2 Antworten aufs EU-Identitätsloch

Eu-FlagDie EU ist der welthistorisch singuläre Versuch, einen Großstaat  ohne zukunftsfähige historische Identität zu gründen. Die wichtigste Motivation dafür ist wohl, dass sich die “EUliten” der Vergangenheit auch der Teilstaaten schämen – je länger desto intensiver. Boris_Karloff_as_Frankenstein's_monsterEs entstand ein Frankensteinsches Monster, das – hoffentlich bald und ohne allzu großen Schaden anzurichten – das Zeitliche segnen wird. Hier zwei Antworten auf die klaffende Identitätswunde der Europäer: eine “rassistische” und eine katholisch-konservative. Beide haben ihren Charme und ihre Makel.

Die “rassistische” Antwort ist eine, die sich selbst als “Rassen-realistisch” sehen würde und die am neutralsten wohl mit  “rassialistisch” (racialistic/racialistique) bezeichnet werden kann.

“Rassistisch” sagen primär jene, die Interesse daran haben, diese Ideen als nazistisch abzuqualifizieren bevor noch auf sie eingangen werden muss – nämlich geschätzte 95 Prozent des wissenschaftlichen Establishments, die im Chor rufen: “Rassen gibt’s doch gar nicht !”

Der in Zusammenhang mit “Europa” bzw. “dem Westen” interessanteste Autor ist Ricardo Duchesne, ein kanadischer Geschichtssoziologe, der spätestens seit seinem 2011 erschienenen Uniqueness of Western Civilization ein scharfer Kritiker von Multikulturalismus und Massenimmigration ist.

faustian_coverErst in den daraufffolgenden Jahren, erzählt er im 2017 erschienenen, hier thematisierten Faustischen Menschen, habe er sich dem “wissenschaftlichen Rassismus”, dem Rassialismus eben zugewandt.

Dieser, meint Duchesne, könne aufgrund der jüngeren populationsgenetischen, archäologischen, evolutionspsychologischen und soziobiologischen Veröffentlichungen die besseren Argumente für sich beanspruchen.

So sieht heute Aufruhr in einer sonst servilen, egalitaristischen und kulturmarxistischen Academia aus.

Es wirkt fast programmatisch, wenn sich ein einst linker weißer Kanadier für “den historischen Europäer” ins Zeug wirft (und sich selbst so identifiziert) – etwas, das nach den gängigen Maßstäben unweigerlich als ethnozentristisch, prokolonialistisch und rassistisch abgeheftet wird.

Der Beginn davon war die frühe Kritik an der seit den 1970ern modischen Weltsystem-Ideologie, der er die systematische Abwertung westlicher Geschichte und zivilisatorischer Errungenschaften vorwirft”.

Der vorläufige Endpunkt ist nun der vergangenes Jahr erschienene “Faustian Man in a Multicultural Age”.

Das Buch ist Kevin MacDonald gewidmet, einem mittlerweile emeritierten Evolutionspsychologen und anderen “akademischen misfit”, diesfalls im rotgrünen Kalifornien.

Duchesnes faustischer Europäer ist gewissermaßen eine Umwertung der Umwertung;

eine Reaktion auf die ins Kraut geschossenen Colonial and Postcolonial Studies und deren oft höchst fragwürdige “Narrative”, die bereits vor langem in den westeuropäischen und amerikanischen Mainstream geschwappt sind.

Dort werden sie unreflektiert vervielfacht, von Mainstream-Medien und grünen Oberlehrern ebenso wie von Kleinkünslern, die ihre klugscheißende Ignoranz als kabarettistische Leistung verkaufen wollen.

Bereits die (Post)Colonial Studies gehen auf einen Perspektivenwechsel zurück, nämlich auf die nach 1968 einsetzende Herabwürdigung des bis dahin herrschenden Geschichtsbilds und auf die Ersetzung der überkommenen geschichtsmächtigen Akteure (“tote, weiße Männer”) durch weibliche, nicht-weiße Nicht-Europäer, die von einfachen Gemütern als revolutionäre Massen aus der Dritten Welt empfunden werden.   :mrgreen:

Es war dies und ist bis heute der Anspruch auf eine Geschichte von unten, eine Geschichte der Ohnmächtigen und Unterdrückten –

diese geriet freilich schnell zur Legitimierung von “hochveräterischen” demokratischen Politicos und von diesen protegierten und finanzierten Nischenexistenzen, die unberührt von einem immer härter werdenden Existenzkampf der anderen üppige Apanagen beziehen.

Europa all over the world

Wo sich der Westen ( = Europa) heute genau befindet, kann Duchesne nicht sagen.

Jedenfalls befindet sich Europa nicht (immer bzw. nur) im westlichsten Zipfel der eurasischen Landmasse.

Europa ist dort, wo “der Europäer” lebt und wirkt und ein solcher ist für Duchesne der faustische, nämlich rastlos strebende (männliche) Mensch von Homers Agamemnon bis Steve Jobs.

Sein Wesen und seine Art hat er von seinen Vorfahren, was sich in einer DNA-Mischung aus steinzeitlichen Alteuropäern, “kaukasischen” Einwanderern aus Kleinasien (die in der Jungsteinzeit den Ackerbau brachten) und – vor allem – den Indoeuropäern bemerkbar macht; ursprünglich aus Südrussland stammenden Hirten und Kriegern, die noch nach den asiatischen Ackerbauern nach Europa gewandert sind und dort ihre genetischen und linguistischen Spuren hinterlassen haben.

Mehr “echtes Multikulti”, erklärt Duchesne glaubwürdig, hätten weder Westeuropa noch seine Ableger in Übersee bis in die jüngste Vergangenheit gekannt.

Die von den Europäern getragene westliche Zivilisation, trage wie alle anderen Zivilisationen zwar bereits den Todeskeim in sich (Spengler), sie sei in ihrer Dynamik, der Innovationsfreude, ihrem manchmal gewaltsamen Wagemut und ihrer Erkenntnisfähigkeit aber historisch beispiellos.

In das faustische Gefäß Duchesnes passt Pythagoras von Samos ebenso wie beispielsweise Christoph Columbus (und Hernán Cortés), William Shakepeare, Johann Wolfgang von Goethe, John D. Rockefeller und Ludwig von Mises (weder unsere Austrians noch die Rassialisten werden es gerne hören).

In vielerlei Hinsicht sind Duchesne & Co. unvereinbare Gegenstücke zu ebenfalls als rechtsextrem geschmähten Theoretikern wie Alexander Dugin und Alain Soral, die vor allem vor dem Hintergrund der Rassialisten ziemlich “unrassistisch ausschauen” (ohne dass die Ideologiewächter in unseren Medien dies freilich “würdigen” würden).

D & S. sind egalitaristische Kollektivisten, antimodernistische im Fall von Dugin.

Leitners fünf Hügel

Und nun zu etwas ganz anderem (squash), wie Monty Pythons sagen würden.

Das/der ganz andere heißt Johannes Leitner.

Er ist ein (echter) Österreicher, der kürzlich eine 1.000-seitige Dissertation über Identität geschrieben hat, die auch auf Kindle erhältlich ist.

Leitners Identität ist wahrhaft vielschichtig (um das Wort enzyklopädisch nicht zu strapazieren) und bezieht sich nicht nur auf “ethnisch-kulturell” – vielfach aber doch.

Natürlich spielt auch “Europa” eine Rolle, wiewohl (???) der Autor ein scharfer Kritiker der heutigen EU ist:

Der institutionelle Ausdruck politischer Macht in Europa ist die Europäische Union; und in dieser Europäischen Union, gleichgültig, was sie im Ideal sein sollte, müssen wir heute nichts anderes erkennen als die Krankheit, die sie zu bekämpfen vorgibt.”

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Leitner selbst bekennt sich zunächst zur altbekannten Drei-Hügel-Theorie, wonach Europa auf drei Anhöhen erbaut sei: auf der Athener Akropolis, Golgatha (jüdisch-christliche Tradition) sowie dem Kapitol (Altes Rom).

Er ergänzt diese freilich um zwei weitere – um den Caelius/Lateran (Papsttum) und den Domhügel zu Köln als Symbol des fränkischen bzw. römisch-deutschen Reichs.

Die Bedeutung dieser letzten beiden Hügel exemplifiziert er mit Ausflügen ins europäische Mittelalter, die (interessante und produktive) Anleihen an den einschlägig bekannten Wiener Sozialhistoriker Michael Mitterauer erkennen lassen.

Das ist jemand, der in einem 2003 erschienenen Buch nach der Entstehung von Europas Sonderweg fragte – und der diesen im tiefen Mittelalter fand, nämlich auf seinem Lieblingsacker, der historischen Familienforschung.   :lol:    

Der faustische Europäer der Moderne (weder Mitterauers noch Leitners Worte) wurde demnach im erweiterten Kerneuropa zwischen Seine und Elbe geboren, wo sich die Bauern in mittelalterlicher Grundherrschaft und unter fränkischer Hufenverfassung persönlich frei erhalten und irgendwie auch als entrepreneure entfalten konnten (meine Worte).

Andere Begrenzungslinien werden von einem ungarischen Bevölkerungsstatistiker geliefert, der die sogenannte Hajnal-Linie fand, die West- und Osteuropa trennt, nach unterschiedlichen Heirats- und Familienmustern.

Westlich davon, also in Kerneuropa, heiraten die Frauen vergleichsweise spät und haben (hatten) weniger Kinder, was angeblich der Boden für mehr Individualismus und ein etwas anders geartetes Gemeinwesen war.

Die kleinsten Zellen der westlichen vorindustriellen Gesellschaft sind demnach Individuen bzw. überfamiliäre Hofgemeinschaften gewesen – und nicht unfreie, kollektivistische Sippen wie überall sonst.

Zu diesem historisch beispiellosen Vorgang hätten wesentlich auch die “westkirchlichen” ( = katholischen) Ehegesetze beigetragen, die, wie Leitner schreibt,

Gemeinschaften von sipplich Unverwandten (ermöglichten): Ganzes Haus, Dorfgemeinschaft und Rechtsbeziehung von Grundherrn und Grundholden.”

Dies habe erst die Entstehung einer übersipplichen Vertrauenskultur und einen europäischen Sonderweg im Guten wie im Schlechten ermöglicht (natürlich werden jede Menge an Übergängen, Sonderfällen und Ausnahmen eingeräumt).

Bild: The Man in Question,Irinawave via Wikimedia Commons

Literatur:

Jean Manco, Ancestral Journeys: The Peopling of Europe from the First Venturers to the Vikings. 2016

Michael Mitterauer, Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs. 2009

Unabhängiger Journalist

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