Yanis und das Geheimgefeilsche mit Brüssel – Quote of the day

Folgend die Passage aus dem Freitagabend veröffentlichten Channel 4-Interview mit dem soeben zurückgetretenen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, in dem dieser behauptet, dass er nach der Ausrufung des griechischen Referendums mehrere Vorschläge von der EU bekommen habe, die er sofort unterschreiben hätte können. Das bedeutet, dass die Eurozone-Mächtigen bereit sind, einen neuerlichen haircut, diesmal zu Lasten ihrer Steuerzahler durchzuführen. Die entscheidende Passage findet sich hier und das youtube davon ist da.

Y.V.: “Ever since we declared a referendum and incensed our European partners we had the most, er, interesting proposals coming from Brussels. Perhaps this referendum and the impasse that it represents concentrated several minds in Brussels and we’ve had some really good proposals. Proposals that we would sign on the dotted line for.”

Interviewer: “You have a proposal you would sign on the dotted line for?”

Y.V.: “Yes we do.”

Interviewer: “Where is it?”

Y.V. “I’m not going to tell you. It’s somewhere in this building. But the of course crucial part of the story is that before this proposal becomes a genuine negotiating document which we can sign off on Monday, the Greek people have to empower us with a “no.”

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Nun, Varoufakis könnte lügen, aber der Duktus dieses Interviews und die Reaktion des Interviewten auf das Nachfassen des Befragers legen eine ganz andere Interpretation nahe: Die Eurozone ist bereit, Griechenland teilzuentschulden und damit den Treibsand unter den Staatsschulden der EU-Staaten in Bewegung zu bringen.

Es scheint Varoufakis zeitnahe zu dämmern, dass er zu viel gesagt hat. In der Folge versucht er, sich darüber hinwegzuturnen. Er macht die Sache dadurch aber nur noch schlimmer.

Er sagt: Die EU habe im Verlauf der Woche Vorschläge unterbreitet, die die griechische Regierung, bzw. er sofort unterschreiben hätten könnten. “Das tun wir aber erst nachdem uns das Volk im Referendum ermächtigt hat.”

Die Brisanz der Aussagen besteht zunächst darin, dass die EU-Vorschläge einen substanzielle Reduktion der Staatsschulden beinhhalten müssen (was durch die “seltsame” Formulierung der Referendumsfragen zum Thema Schuldentragfähigkeit bestätigt wird). Eine Reduzierung der Schulden (auf “NPV-Basis”) war für Tsipras und Varoufakis immer unabdingbar – warum sollte Athen plötzlich einen Vorschlag ohne eine Form von Schuldenschnitt unterschreiben können?

Seit den gegenständlichen EU-Vorschlägen können alle Seiten davon ausgehen, dass inhaltlich eine Einigung erzielt wurde und dass Berlin seinen Vorbehalt gegen einen Schuldenschnitt de facto hat fallen lassen. Bemerkungen von Schäuble und Merkel am 1. und 2. Juli (“Kein Ausscheiden aus dem Euro”, Schuldenschnitt zu erwägen”) zielen in genau diese Richtung.

Die deutschen Steuerviecher sind das politische Thema

Berlin hat die griechische Referendums-Inszenierung wenigstens als hilfreich angesehen um die Sicht auf seinen Rückzug in dieser politisch brisanten Frage abzuschirmen (die diesbezügliche Zusammenarbeit mit Athen/Varoufakis ist wohl weit darüber hinaus gegangen).

Es ist eigentlich auch ziemlich peinlich: dieselben Akteure, die vor vier Jahren, unter allen möglichen Beschwichtigungen Milliardenrisiken von privaten Banken auf ihre Steuerzahler umverteilt haben, geben nun grünes Licht dafür, dieselben Kredite abzuschreiben. In einer solchen Situation hätte das Griechen-Referendum wie eine Nebelgranate wirken können, die keine allzu klare Sicht auf die Vorgänge erlaubt.

Wenn…, ja wenn nicht bekannt geworden wäre, dass die Verhandlungsposition “kein Schuldenschnitt” schon ein paar Tage früher geräumt worden war.

Das sollte für die Deutschen selbst eigentlich ausreichen, Merkel und Schäuble mit dem nassen Fetzen aus dem Amt zu jagen.

Das ist aber nicht das wirklich wichtige Thema. Die relevante Frage ist nicht, ob die Deutschen nun 15, 20 Milliarden ihrer “Griechenlandforderungen” sozusagen offiziell wertberichtigen müssen.

Das systemische Thema

Die Frage ist, was so ein Vorgehen für die 2.300 Milliarden Euro an ausstehenden italienischen Staatsanleihen bedeutet – und für die 900 Milliarden an spanischen.

Es steht zu befürchten, dass das der Beginn einer allgemeinen Erlassaktion ist und dass diese Erlassaktion nicht von jenen bezahlt wird, die üblicherweise als Verborger in Erscheinung treten: den Banken (und auch nicht von deren Geldgebern). Sondern von den Steuerzahlern. Die ehrbaren Kollaborateure in der Funktion der Eurozone-Finanzminister werden alles dransetzen, dass das so sein wird.

Unabhängiger Journalist

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