Es ist völlig grotesk: Österreich “holt seinen Goldschatz heim” - nur leider weigert sich die Nationalbank zu spezifizieren, ob es dabei um Preziöses aus dem Kaugummiautomaten, Schuldscheine oder doch um Metall mit der Ordnungszahl 79 geht. Noch grotesker ist, dass diesen Umstand niemand bemerken will – niemand in der Lügenpresse und auch nicht in der Politik. Dieselben Herrschaften, die die Stirn in Falten legen, wenn das Land in irgendeinem Korruptions-Index ein bisschen abrutscht, zucken mit keiner Wimper, wenn es um die Verbuchung von vielen Tonnen Edelmetall geht.
Das Thema ist für diesen Blog ein altes und deshalb ist es langweilig drüber zu schreiben. Es ist aber “mehr Tinte” wert als in den Zeitungen des Landes während eines Monats verschwendet wird. Wer, wie ich, davon ausgeht, dass es sich bei den Devisen- und Goldbeständen um volkswirtschaftliches Vermögen des jeweiligen populus handelt, kann an dieser Frage nicht vorübergehen.
Vergangene Woche hat die OeNB ihre Bilanz per 31.12.2014 vorgelegt und dort wird ihr Schatz, wie schon seit vielen Jahren, in einer einzigen Zeile verbucht: als “Gold und Goldforderungen”. Im neuen Geschäftsbericht sieht das so aus:
Das ist ungefähr so, als würde ich erklären: Mein Gesamtvermögen von insgesamt einer Million Euro setzt sich aus dem Inhalt meines Sparschweins sowie aus Forderungen zusammen, die ich gegen Al Capone habe, der beim Pokern ständig gegen mich verloren hat. Dessen Spielschulden werde ich zwar nie ernsthaft eintreiben können, aber meine Forderung besteht, ganz, ganz großes Ehrenwort ! Ich sage Euch nicht, wie hoch meine Forderung ist, aber sie ist so gut wie das Geld im Sparschwein auf meinem Nachtkästchen.
Wie löst nun die die Deutsche Bundesbank ihr Bilanzproblem rund um das Sparschwein und die Spielschulden von Al Capone ? So – siehe hier:
Sie erklärt, dass in ihrem Sparschwein 107 Milliarden stecken (sollten), dass die ihr vom Unterweltboss ausgestellten Schuldscheine aber nur auf 453.000 Euro lauten.
Jetzt ist die Sache noch um ein Stückchen komplizierter – und für die Bundesbank ungünstiger – als hier dargestellt, weil Al Capone mehr als ein Drittel jener 107 Milliarden, die eigentlich im Bundesbank-Sparschwein stecken sollten, in Gewahrsam hat. Aber immerhin, sagt die Bundesbank, gibt Al Capone offiziell zu, die besagten 1500 Tonnen in einem seiner Tresore für die Bundesbank zu lagern.
Das ist aus zwei Gründen besser als von Al ausgestellte Schuldscheine. Erstens könnte der Fall eintreten, dass jemand, der mächtiger ist als Al, die Bühne betritt und den Boss der Bosse dazu zwingt, das Gesetz zu achten und das von ihm verwahrte Gut herauszurücken. Bei der Schuldschein-Variante könnte Al noch immer ganz legal Privatkonkurs anmelden und seinem Gläubiger über die nächsten zehn Jahre verteilt zehn Prozent der gschuldeten Summe zurückzahlen – oder so.
Der zweite Grund, warum die Bundesbank-Lösung besser ist, nennt sich Transparenz. Es ist schlicht und einfach transparenter und aussagekräftiger zu sagen: Mein Vermögen beläuft sich auf die Summe X.Y. und es beinhaltet (praktisch) keine Forderungen gegen Dritte. Das Risiko, dass meine Forderungen umfallen, ist höher als das Risiko, auf offener Straße mit vorgehaltener Pistole ausgeraubt zu werden.
Es lässt sich in diesem Zusammenhang daher ohne Einschränkung behaupten: Die BuBa-Bilanz ist transparenter als die der OeNB, obwohl sie als Euro-Zentralbanken auf dem selben Fundament von Veröffentlichungsvorschriften beruhen. Die österreichische Nationalbank könnte ihre Bilanz so gestalten wie die Bundesbank – wenn sie es denn wollte. Sie will aber offensichtlich nicht. Das muss einen Grund haben. Es legt nahe, dass die OeNB etwas zu verbergen hat.
Die Journaille, die sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit nach mehr Transparenz schreit, stört dieses seltsame Verhalten jedenfalls nicht im geringsten.
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Nun versteht ein Teil der Medienleute von vornherein nicht, wovon überhaupt die Rede ist – jener Teil, der Soll & Haben für ein Komikerduo aus der Stummfilmzeit hält.
Andere wie der Presse-Redakteur Josef Urschitz halten das Thema für hoffnungslos überbewertet, weil es dabei um keine echten Größenordnungen gehe, um keine, die in der wirklichen Welt irgendeinen Unterschied machen würden.
Urschitz erklärt diese seine Haltung in einem kürzlich publizierten Kommentar, der sich eigentlich einer Aussage eines ehemaligen Geschäftsführers der Finanzmarktaufsicht FMA widmet – siehe hier. Das Meinungsstück von Urschitz befindet sich hier. Der Autor schreibt unter anderem:
Josef hätte mit seiner Argumentation recht, wenn die in der Bilanz enthaltene Gold-Bewertung tatsächlich eine wäre, die auf reellen Marktpreisen für ein endlich vorhandenes Gut beruht.
Das ist aber nicht der Fall.
Es handelt sich um Bewertungen, die auf einem Markt gebildet werden, der aus unendlich vermehrbaren Repräsentationen von physischem Gold und deren cross rates mit den (anderen) Währungen besteht.
Wer das versteht, beginnt das Potenzial zu erahnen, das die Notenbanken mit allenfalls noch vorhandenen physischen Goldreserven haben. Es ist das Potenzial, das weltweite Reserveasset Nummer 1, in US-Dollar denominierte Anleihen zu ersetzen.
Er oder sie beginnt zu ahnen, dass Notenbanken wie die Fed oder die EZB es in der Hand haben, eine solche Situation aus eigener Kraft herzustellen. Er oder sie kann ahnen, dass die Folge nicht die neuerliche Deckung der Zirkulationsmittel durch physisches Gold wäre. Jedenfalls nicht zwingend.
Foto: By PHGCOM (Own work by uploader, Toi Mine), Wikimedia Commons
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