Schuldenerlass: Ein Grund, warum Schäuble Athen die Tür zeigt ?

 

So ein Haircut ist nicht lustig ! Wiki Commons
So ein Haircut ist nicht lustig ! Wiki Commons

Der deutsche Finanzminister hat erneut ein zeitlich begrenztes timeout für Griechenland vorgeschlagen. Der zweite Teil seines Vorschlags, über den fast nie berichtet wird, besteht aus dem Begriff “Restrukturierung der Schulden” – eigentlich etwas, was man früher als stillen Ausgleich bezeichnet hat. Derlei, behauptet Deutschland, ist rechtlich mit der Mitgliedschaft in der Eurozone nicht vereinbar. Der Rest der Zone ist nicht seiner Meinung. Schließlich ist man im Euro nicht nur eine Rechts-, sondern auch eine Rechtsbeugungsgemeinschaft.

Hier sind die Äußerungen Schäubles. Der Artikel beruht auf Material von Reuters und Bloomberg, die über ein Interview mit ihm im Deutschlandfunk berichten. Dabei sagt Schäuble, dass Griechenlands Schuldenlast “nicht nachhaltig getragen werden kann, wenn nicht ein Teil davon abgeschrieben wird”. Damit liegt er voll auf der Linie von…. – nun ja, es gibt praktisch niemanden von Gewicht, der nicht dieser Meinung ist.

Auch der “gesunde Menschenverstand” legt nahe, dass ein Verschuldungsgrad in Höhe von 180 Prozent nicht nachhaltig getragen werden kann. Ich bin mir da mittlerweile aber nicht mehr so sicher. Derlei hat früher ohne Zweifel gestimmt, mittlerweile leben wir aber in einer Welt der Null- und Negativzinsen.

Sollte diese Zinslandschaft keine völlige Illusion sein und längerfristig aufrechterhalten werden können (was ich nicht glaube), ließen sich noch viel höhere Verschuldungsgrade tragen. Es käme nur darauf an, die Griechenländer mit kostenlosem bzw. superbilligem Geld zu versorgen – und das ist in Europa primär Aufgabe von EFSF und ESM. (Wenn freilich Geld für gute Schuldner gratis/superbillig zu haben ist, besteht kein Grund mehr Steuern zu zahlen.)

Aber gut, ich nehme ad notam: Auch Schäuble ist der Meinung, dass Griechenland (teil)entschuldet werden muss - er posaunt es nur nicht groß in alle Welt hinaus. Das ist verständlich, weil er selbst es war, der zu den Architekten der unzähligen Griechenlandrettungen ab dem Jahr 2010 gehörte.

Ein “stiller Ausgleich” würde die größte Gläubigernation, Deutschland, viele Milliarden kosten: bei den bilateralen Krediten, den über EFSF/ESM aufgenommenen Geldern (über Bürgschaften), über die EZB und im Target 2-System, in dem die Bundesbank größte Gläubigerin ist.

So gesehen ist dieser Vorschlag eigentlich halsbrecherisch.

Es gibt einen zweiten Grund, warum Schäuble eigentlich keinen solchen Vorschlag machen dürfte: weil der Euro unumkehrbar ist, wie das Mantra der Europathen vom Dienst lautet. Schäubles Feigenblatt ist, dass er einen Wiedereintritt nach fünf Jahren in den Raum stellt – was ziemlich unrealistisch ist, nicht nur bei Griechenland, wo ein neuerliches Beitrittsansuchen akribisch durchleuchtet werden würde.

Nun muss ich gestehen, dass ich die juristischen Argumente nicht kenne,  aus denen die Deutschen ableiten, dass ein echter haircut bei einem Verbleiben in der Eurozone nicht möglich sei. Ich weiß nur, dass Schäuble erklärt, dass das von niemandem bestritten wird und es entspricht auch irgendwie meinem Rechtsgefühl, das urteilen würde: Wenn ich die Vorteile einer großen gemeinsamen Währung in Anspruch nehmen will – niedrige Zinsen, wenig “Inflation” und ein (relativ) stabiler Wechselkurs -, dann muss ich auch den (Eigentums)Ansprüchen der Partner nachkommen – und vor allem das größte Gemeingut, die gemeinsame Währung pfleglich behandeln – oder so ähnlich.

Ich würde freilich erwarten, dass die nicht-öffentliche Diskussion darüber nicht mit allgemeinen Prinzipien geführt wird, sondern auf Basis von Dutzenden covenants und ebenso vielen Ausnahmen dazu. Es handelt sich um ein technisches Wissen, das gleichzeitig ein Herrschaftswissen ist, das ich nicht habe.

Subjektiv gesprochen tendiere dazu, dem Schäuble zu glauben, dass ein haircut innerhalb der Eurozone nicht möglich ist. Gleichzeitig kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Trickser aus Brüssel und 19 Euro-Hauptstädten alles Mögliche ersonnen haben, um diese Regeln zu umgehen. Wär’ ja nicht das erste Mal.

Foto: Ion Chibzii from Chisinau, Moldavien, Wikimedia Commons.

Unabhängiger Journalist

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