Die Europäische Union bietet der Türkei 6 Milliarden Euro, einen Visumsverzicht und die Ansiedlung Hunderttausender Immigranten aus türkischen Lagern, sofern Ankara bereit ist, “illegal” nach Griechenland strömende Flüchtlinge zurückzunehmen. Die in der Nacht auf Dienstag erzielte Abmachung ist noch nicht offiziell, de facto aber fixiert. Die deutschsprachigen Medien berichten über nebensächliche Aspekte, kaum aber über den Kern der Abmachung. Nachbemerkung: Wem die Täuschung der Bürger nutzt.
Eine dieser Unerheblichkeiten ist die Frage, ob in der Abschlusserklärung die Balkanroute für geschlossen erklärt wird oder nicht. Das ist deswegen völlig irrelevant, weil die bisher über diese Route gekommenen Syrer künftig offiziell nach Europa geleitet und dort angesiedelt werden müssen.
Die EU will in den nächsten zehn Tagen über rechtliche Anpassungen vornehmen, um einen Abschluss auch offiziell zu ermöglichen. Dazu kommt, dass sich wenigstens Ungarn weigert, bei einem resettlement mitzutun und die der Türkei Abgenommenen auf andere Unionsstaaten verteilt werden müssen. Das alles muss noch intern ausgeschnapst werden.
- “One in, one out” und “Erpressungs-Deal”, nennen englischsprachige Medien die Übereinkunft, in der die Türkei sich bereit erklärt, von ihrem Staatsgebiet kommende, illegal auf griechische Inseln übersetzende Flüchtlinge wieder zurückzunehmen, auch syrische Staatsbürger (diese sind die einzigen, die über die Balkanroute noch durchgelassen werden). Für die Rücknahme jedes Bootsflüchtlings verpflichtet sich die Union, eine aus dem Bürgerkriegsland (angeblich) vertriebene, in einem türkischen Camp lebende Person zu übernehmen und in Europa anzusiedeln. Nach Angaben des UNHCR leben derzeit 2,7 Millionen Syrer in Lagern in der Türkei.
- Statt wie bisher ausgemacht drei, bezahlt die Union sechs Milliarden Euro.
- Fünf neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen werden eröffnet, weiters
- dürfen gut 70 Millionen Türken demnächst ohne Visum in die EU/nach ´”Schengenland” reisen. Bisher sollte das bis Oktober/November geschehen, jetzt ist Juni/Juli vereinbart.
Vielleicht mit Ausnahme der in der Schweiz erscheinenden NZZ sprechen fast alle deutschsprachigen Zeitungen davon, dass beim Gipfel mit der Türkei eine Einigung vertagt/verhindert oder nur eine halbe Lösung gefunden worden sei – so, als ob es noch ernsthafte Zweifel am Zustandekommen der Vereinbarung gäbe.
Doch wenn dem herrschenden Polit-Kartell bis dahin nicht das Handwerk gelegt wird, besteht kein Zweifel , dass der Deal am 17. März offiziell wird. Bis auf ein paar Details (zur Umsetzung der Flüchtlingskonvention und zum Aufteilungsschüssel für die Ansiedlung) ist alles Wesentliche bereits ausgemacht.
Die englischsprachige Presse berichtet jedenfalls unisono, es handle sich um einen done deal, eine getroffene Vereinbarung.
Siehe Wall-Street Journal:
Siehe Financial Times:
Siehe Telegraph:
Siehe Guardian:
Die Times - sicherlich keine überschießend vereinfachende Boulevardzeitung – bezeichnet den Deal schnörkellos als “Erpressung mit Migration”.
Nachbemerkung, 8.3. 2016, 13.30 Uhr: Dass es keinen Deal gibt, ist ein formaler Umstand, der ausschließlich politische Gründe hat: am 13. März wählen drei deutsche Bundesländer und die Merkel nimmt auf die dortigen CDU-Kandidaten Rücksicht.
Orbán hat nichts verhindert und wird auch künftig nix verhindern – außer etwas, wofür er ein demokratisches Mandat hat: dass nämlich Ungarn durch die Migranten zu Schaden kommt.
Orbán wird aber den Teufel tun und im Ausland den Helden spielen und dabei riskieren, dass das herrschende Politkartell seinem Land diverse EU-Subventionen abdreht. Merkel und die deutschen Christdemokraten sind die einzigen, die von dieser faktischen Falschmeldung profitieren.
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