Steve Bannon und der Verrat der Eliten an der Demokratie

Steve_Bannon_-_Caricature2US-Medien interessieren sich neuerdings für den möglicherweise wichtigsten intellektuellen Input für das mastermind hinter Donald Trump – ein vor 22 Jahren erschienenes Buch mit dem Titel “The Revolt of the Elites and the Betrayal of Democracy”. Bannon selbst hat Axios seine Rezeption davon beschrieben. Er sieht im knapp nach Erscheinen verstorbenen Autor einen hellsichtigen Genius, der die heutige “populistische Revolution” vorhergesagt hat.

Freilich soll der heutige Chefstratege des Weißen Hauses Autor Christopher Lasch “reduktionistisch” und daher falsch gelesen haben, wie das Establishment dem früheren Breitbart-Journalisten entgegenhält.

Lasch was no right-winger. His Revolt of the Elites was suffused with a sense of nostalgia for social-revolutionary movements.”

Nun – möglicherweise war Lasch Nostalgiker.

Vielleicht sollte die diagnostizierte Unvereinbarkeit aber eher zum Anlass genommen werden, die gezielt verleumderische politische Einordung Bannos zu überprüfen.

Laschs zentrale Diagnose ist einfach und nur schwer zu missrepräsentieren.

Sein letztes Buch ist in der frühen Clinton-Ära entstanden. Es ist ein Nachhall auf den Wahlkampf von 1992, auf Bush den Älteren, auf dessen demokratisches Gegenüber Bill Clinton und Ross Perot.

Sowohl Bush als auch Clinton repräsentieren besagte “demokratische” Eliten, die alles kontrollieren, von den Kapitalflüssen bis zu jenen der Information.

Bush & Clinton stehen für eine an den beiden Küsten konzentrierte herrschende Klasse, der das Amerika des Mittleren Westens völlig egal ist, ein Mittelamerika, das sie als peinlich, rückständig und politisch reaktionär empfinden.

Die von den neuen, alten Eliten verachtete arbeitende Klasse ist kulturell konservativ. Sie will mit den hysterisch verfolgten Lieblingsprojekten v.a. der politisch korrekten Champagner-Linken nichts zu tun haben – von der Homosexuellen-Ehe bis zur affirmative action.

Die beiden Parteien des US-amerikanischen Systems, sagt Lasch (und mit ihm Bannon), haben praktisch nichts mehr mit der Bevölkerung des US-amerikanischen heartland zu tun.

Der Pferdefuß besteht nun darin, dass wenigstens der politische Teil der Eliten der Ermächtigung durch eben dieses heartland bedarf (das aber nicht mehr akzeptieren möchte).

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Der Autor von Bannons Lieblingsbuch war jedenfalls kein heroischer Einmaltäter, der knapp vor seinem Tod unerwartet, singulär und mit aller Wucht zugeschlagen hat.

Lasch hat sein Herz bereits lange vorher ausgeschüttet, etwa in seiner Kritikder  korrumpierten “liberalen” Linken, die er verbal bereits verprügelte, als diese noch gar nicht richtig die Bühne betreten hatte.

Lasch war, wie man heute sagen würde, Populist – einer jener gutgesinnten Populisten, die verstanden haben, dass Demokratie in einer Massengesellschaft nicht ohne Masse funktionieren kann (das ist übrigens ein “Populismus”, zu dem sich auch ein Bannon bekennt).

Der Titel von Laschs Buch verweist in eine geistesgeschichtliche und geographische Tiefe, die nur spezialisierten Zeitgenossen bewusst ist.

Er ist zunächst auf José Ortega y Gassets Rebelíon de las masas gemünzt, den Aufstand der Massen, eines 1929 erschienen Buchs, das als Menetekel der nationalen und internationalen Sozialismen verstanden werden kann.

Es handelt sich um eine Art ironische Umkehrung des zeitkritischen Pamphlets Ortega y Gassets: “Seht her: Im Amerika der 1990er-Jahre ist es die Revolte der Eliten, die Freiheit, Selbstbestimmung und Rechtsstaat bedroht.”

Lasch spielt aber auch auf Julien Bendas Verrat der Intellektuellen von 1927 an, eine Streitschrift gegen rechtsgerichtete französische Intellektuelle.

Es ist dies ein von der “antifaschistischen”, “liberalen” Linken inzwischen kanonisierter Text.

In ihm beklagt Julien Benda, dass die faschismusaffinen Intellektuellen seiner Zeit den Universalismus ihres Berufsstands, die Orientierung an den ewigen Werten von Sokrates, Jesus Christus und der französischen Revolution   ;-)   preisgegeben hätten –

derselbe Autor, der im darauf folgenden Jahrzehnt zu einem kompromisslosen Stalin-Apologeten wurde, einem, der Schauprozesse jenseits des Eisernen Vorhangs verteidigte.

Zu diesem Genossen sagt Lasch: “Schau her, Benda: Die clercs meiner Zeit – die Akademia, die Journalisten und das sonstige Kommentariat – können eklatant antidemokratisch agieren ohne sich einem Faschismus im Stil der 1930er hinzugeben.”

“Das heißt freilich auch nicht, dass sie ihren so erfolgreichen Demokratie-brand aufgeben müssen. Im Gegenteil: Sie führen ihn im Familiennamen.”

 Bild: DonkeyHotey via Wiki Commons [CC BY-SA 2.0]

Unabhängiger Journalist

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