Suez-Kanal: Der Pfropfen blieb – Mögliche geopolitische Gewinner

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Die Ever Given, deren Bug sich sich immer mehr in den Sand bohrt, je stärker ihr Heck bewegt wird, konnte bisher nicht wieder flott gemacht werden und verstopft weiter jenes Nadelöhr, durch das kommerzielle Schiffe vom und zum mediterranen Europa passieren. Wird der Suez-Kanal nach 150 Jahren endgültig geschlossen oder als riskanter als bisher eingestuft, verbessert sich das Blatt a) der russisch kontrollierten Nordsee-Route und b) geplanter Land-Korridore der chinesischen Belt and Road-Initiative.

Die Chose am Suez-Kanal gerät stündlich mehr zum Schauspiel der Inkompetenz seitens der ägyptischen Kanalbehörde

(das im besseren Fall – schlimmstenfalls handelt es sich um böse Absicht aus weiß der Himmel welch sinistren Motiven).

Das Pleiten Pech & Pannen-Potpopurri begann vor fünf Tagen an der Einfahrt vom Roten Meer, als ein Mitarbeiter der SCA - wie seit langem üblich – die Kommandobrücke der Ever Given übernahm,

vorgeblich um das Container-Monster sicher durch die 200 Kilometer lange Wasserstraße zu führen (die Kapitäne der Frachtschiffe sind offenbar zu doof).

Nach etwa einem Drittel soll eine Windböe das Schiff erfasst und auf Grund laufen haben lassen,

an einer Stelle, an der der vor fünf Jahren ausgebaute Kanal nicht in beide Richtungen befahrbar ist (und wo daher keine alternative Rinne existiert, womit die Havarie umschifft werden könnte).

Seither wird mit Bagger- und Schlepperbooten eine Mega-Show abgezogen, zuletzt in der Nacht auf Sonntag, als alle SCA-Boote koordiniert zu tröten begannen, nachdem die Ever Given 17 Meter mit dem Heck gewedelt hatte.

In der beginnenden Woche soll ein neuer Versuch gestartet werden und wenn der nicht klappt, wird wohl abgeladen.

Das Schwanzwedeln vom Wochenende, interpretieren die Ägypter, sei jedenfalls ein gutes Zeichen gewesen (div. Kritiker sagen das genaue Gegenteil).

Inzwischen hat der amtierende Präsidenten-Diktator höchstselbst begonnen, die Öffentlichkeit auf das Entladen des Schiffs einzustimmen (“prepare for all scenarios”),

und wenn derlei mit demselben Sachverstand vonstatten geht, den die Behörde zuletzt an den Tag gelegt hat, bricht die Schiffshülle garantiert auseinander

(wie das ein Analyst von JP Morgan bereits in den Raum gestellt hat).

Alternative Routen

Und während der gemeine ägyptische Kanal-Beamte in Lichtgeschwindigkeit vom Profi zum Patschachter degeneriert zu sein scheint, haben die Russkis mit einer neuen Marketing-Offensive für ihre Nordsee-Passage begonnen,

indem drei ihrer nukleargetriebenen U-Boote simultan durch zwei Meter dickes Polareis an die Oberfläche gestoßen sind,

just zu einem Zeitpunkt, an dem sich ein paar Tausend km südlich die Ever Given verkeilte.

Zufälle gibt’s.

Jedenfalls ist jetzt endgültig klar, dass sich dank Erderwärmung (hallo, CO2-Wachler!) und Atom-Eisbrechern die Route entlang der russischen Nordküste

zur echten Alternative zum Suez-Kanal gemausert hat (solang dieser verstopft ist jedenfalls).

Und ein Drittel kürzer als der Seeweg nach China via Suez ist die Route durch’s Packeis obendrein.    :mrgreen:

Während eine Menge kommodifiziertes Zeug aus China über Suez nach Europa gelangt,

ist der Kanal für die Erdölversorgung des “alten Kontinents” anscheinend nicht besonders wichtig – und wer’s nicht glaubt, soll sich die neueste BP Statistical Review pp. 30 und 31 zu Gemüte führen.

Das Plastik-Glumpert aus der Volksrepublik könnte freilich auch am Landweg, über die “New Eurasian Landbridge” oder den “China Central Asia West Asia Corridor” herangekarrt werden

- die geplante Maritime Silkroad ist jedenfalls aber auch obsolet, sollte der Suez-Kanal zu bleiben. So ein Pech, wenn Indien dabei nicht teilnehmen kann!

Die Frage ist “bloß”, ob die Europäer pro futuro mehr Öl und Metalle oder mehr Plastikzeugs benötigen.

Literatur:

Encyclopedia Britannica, Suez Canal

WorldCargoNews, Is “One Belt, One Road” a China crisis for North Sea main ports?

Marcus Matthias Keupp (Hg.), The Northern Sea Route. A Comprehensive Analysis. 2015

Jean-Marc F. Blanchard, China’s Maritime Silk Road Initiative, Africa, and the Middle East: Feats, Freezes, and Failures.2021

Bild via Wikimedia Commons, contains modified Copernicus Sentinel data 2021, CC BY 2.0

Unabhängiger Journalist

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