Bei der Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten wartet auf hiesige PR-Experten eine echt knifflige Kommunikationsaufgabe: Wie lassen sich alle Nicht Hofer-Stimmen der ersten Runde dem Zweitgereihten zutreiben ohne dass die Öffentlichkeit mitkriegt, dass die Kartellparteien am gleichen Strang ziehen ? Würde das nämlich zu offensichtlich, stünde eine Variante des Waldheim-Effekts ins Haus – diesmal gegen die ÖVP und für einen, der für eine Nazivergangenheit um 50 Jahre zu jung ist. Nachbemerkung zu den tieferen Gründen, warum alle gegen Hofer sind.
Bei den ehemaligen Staats- und Großparteien ist die Operation Gespaltene Zunge am komplexesten. Zusammen gebieten SPOVP über einen Stimmenanteil von 22 Prozent (wie sie selbst glauben). Das ist historisch gesehen zwar ziemlich mickrig, aber für den kommenden zweiten Wahlgang noch immer eine beachtliche Schwungmasse.
Wie lassen sich am 22. Mai nun “diese PS auf den Boden bringen” ohne den von den Grünen (faktisch) ins Rennen geschickten Kandidaten zu beschädigen ?
Würden es SPOVP total und ohne Rücksicht auf eigene Verluste ernst meinen, würden sie eine Wahlempfehlung für Hofer abgeben. Das wäre wirklich ein furchtbarer Schlag für den FP-Kandidaten.
Das geht aber aus mehreren Gründen nicht, z.B. weil ein Teil der SPÖ gehörenden Wähler, die schlichten, aber disziplinierten Dummies das für bare Münze nehmen und den Hofer wirklich wählen täterten (und sich dabei noch auf eine offizielle Empfehlung stützen könnten).
Die salomonische Lösung, SP style
Die SP versucht jetzt, das Dilemma mit einer salomonischen Lösung zu bewältigen. Sie gibt zwar keine offizielle Wahlempfehlung für Van der Bellen ab, der Parteivorsitzende, der ausgeschiedene Präsidentschaftskandidat und der Wiener Bürgermeister geben aber bekannt, dass sie für Van der Bellen stimmen werden.
Hier ein Screenshot eines inzwischen wieder kassierten Artikels in der staatseigenen Wiener Zeitung (Herausgeber: Bundeskanzleramt).
Da kann man nur sagen: uijegerl, heikel, heikel, heikel !
Eine zweite, spiegelbildliche Chance hat das Kartell beim ÖVP-Kandidaten, dem Khol, der die Ermächtigungsgesetze …. äh, ich meine … die Budgetbegleitgesetze zum Euro durch den Nationalrat gepeitscht hat, siehe u.a. hier.
Ähnlich wie Hundi hat der Khol bei den Kernschichten seiner Partei ebenfalls 11 Prozent geholt – ist in der Gesamtbevölkerung aber so unbeliebt, dass seine Wahlempfehlung ebenfalls ein schwerer Schlag für Hofer wäre.
Die schwarzen Pendants der oben geschilderten schlichten SP-Gemüter könnten Hofer in einem solchen Fall trotzdem gefährlich nahe an die 50-Prozentmarke bringen und darum wäre ein Mordversuch mittels Umarmung eine hochriskante Strategie. Wenn dann nur ein kleiner Teil der der Griss bzw. den NEOS gehörenden Stimmen zu Hofer überliefe, wäre es um VdB und das Kartell geschehen.
Nein, eine paradoxe Intervention ist im Fall Khol keine gute Idee. Es wäre besser, dem 1971 geborenen Hofer nachzuweisen, dass auch er in der NSDAP war, weil Altnazis mögen die echten Bürgerlichen nicht so sehr.
Auch die LIF-Nachfolger kauen am gleichen Problem
Ein eigener Fall sind die Griss und die NEOS. Dort ist die Sache um eine Spur weniger heikel wie bei den ehemaligen Großparteien, weil die NEOS noch nicht so kompromittiert sind wie SPOVP.
Außerdem könnten die NEOS voll auf oppositionelle Solidarität machen (mit den Grünen). Leuten, die nicht genau hinschauen, könnte man eine Empfehlung für VdB jedenfalls als Widerstand gegen das rotschwarze Proporzsystem verkaufen.
Es wenigstens versuchen. Diesen eher Naiven würde erst auf den (vielleicht nie geworfenen) zweiten Blick klar werden, dass die zentrale Mission des inoffiziellen grünen Kandidaten die Strache-Verhinderung zum Vorteil der alten Mächte ist.
Für die Wiener Parteichefin der NEOS, die Meinl-Reisinger (Jahrgang 1978), ist jedenfalls klar, dass VdB unterstützt werden muss, siehe orf.at, hier (vermutlich von der APA). Die Dame ist nicht nur jung, sondern auch eine ernsthafte Ministerialkandidatin, sollte in absehbarer Zeit das Kartell rufen.
Die Griss selber ist von einer Wahlempfehlung nicht gar so begeistert, siehe OE24.
Das sind aber eher taktische Differenzen. Die Griss ist alt genug, um sich an Waldheim zu erinnern und weiß, was für ein blödes Bild im Wahlvolk entstehen könnte, wenn es merkt, dass vier Parteien am gleichen Strang ziehen, hinter Van der Bellen und gegen Hofer.
Deshalb ist die Juristin gegen eine offizielle Wahlempfehlung - nicht weil sie gegen VdB wäre.
Das zugrundeliegende Problem kann freilich auch sie nicht befriedigend lösen. Es lautet: Wie helfe ich VdB ohne das offen aussprechen zu müssen ?
Doch immerhin weiß die Griss, dass es dieses Problem gibt – Chapeau !
Nachbemerkung, 27.4.: Habe Zuschriften gekriegt, dass ein guter Teil der ÖVP ja sowieso mit der FPÖ koalieren will und dass dieser Hofer sowie unterstützen möchte (und nicht Van der Bellen).
Das mag sein. Der Punkt ist jedoch, dass die ÖVP eine Putschpartei im Sinne meines Texts ist, bis heute.
Auch wenn die ÖVP frühere Politicos einem unabhängigen Gericht überantworten würde (haben sie auch schon bei einem feindlich gesinnten getan !), bleibt ihr Glühendes Europäertum der Elefant im Wohnzimmer.
Alle vier Parteien, die jetzt gegen Hofer stehen, sind Glühende Europäer (= Supranationalisten um jeden Preis) und deswegen müssen sie auch alle gegen die FPÖ sein.
Für alle, die’s noch nicht kapiert haben: “(pro)europäisch” in der in den Medien gängigen Lesart bedeutet nicht “gut-europäisch” und auch nicht europäisch im lexikalischen Sinn, sondern die Aushebelung der nationalen Demokratien durch ein vermutlich rechtswidriges Staatsbildungsprojekt, das mithilfe von List und Tücke ungesetzt wurde.
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