ln den vergangenen 10 Jahren ist durch einen “Statistikschwindel”, eine kaum ausdehnbare Innovation sowie einen Einmaleffekt im Irak eine bis zu 9 Mio. Fass höhere Ölproduktion entstanden. Im gleichen Zeitraum haben die USA und Europa ihre Nachfrage um wenigstens 4 Mio. Barrel gesenkt. Das ändert aber die geologischen Fakten nicht. NB zum Bemühen, Schwer- und Schwerstöl mit Kondensaten und Naphta light zu “verdünnen”.
“Querfrontler” haben ein schweres Leben. Sie sitzen zwischen allen Stühlen.
Sie können beispielsweise die Meinung vertreten, dass sich die Menschheit nach und nach, aber in absehbarer Zeit um möglichst hochwertige Nicht Kohlenstoff-Treibstoffe umsehen muss –
sobald sie aber feststellen, dass konventionelles Öl effizient, “hoch nettoenergetisch” und vergleichsweise umweltfreundlich ist und sie sich außerdem in die Kategorie Klimaleugner einordnen lassen, ist (nicht nur) bei den Post-Karbonisten Schluss mit lustig.
Ähnliches gilt auch für die Gegenseite. In deren Foren darf zwar nach Herzenslust über den CO2-Kult gemeckert werden, aber wehe, man erwähnt, dass der hochwertigste Brenstoff der Menschheitsgeschichte knapp werden könnte.
Dann kann man was erleben!
Die dortigen Foristen sind der Meinung, dass Knappheiten ein Zeichen von Missmanagement oder von Verstößen gegen den freien Markt sind und dass die Idee begrenzter natürlicher Ressourcen vor 30 Jahren wissenschaftlich widerlegt worden ist. Die Diskussion endet dann üblicherweise bei einer Wette zwischen einem Wissenschaftler und einem Journalisten.
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2005 veröffentlichte ein amerikanischer Investmentbanker ein Buch mit dem Titel “Twilight in the Desert”. In ihm meldete der Autor Zweifel an den von Saudiarabien für sich reklamierten Reserven an.
Der mittlerweile verstorbene Matt Simmons schrieb, dass diesesr Staat, der größte Erdölproduzent der Welt, seinen Output nicht mehr substanziell werde steigern können (was aus heutiger Sicht im Großen und Ganzen zutreffend ist; ein geringfügiges Plus gelang nur mithilfe von schwerem, schwefelhaltigem Zeug – Manifa).
Im gleichen Jahr erarbeitete ein gewisser Robert Hirsch für das US-Energieministerium einen Bericht, von dem ein kleiner Teil veröffentlicht wurde (eine verharmlosende Zusammenfassung - siehe “A conspiracy to keep quiet”).
Der Autor kommt in diesem Report zum Schluss, dass das bevorstahende Ölfördermaximum erhebliche negative Auswirkungen auf die Vereinigten Staaten haben werde und dass die Maßnahmen zur Abfederung viel Zeit in Anspruch nehmen würden.
Vor allem auf Basis dieser beiden Texte – sowie der steigenden Ölpreise – begann ein Teil der Öffentlichkeit (zu dem auch etliche Fachleute gehörten) zu erwarten, dass das Fördermaximum schon in den folgenden Jahren entstehen werde und dass danach ein steiler Produktionsabfall beginnen würde.
Beide Annahmen sind (bisher) nicht eingetroffen.
Heute, elf Jahre später, ist die Weltproduktion um fünf Prozent oder vier Millionen Barrel höher als 2005, sagen die offiziellen Statistiken und das scheint den damaligen Diagnosen von Simmons und Hirsch zu widersprechen.
Derzeit redet kein Mensch mehr über einen Fördergipfel. Stattdessen sind niedrige Preise und die Ölschwemme in aller Munde.
Woher kommt nun diese Vorstellung von einem überfluteten Markt und woher kommen die realen Steigerungen, die den niedrigeren Preisen zugrunde liegen? Aus welchen Quellen speist sich diese seltsame Überschwemmung?
Erstens: Der Kondensat-Schwindel,
wie das Phänomen vom texanischen Ölanalysten Jeffrey Brown (“Westexas”) genannt wird, ist die wahrscheinlich wichtigste Ursache dieser Steigerungen. Nach Meinung von Westexas sind die zusätzlichen vier Milliionen Barrel Produktion praktisch ausschließlich auf Zuwächse von sogenannten lease condensates zurückzuführen, siehe auch hier.
Brown hat zwar nur Indizien, aber die sind beachtenswert.
Lease condensates sind üblicherweise Flüssigkeiten, die bei der Erdgaserzeugung entstehen, die rechnerisch aber der Ölproduktion zugeschlagen werden.
Sowohl die Internationale Energieagentur (IEA) als auch das US-Energieministerium (EIA) berichten nicht einfach über die Erzeugung von crude, Rohöl, sondern über “All liquids” bzw. über C+C, “Crude and Condensates” (im europäischen Fall spielen über die Kategorie All Liquids auch biologische Beimengungen eine Rolle).
Die Sache ist komplex, weil diese Kondensate eigentlich zu leicht sind, um direkt für Benzin oder Diesel verwendet zu werden. Sie können in einer Raffinerie aber mit schwererem Öl verschnitten und in handelsüblichen Treibstoff verwandelt werden.
Dadurch lassen sich dichtere und schwefelhaltigere Fraktionen von crude nutzbar machen. Hier findet sich eine Erklärung des Prozesses.
Das Ganze ist deshalb eine Statistiklüge, weil dieses “Öl” nicht aus der Ölförderung kommt. Es macht funktionell aber keinen wirklichen Unterschied, weil man mit den Kondensaten Benzin und Diesel herstellen kann. Die Nebenprodukte der Gaserzeugung sind so gesehen weder Fisch noch Fleisch.
Freilich ist fraglich, wie weit sich deren Erzeugung noch treiben lässt – das Wachstumspotenzial scheint begrenzt..
Zweitens: Der Shale Oil-Boom
Der zweite Auslöser für die Ölschwemme ist der sogenannte Schieferöl-Boom in den USA.
Das ist ein großes thematisches Fass, das hier nur vorsichtig geöffnet werden kann.
Nur so viel: Durch Fracking in einer Handvoll Fördergebieten in Dakota und Texas soll die US-Ölproduktion seit 2012 um etwa drei Millionen Barrel pro Tag gestiegen sein.
Weil bei der Shale-Produktion aber sehr viel sehr leichtes “Öl” ist, überlappt dieser Punkt mit dem Kondensat-Schwindel. Auch das hier geförderte “Öl” lädt zur Vermischung mit Stoffen viel niiedrigerer API-Grade ein.
Bei den Querschüssen findet sich folgender Chart der US-Ölproduktion (es besteht der Verdacht, dass etwa ein Drittel des gezeigten Zuwachses konventionelles Rohöl ist). Die Grafik findet sich hier.
Dieser Boom hat seine Zukunft freilich schon hinter sich, das ist ein – wie ich meine: wohl begründetes – Urteil (das nicht auf meinem, AvdKs, eigenem Mist gewachsen ist – es wurde von einer Handvoll “shale-skeptischer” Fachleute geprägt).
Um die Schieferöl-Produktion der Amis am Wachsen zu halten, sind a) hohe Preise und b) geologische Gunstlagen vonnöten, in denen schneller neue Löcher gebuddelt werden müssen, als sich die alten Quellen erschöpfen.
Das passiert sehr rasch – der Produktionsrückgang ist seltsamerweise aber sogar nach einem Jahr niedriger Preise nur gering.
Dieses Phänomen ist schwer zu begründen. Doch wie immer die Erklärung dafür aussieht, ist mittlerweile klar geworden, dass der in der Grafik gezeigte Produktionsbuckel kaum reproduzierbar ist – weder in den, noch außerhalb der USA.
Wie schnell dieser Buckel verschwindet, ist dem gegenüber eine nur zweirangige Frage.
Die US-Schieferölförderung hat 2015 jedenfalls bereits das Fördermaximum überschritten, die niederen Ölpreise haben ihren Tribut gefordert.
Der Schieferölboom scheint sich jedenfalls mit Browns condensate scam zu überschneiden – vielleicht zur Hälfte, vielleicht zu zwei Drittel. Daten dazu sind öffentlich keine zugängllich.
Drittens: Der Irak liefert 2 Mio. Barrel mehr
Und schließlich gibt es ein Land, das (dank Saddam Hussein ) über noch unberührte, aber leicht zugängliche Reserven verfügte und das substanziell zu einer höheren Weltproduktion beitragen konnte – den Irak. Nach dessen (zweitem) Krieg gegen die USA produzierte er zunächst zwei Millionen, heute vier Millionen Barrel.
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Allein diese drei Faktoren haben eine Produktionssteigerung von bis zu neun (eher sieben) Millionen Barrel verursacht – bei einer globalen Tagesproduktion von (gegenwärtig) 78 Millionen Fass.
Das ist aber noch nicht das Ende der Geschichte.
Auch, wenn sich das nicht in den Produktionszahlen, sondern “nur” in der realen Ölversorgung im Rest der Welt niederschlägt – in etlichen Industrieländern ist der Treibstoffverbrauch merklich gefallen.
Allein die USA und Europa fragen im Vergleich zu 2008, dem Beginn der Krise, pro Tag wenigstens 4 Millionen Barrel weniger nach.
Dieser Trend lässt sich aber nicht beliebig fortsetzen – ebensowenig wie auf der Produktionsseite der Schieferöl-Boom oder das Wachstum der Kondensatproduktion.
Sinkender Verbrauch in den USA, Europa
Sowohl die alte als auch die neue Welt haben seit dem wirtschaftlichen Einbruch ihren Konsum von Transporttreibstoffen gesenkt.
In beiden Fällen spielen die sich nur langsam einstellenden, aber ständigen Effizienzverbesserungen der Verbrennungsmotoren eine Rolle, siehe dazu z.B. den Aufsatz zu Benzin in den USA von Art Berman, hier.
Dieser Analyst rechnet vor, dass der Konsum von gasoline in erwwähntem Zeitraum um knapp 20 Prozent oder 1,9 Mo. Barrel pro Tag gesunken ist (zuletzt hat sich dieser wieder leicht erholt). Da aber die US-Fahrzeugkilometer nur wenig zurückgegangen sind, muss der größere Teil dieser Ersparnis aus besserer Fahrzeugtechnik kommen.
Ein ähnliches Bild ergibt sich in Westeuropa. Die mir zur Verfügung stehenden Daten sind nicht ganz so passgenau wie jene, die Berman hat.
Laut dem von der EU herausgegebenen Handbuch Transport in Figures 2015 (Seite 48) wurden 2010 mit dem PkW aber 4.717 Milliarden Passagierkilometer zurückgelegt 2013 waren es nur mehr 4.672.
Das macht kaum einen Unterschied. Offenbar sind Fahrgewohnheiten mit dem PkW kaum preiselastisch.
Berücksichtigt man die deutlich wachsenden Tonnenkilometer (Güterverkehr), sind in Europa die auf der Straße zurückgelegten Fahrzeugkilometer eher gestiegen.
Der gesamteuropäische Verbrauch von Diesel und Benzin ist seit 2008 jedoch zurückgegangen, je nach Metrik um 12 bis 16 Prozent (nur mineralische Treibstoffe).
Hier eine Tabelle mit Daten von Eurostat, in denen ich Benzin- und Dieselverbrauch jeweils addiert habe (Benzin hat in Europa einen nur geringen Marktanteil; streng genommen “dürfte man nicht addieren”, ungefähr passt’s aber).
2003 | 2008 | 2014 | δ 2008/14 | |
Endverbrauch EU-28 | 394.010 | 381.185 | 334.712 | - 12,2 % |
Nach dieser, auf BP-Zahlen basierenden Analyse des australischen Branchenbeobachters Matt Mushalik hat sich der Verbrauch Gesamteuropas seit 2007 um 2,6 Millionen Barrel pro Tag verringert.
Weniger als 50 Prozent der Einsparungen kamen dem krisengebeutelten Südeuropa (Spanien, Italien, Griechenland, Portugal). Die etwas größere Hälfte stammt aus West- und Nordeuropa, einem viel größeren Gebiet. Diese Reduktionen dürften vorwiegend auf bessere Fahrzeugtechnik zurückgehen.
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Bei den hier nur angerissenen Entwicklungen ist die Entstehung der “Ölschwemme” wenig verwunderlich – auch, wenn die Nachfrage aus Asien teilweise deutlich gestiegen ist.
Die 9 + 4 Millionen Barrel Mehrproduktion/Minderverbrauch sind jedenfalls die reale Basis, auf der sich der Preis mit Derivativen steuern lässt. Vor diesem Hintergrund nimmt sich die an den “Messpunkten” (Lagern) entstandene Überversorgung eher geringfügig aus.
Die Erschöpfung der natürlichen Reservoire und der Rückgang der Förderung werden damit jedenfalls nicht verhindert.
Die vergangenen zehn Jahre haben jedoch gezeigt, dass Peak Oil keine elementare Naturgewalt ist, die sich nicht beeinflussen lässt, sondern dass sich dieses Problem temporär managen lässt, wie eine komplizierte, aber lösbare Gleichung mit mehreren Variablen.
Zumindest gilt das für die Anfangsjahre.
Decline rates von jährlich 3 bis 6 Prozent in konventionellen Ölfeldern – die im Lead erwähnten “geologischen Fakten” – garantieren jedoch, dass in nicht allzu ferner Zukunft jener Punkt erreicht sein wird, an dem es nichts mehr zu managen gibt.
Nachbemerkung, 16.5.2016, 13.45 Uhr. Die Lease Kondensate und Vergleichbares werden nicht nur in der Gasproduktion, sondern eben auch bei “Shale” produziert – wobei sich ernsthaft die Frage stellt, ob shale oil nicht viel eher shale (natural) gas heißen sollte.
In welchem Verhältnis sich die beiden Quellen von Kondensaten mischen, weiß ich nicht. Dann gibt’s noch leichtes Naphta und auch das kann dazu verwendet werden, um schweres und schwerstes Öl nutzbar zu machen. Und von dem gibt’s eine ganze Menge (die viel gerühmten, riesigen venezolanischen Reserven bestehen z.B. daraus).
Nachbemerkung 2, 14.30 Uhr: Ich vermute, dass die Legende von der Erderwärmung durch CO2 ( = durch Verbrennung von fossilen Energieträgern) eng mit der geschilderten Energiesituation zusammenhängt.
Wie, weiß ich nicht.
Wahrscheinlicher scheint mir, dass es darum geht, über das Narrativ menschliches Verhalten zu ändern und eine globale Umverteilung der verknappenden fossilen Ressouurcen vorzunehmen.
Es könnte aber auch sein, dass der Nexus CO2-Erwärmung (in der behaupteten, strikten Form) stimmt, dass die geschilderte Verdünnung des schweren Öls in großem Maßstab tatsächlich machbar ist und dass damit der Peak auf unabsehbare Zeit hinausgezögert würde. Dann würde die Erde wirklich geröstet werden.
Bild: Mbeychok, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
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