TTIP endlich tot (in Linz beginnt’s)

Das Transatlantische Freihandelsübereinkommen TTIP ist tot und zuerst hat man darüber nicht im Wallstreet Journal erfahren, sondern auf ORF III, von zwei österreichischen  Politicos - en passant und von den zusehenden Journos eher ignoriert. Der künftige österreichische Bundespräsident wird TTIP jedenfalls nicht unterschreiben und diese Unterschrift ist seltsamerweise ein unabdingbares Erfolgskriterium. Nachbemerkung zur Frage, ob VdB einfach lügen könnte.

Es stimmt zwar, dass der Tod des Vertragswerks nicht direkt verkündet wurde (das konnten die Kandidaten Hofer und Van der Bellen auch nicht, weil sie an den Verhandlungen nicht teilnehmen).

Aber das, was sie zum Thema Unterschrift des künftigen Bundespräsidenten unter den Vertrag gesagt haben, reicht um das Thema zu beerdigen.

Beide haben sich festgelegt, dass sie nicht (gleich) unterschreiben würden – Hofer höchstens nach einer positiven Volksabstimmung (sehr unwahrscheinlich) und Van der Bellen überhaupt nicht, siehe hier, bei Minute 40′:37”.

Ohne die Unterschrift des österreichischen Bundespräsidenten gibt es aber kein rechtswirksames TTIP. Klingt zwar absurd, ist aber so.

Nun bestehen unter hiesigen Rechtsgelehrten unterschiedliche Auffassungen darüber, ob der Präsident des Alpenstaats einem internationalen Vertrag seine Unterschrift überhaupt verweigern darf. Das ist eine offene Frage. Klar ist jedoch, dass das vor dem Wiener Verfassungsgerichtshof durchjudiziert werden müsste.

So etwas hätte einen ungewissen Ausgang und würde Jahre dauern.

Damit ist das heutige TTIP tot, das Wording der Parte ist halt noch nicht fixiert.

Formalbefugnisse und wirkliches Leben

Nun läuft es in der wirklichen Welt ein bisschen anders. Dort kann das Staatsoberhaupt Kakaniens im Alleingang TTIP keineswegs verhindern, allen formellen Befugnissen zum Trotz (da ereilt den widerspenstigen Präser eher noch der Herztod). 

In der wirklichen Welt bekommt man als favorisierter Kandidat geflüstert, dass das Abkommen (für das man ursprünglich eingetreten ist) derzeit nicht umsetzbar ist und dass daher kein Risiko besteht, sich dagegen festzulegen.

So etwas ist ruck-zuck gemacht.

Die bedingte, sozusagen qualifizierte Ablehnung des TTIP, wie sie von der anderen Seite entwickelt wurde, hat dagegen lange gedauert.

Hofer brachte sie während seines gesamten Wahlkampfs als Paradebeispiel für eine von ihm gewünschte Sorte von direkter Demokratie: Das Wahlvolk soll dabei in Abstimmungen über große Themen, auch internationale Verträge, entscheiden, in Materien, in denen die Meinungen quer durch die politischen Lager gehen.

Van der Bellen möchte direkte Demokratie dagegen nur auf regionaler Ebene (denn “wir haben eine repräsentative Demokratie”).

Professor Sascha war am Mittwoch jedenfalls sichtlich froh, das unpopuläre Freihandelsabkommen nicht in Kraft setzen zu müssen: “Ich würd’ TTIP gar nicht unterschreiben, dann erübrigt sich auch die Volksabstimmung.”

Was für ein Glück. 

Nachbemerkung: Übrigens gibt es auch bei völkerrechtlichen Verträgen ein Leben nach dem Tod - wenn der Wunsch nach einer Wiederauferstehung zu groß wird. Das hat der 2005 verstorbene EU-Verfassungsvertrag bewiesen. Er kehrte als Vertrag von Lissabon zurück und wurde 2009 von (fast) allen EU-Regierungs-Politicos, nicht aber von deren Völkern gebilligt.

Nachbemerkung II, 28.4.2016, 21 Uhr: Leser glauben nicht, dass die Ankündigung Van der Bellens, TTIP nicht zu unterschreiben ernst zu nehmen ist und machen geltend, dass VdB lügt, siehe z.B. hier auf Hartgeld (“Österreich”, Kommentar 17:00 Uhr). Etwas anderes zu glauben, sei naiv.

Es ist natürlich möglich, dass ein Bundespräsident VdB doch unterschreiben würde und in diesem Fall  hätte Professor Sascha halt seine Meinung geändert, wie er in Sachen Heimat angeblich seine Meinung geändert hat (siehe ebenfalls TV- Konfrontation mit Hofer). Nach dem Motto des Großen Bruno Kreisky: “Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?”

Aber ich behaupte dass, wenn VdB zu lügen vorhätte, er die Sache anders formuliert hätte. Leute wie dieser Mann sagen üblicherweise nicht frontal die Unwahrheit – oder nur, wenn es gar nicht anders geht.

Ich habe folgende Replik an Hartgeld geschickt, relativ spät, sodass sie nicht mehr erscheinen konnte: “Klar ist das Wahlkampftaktik, denn die Ablehnung des TTIP ist so massiv, dass VdB einfach auch davon profitieren will/muss.

Aber Leute wie VdB lügen anders. Sie lügen durch Auslassen, blödsinnige Vergleiche, Verwirrung stiften. Sie lügen nicht auf so einfache Art, dass man es ihnen später unter die Nase halten kann. Wenn VdB klipp und klar sagt, dass er so einen Vertrag nicht unterschreibt, nimmt er an, dass es nie so weit kommen wird. Ich denke, das haben ihm seine Habschis in Brüssel gesagt.” 

Unabhängiger Journalist

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