UK: Der ehrenwerte Boris & die Bruderschaft der Wahl-Verächter

Boris_Johnson_-_Caricature_(48381979452)Die Briten “wählen nun doch” und das ist primär das Verdienst eines viel geschmähten amtierenden Rechtspopulisten, der der unmodernen Meinung ist, dass neu gewählt werden muss (sollte), wenn eine Regierung ihre Mehrheit im Parlament verloren hat. Klar ist das ein ziemlicher Gambleaber hey: No risk, no fun! Noch größer ist das Risiko jener MPs, die heute für Pro-Brexit-Wahlkreise im House sitzen, die den EU-Austritt aber seit drei Jahren hintertreiben. Die werden sich einen neuen Job suchen müssen.

Natürlich kann BoJo nicht allein das Neuwahl-Verdienst für sich beanspruchen, sondern muss dieses mit LibDems und Schottischer Nationalpartei teilen, denen der Anblick der von Panik-Attacken heimgesuchten Labour-Partei zu peinlich geworden war.

Schließlich lenkte auch Jeremy Corbyn ein und ließ seine Fraktion für etwas stimmen, wofür er seit wenigstens zwei Jahren vehement eingetreten ist (bis vor ca. vier Wochen): Neuwahlen.

Keine Abänderung des Wahlgesetzes war nötig, der Urnengang soll nun am 12. Dezember erfolgen.

Vorgestern trat Corbyn noch dafür ein, dass 16-Jährige und EU-Bürger mitwählen sollten – was die Wahlchancen der meisten Remainer-Parteien dramatisch erhöht hätte.

Doch “zynisch” wie dieser Blogger nun mal ist, vermutet er, dass Corbyn schon zu diesem Zeitpunkt genau wusste, dass ein solcher Antrag keine Chance haben würde, sechs Wochen vor der Wahl.

Tatsächlich wurde der Gesetzesvorschlag am Mittwoch gar nicht zur Abstimmung zugelassen und damit ist der Ausgang der Unterhauswahlen vom 12. Dezember tatsächlich offen.

Die kleineren Remainer-Parteien könnten triumphieren und sogar Skittish Labour – wofür eilig aus der Tasche gezogene Studien über taktische Stimmmabgabe sprechen.

Oder eben das Gegenteil.

Auf hoher See, vor Gericht und in einer (echten) Demokratie kann viel passieren.

Wäre dieser Blogger Boris Johnson, würde er einen Riesen-Skandal um die Tatsache machen, dass zahlreiche MPs, die 2017 auf der Basis des Brexit gewählt wurden, alles getan haben um im Unterhaus diesbezügliche Versuche der Regierung abzuwehren.

Genau das wird Boris auch tun und die Mehrheit des Wahlvolks wird wohl genug innenpolische Nachrichten geguckt haben um zum Schluss zu gelangen, dass eine solche Perspektive nicht so falsch ist.

Deswegen – und nicht wegen irgendwelcher Daumen mal Pi-Umfragen – stehen die Wahlchancen für die BoJo-Tories nicht so schlecht.

Das sehen auch eine Menge eingefleischte Remainer so, von denen allerdings nur wenige die Courage haben, sich öffentlich gegen Neuwahlen auszusprechen.

In der Regel handelt es sich hierbei um Menschen, die existenziell nicht unbedingt drauf angewiesen sind ein Mandat zu erringen. Sir John Curtice ist so einer.

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Dieser Blogger nennt sie die Bruderschaft der Wahl-Verächter, obwohl auch viele Schwestern drunter sind.

Dieser Blogger stimmt auch mit der weit verbreiteten Diagnose überein, dass unsere heutige Demokratie kein Gott ist.

Aber ordnungspolitisches cherry picking “is nich’” – oder besser: “ist extrem unglaubwürdig”.

Bestimmte Leute hätten zwar gern ein Parlament – aber halt nur eines, das die eigenen Präferenzen ausdrückt.

Bild: DonkeyHotey [CC BY 2.0] via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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