Der von der britischen Regierung mit der EU ausgehandelte Deal wird heute im Parlament höchstwahrscheinlich abgelehnt. Danach steht ein beinharter Machtkampf zwischen harten Brexiteers und Remainern an. Von Gastautor John James.
Mit der Abstimmung über das von der Regierung May verhandelte Abkommen fällt – wenn nicht noch ein Wunder geschieht und dieses doch angenommen wird – der Vorhang auf eines der erstaunlichsten Polit-Schauspiele, das je inszeniert wurde.
Zwei Jahre lang hat das Team um Theresa May mit der EU verhandelt und ab dem ersten Moment nach Bekanntgabe des Inhalts des Abkommens war jedem kundigen Beobachter klar, dass es für diese Inhalte im britischen Parlament niemals eine Mehrheit geben konnte; für die EU Befürworter beinhaltete es zu viel, für die Brexit-Befürworter viel zu wenig an Loslösung von Brüssel.
Dies musste auch den Verhandlern klar gewesen sein. Es stellt sich die Frage, warum haben sie ein Abkommen verhandelt, das keine Aussicht auf Ratifizierung haben konnte?
Man hat den Eindruck, beide Seiten wollen nun dieses Abkommen begraben.
Für die Anhänger der EU eröffnet sich damit die Möglichkeit, das Austrittsansuchen zurückzunehmen und den Verbleib Grossbritanniens in der Union zu beschließen. Für die “Hard Brexiteers” erwächst daraus die Chance, Grossbritannien vollständig aus allen Verpflichtungen gegenüber der EU zu befreien und die volle parlamentarische Souveränität wiederherzustellen.
Wird das Abkommen abgelehnt, fällt der Schleier.
Ab morgen wird kein Kompromiss mehr möglich sein.
Es wird ein brutaler und kompromissloser Kampf zwischen den beiden Lagern beginnen – entweder/oder bzw. alles oder nichts. Es sind noch ungefähr 75 Tage bis zum Austritt. Das parlamentarische Gesetz, das den Austritt Grossbritannniens aus der EU regelt, ist eindeutig: am 29.03.2019 um 23.59 tritt Grossbritanninen aus der EU aus, mit oder ohne Abkommen.
Die Befürworter eines Hard Brexit müssen also aktiv nichts tun. SIe müssen nur verhindern, dass dieses Gesetz ausgehebelt oder verändert wird.
Genau das haben die EU Anhänger vor. Diese Fraktion ist im Parlament, unter den Beamten und im Tiefen Staat Grossbritanniens sehr mächtig, Sie werden alles tun, um den Austritt Grossbritanniens zu verhindern.
Wir erleben einen Machtkampf innerhalb der Elite des Vereinigten Königreichs.
Letzte Woche hat es eine erstaunliche Wendung gegeben: der Speaker of the House of Commons (mehr der Generalsekretär als bloß der Präsident des Parlaments), der eigentlich unparteiisch sein muss, hat sich auf die Seite der Gegner eines Hard Brexit geschlagen.
Er wird voraussichtlich seine Kontrolle der parlamentarischen Tagesordnung einsetzen, um eine Abänderung des britischen Austrittsgesetzes zu ermöglichen (das ist etwas anderes als das Austrittsabkommen zwischen UK und EU).
Der EU-Austritt mag verhindert werden – aber um welchen Preis, wenn in den Augen vieler Bürger die erwartete Neutralität und Verlässlichkeit staatstragender Institutionen beschädigt wird?
“May you live in interesting times” lautet ein bekanntes chinesisches Sprichwort. Die nächsten 75 Tage drohen sehr interessant zu werden.
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