegen eine “relationale F.”, die mit anderen Werten verbunden sei, etwa mit justice wie z.B. in “Klimagerechtigkeit” (oder – für Marxisten oder Kritische Theoretiker – “Klimagleichheit”).

Die bisherigen Vorstellungen von Liberalität müssten halt gedehnt, “gestretcht” werden.      :mrgreen:

Das, meint C. immerhin, müsse gerecht im Sinn von fair sein

- wobei ihm nicht in den Sinn zu kommen scheint, dass diese Vorgabe auch für die junge Generation der “Industrieländer” gelten muss, denn: 

seine mehr oder weniger explizite Forderung  nach der Umverteilung sg, Klimarisiken würde unzweifelhaft zu Lasten dieser Gruppe gehen

(auch wenn zusätzlich “intergenerational” umverteilt werden sollte; klarerweise geht es bei den für die Jungen in Kauf zu nehmenden “Beschränkungen ihrer negativen Freiheit” primär um ganz andere Dinge als “die Entwaldung des Amazonas”).

Unterstellungen der CO2-Theologie

Dabei baut der gute Mann auf Prämissen auf, die alles andere als über jeden Zweifel erhaben sind

- zum Beispiel, dass der heutige Klimawandel, der überproportional viele arme, braune Menschen aus dem “Globalen Süden” in Mitleidenschaft ziehen dürfte, auf den CO2-Ausstoß der Klima-Kapitalisten aus dem Globalen Norden zurückzuführen sei,

weswegen ebendort heutige und künftige Steuerzahler wenigstens in die Tasche greifen sollen.

Derlei mögen etliche politisch motivierte “Wissenschaftler” postulieren – papageienhafte Wiederholung stützt den von disen propagierten Sachverhalt aber auch nicht.

Vielleicht sollten Herrschaften wie unser Herr Professor ihre Nase einmal in neuere Arbeiten über den Zusammenbruch von früheren, auf Ackerbau ruhenden Zivilisationen stecken

um bei dieser Gelegenheit zur Kenntnis zu nehmen, dass rascher Klimawandel, mega droughts & Co. in der Geschichte auch ganz ohne Interne Verbrennungmotoren stattgefunden haben

und dass gegenwärtiger climate change nicht zwangsläufig auf Menschen gemachte Erderwärmung zurückgehen muss

(Dürren passen im Übrigen auch gar nicht ins gängige Katastrophen-Schema mit seinen schmelzenden Polkappen und steigenden Meeresspiegeln).

Nun ist wirklich davon auszugehen, dass bei historischem und aktuellem Klimawandel Menschen(ansammlungen) sowie deren Produktions-/Extraktionsprozesse eine wichtige Rolle gespielt haben und weiterhin spielen

- z.B. über die Abholzung jener Wälder, die den Wasserhaushalt lokaler Klimata regulieren, ganz ohne Umweg über die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre.

Diese Perspektive ist freilich “Lichtjahre” von Crutzens ‘Anthropozän’ entfernt, das über die vergangenen 15 Jahre in ein unerträglich modisches Geplapper ausgeartet ist

und dessen sich auch unser Wiener Philosoph bedient (“nützliches Werkzeug, trotz aller Kritik”).

Was C. und dessen Voräffern völlig zu entgehen scheint, ist, dass der “Energiehaushalt des Planeten” schon immer von der Sonne bestimmt worden ist und dass sich das im Verlauf der vergangenen 200 Jahre auch nicht wesentlich verändert hat

(was eigentlich eine Banalität ist, die aber nicht oft genug wiederholt werden kann, solange es “Wissenschaftler” gibt, die behaupten, dass das heute zu 98 Prozent nicht mehr zutrifft).

Die Irradianz bzw. die Änderungen des Sonnen-Magnetismus (und das sind echte wissenschaftliche Erkenntnisse über die vergangenen 150 Jahre) gehorchen einem schwer entwirrbaren

Geflecht sich überlagernder Zyklen, die (auch) während der gesamten kurzen Menschheitsgeschichte Minima und Maxima ausgebildet haben und die das Klima der Erde über Jahrzehnte hinweg bestimmen.

Wenn man dieser Physikerin der Northumbria University folgt, steht uns in den nächsten 30 Jahren ein weiteres solches Solares Minimum bevor.

Ein neues Global Cooling widerspricht der Botschaft unserer CO2-Warmisten aber diametral, weswegen zunächst die Losung ausgegeben wurde, dass eine kalte Sonne” heutzutag’ nix mehr ausmache,

weil die CO2-Decke über der Atmosphäre die Erde sowieso wärme. Mal sehen, wie unsere Fake-Wissenschaftler reagieren, sollte es wirklich kälter werden

(wahrscheinlich frei nach George Orwell: “Global Cooling is Global Warming”).

Green Leviathan, Neoliberalismus, Collective Action

Ausgangspunkt von Coeckelberghs Text ist die von ihm selbst geschaffene, durchaus beachtenswerte Metapher des “Green Leviathan”, die eine zeitgemäße Adaption des Hobbesschen Sinnbilds von vor 400 Jahren ist.

Das aktuelle, mit Big Data aufmunitionierte Grüne Seemonster verweist allerdings nicht mehr auf einen absolutistisch regierten Einzelstaat des 17. Jahrhunderts ff.,

sondern auf eine Tyrannis auf Weltebene, u.a. mit dem Ziel, die Erde vor der Klimakatastrophe zu retten.

C. will derlei nicht – aber das (angeblich) die westliche Politik bestimmende freie Wirtschaften mit dem entprechenden “politischen Überbau” will er auch nicht.

Da ist ihm Plato mit seinen Philosophenkönig*innen schon näher, weil diese wissend & weise sein müssen

(anders also als der brutale, womöglich dumme Fürst des Thomas Hobbes, der “Kopf des frühneuzeitlichen Leviathan”).

Bei der Gelegenheit streut unser Philosoph der Kommission und sich selbst, dem High Level Advisor on AI, ein paar Rosen, indem er das europäistische Expertokratie-Modell als moderne Form des Philosophenkönigtums ausgibt.

Weil Plato mit dessen bekannt antidemokratischer Einstellung aber nicht zur polit-philosophischen Galionsfigur taugt, wird der unbedenklichere Rousseau samt dessen self rule zum “Vater der positiven Freiheit” entsprechend zurecht interpretiert,

was letztlich auf eklatante Absurditäten & Widersprüche hinausläuft. Als ob der der alte Jean-Jacques einer globalistischen collective action von Regierungen oder der selbstherrlichen Herrschaft eines europäistischen Polit-Kartells das Wort geredet habe (statt einer “kleinräumigen Volksherrschaft von unten”)!

Auch hier findet Stretching vom Feinsten statt (freilich scheinen solche Vorbehalte inzwischen egal zu sein- zählen tun auch in der philosophia perennis nur mehr “Duftmarken und Meme”).

Während das Mem vom weltweit koordinierten Kampf gegen die angeblich drohende Klimakatastrophe inzwischen in den Mainstream gewandert ist, wirken die Ideen Coeckelberghs zur globalen Einhegung von AI (noch) ziemlich kooky, spinnert

(was sie objektiv sein mögen. Der Mann hält allen Ernstes ein gemeinsames globales Vorgehen in Sachen künstlicher Intelligenz für möglich – dergestalt,

dass z.B. der AI-Einsatz für Kriegszwecke oder “zur Optimierung von Raubbau & Umweltzerstörung” verboten werden soll

– mittels collective action mit Regimen, die warfare state und Bespitzelung ihrer eigenen Bürger zu ihrem Lebenszweck gemacht haben).

Mark Coeckelbergh, Green Leviathan or the Poetics of Political Liberty: Navigating Freedom in the Age of Climate Change and Artificial Intelligence. 2021

Unabhängiger Journalist

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