Teufelspakt und Zeitpräferenz

512px-Delacroix_-_Faust_and_Mephistopheles,_1827-8Unsere Gesellschaft lebt nur durch eine militante Bevorzugung der Gegenwart und der (erwarteten) nahen gegenüber der mittleren und ferneren Zukunft wahrscheinlich schon künftiger Generationen (das ist keine “moralisierende Wehklage”, das ist ein Faktum). Was der mittelalterliche Geist als Teufelspakt gesehen hat, sind im Kontext der Jetztzeit die verzweifelten Maßnahmen zur Prolongierung eines nicht haltbaren Finanzsystems.

Die vormoderne Folklore, aber auch die Amtskirchen haben “in Tausenden unterschiedlichen Erzählungen” den Mythos des Teufelspakts gekannt, der Heutigen & Hiesigen in Goethes Bearbeitung des Stoffs geläufig ist.

“Miseanisch ausgedrückt” hat dabei der menschliche Vertragspartner des Teufels eine extreme (und extrem kurzsichtige) hohe Zeitpräferenz an den Tag gelegt,

indem er sein langfristiges Seelenheil für kurzfristige “irdische Güter” (und “Freuden”) eingetauscht hat.

Die Aufklärung in einem breiten Sinn und inklusive Goethe hat den Faust-Mythos “wissenssoziologisch” interpretiert, als Streben nach knowledge, dem von Kirche und “christlichem Fundamentalismus” ein Riegel vorgeschoben worden ist

(es stellt sich freilich die Frage, inwieweit das nicht eine “sehr freie Bearbeitung” ist: Selbst Goethes Gelehrtenfigur, die anfangs beklagt, dass sie trotz jahrelanger Studien “so klug wie zuvor” sei, wird durch den Pakt nicht klüger, sondern erhält nur kurzfristige sexuelle Erfüllung und eine etwas weniger kurzfristige tragische Beziehung.

Die typische Faust-Figur der Vormoderne jedenfalls zog aus dem devil’s deal

nicht transzendierendes Wissen, sondern Reichtum, Sex und Ruhm und das ging im Koordinatensystem der Zeit mit ewiger Verdammnis einher.

Eine solche Verdammnis – und zwar eine durchaus diesseitige – ereilt auch uns heutige Faust-Ersatze

(und wir können dabei nicht einmal einen tragisch scheiternden heroischen Wissensdrang vorschützen).

Es ist eine Malaise, die sich aus der irrigen Annahme ergibt,

dass Kapitalbildung durch Konsumverzicht unnötig sei, weil produktives (Fremd)Kapital ja ohnedies durch die Magie von Noten- und privaten Kreditbanken geschaffen werden kann.

Das kann ein paar Jahrzehnte gut gehen, wenn die energetischen und institutionellen Voraussetzungen für fortgesetztes Wachstum stimmen – länger aber nicht, wie gerade zu besichtigen ist.

Literatur:

Ludwig von Mises, Human Action.1963,

Jason Black, Christopher Hyatt, Pacts With The Devil. A Chronicle of Sex, Blasphemy & Liberation. 1993,

Johann Wolfgang von Goethe, Faust I

Bild: Wikimedia Commons, Eugène Delacroix

Unabhängiger Journalist

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