Zur Koranverbrennung i. Stockholm

Wie am 22.01.2023 in der “Welt” berichtet, streitet Schweden seit Monaten mit der Türkei um eine Aufnahme in die Nato. Inmitten der diplomatischen Auseinandersetzung hat jetzt ein Rechtsextremist bei einer Demonstration in Stockholm den Koran verbrannt. Ankara reagiert empört. Auch arabische Länder, darunter Saudi-Arabien, Jordanien und Kuwait, verurteilten die Koranverbrennung.Von Gastautor Dr.Dr. Heinz-Dietmar Schimanko.

Rasmus Paludan, der Chef der dänischen Partei “Stram Kurs” (Harter Kurs), verbrannte in Stockholm ein Exemplar des Koran. Darin sind er und seine Anhänger geübt (“Öffentliche Verbrennung des Korans – Dänischer Brandstifter hetzt nun auch in Schweden”, Berner Zeitung, Ausgabe 11.09.2020; “Schweden: Ausschreitungen bei Paludan-Auftritt”, Der Nordschleswiger, Ausgabe 16.04.2022).

Es empfiehlt sich nicht, das in Österreich oder Deutschland nachzuahmen, weil so etwas dort gerichtlich strafbar ist. In Deutschland als böswilliges Verächtlichmachen einer religiösen Gruppe, wodurch die Menschenwürde deren Mitglieder angegriffen wird (§ 130 Abs. 1 Z 2 StGB – Volksverhetzung), in Österreich als Herabwürdigen einer Glaubenslehre (§ 188 StGB – Herabwürdigen religiöser Lehren).

Der Umstand, daß ein Staat säkularisiert ist, also die Trennung von Kirche und Staat bedeutet nicht, daß dieser nicht die auf seinem Staatsgebiet bestehenden Religionsgesellschaften zu schützen hätte.

Im Gegenteil, der Staat hat die Achtung der Kirchen und Religionsgesellschaften und den Respekt vor ihren Mitgliedern zu wahren, und dafür zu sorgen, daß Einzelne sich gegenüber Religionsgesellschaften und deren Mitgliedern nicht mißachtend, beleidigend oder gar hetzerisch verhalten.

Das gilt jedenfalls für den demokratischen Rechtsstaat nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), weil nach Art. 9 EMRK das Grundrecht auf Gedanken-, Gewissens- und Religi­onsfreiheit gilt.

In Fragen des religiösen Glaubens trifft den Staat eine Verpflichtung zur Unterbindung von kritischen Äußerungen, die von Gläubigen als extrem beleidigend und provokativ erlebt werden (OGH RS0129163).

Erlaubt ist demnach nur rein sachliche, zurückhaltend formulierte Kritik (vgl. OGH RS0129164,RS0129165).

Der religiöse Frieden, der einen Teil des öffentlichen Friedens ausmacht und im friedlichen Nebeneinander der verschiedenen Kirchen und Religionsgesellschaften untereinander und mit denjenigen, die keiner solchen Institution angehören, besteht, wird strafrechtlich geschützt (OGH RS0129166).

Vor diesem Hintergrund erscheint mir nach dem Reziprozitätsprinzip die von Repräsentanten der Türkei und anderer islamischer Staaten geäußerte Empörung nur dann als berechtigt, wenn sie garantieren können, daß umgekehrt in ihren Staaten die Verbrennung der Tora oder der Bibel strafrechtlich unterbunden wird.

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