Bei meinen Überlegungen zur Kontrolle der demokratischen Macht (bzw. den Reaktionen darauf) ist eine neue, alte Überlegung aufgetaucht: Es ist das Argument, dass Währungsfragen auch in unserem demokratisch-republikanischen System nicht Mehrheitsentscheidungen unterworfen werden könnten und dass das auch für die Ersetzung der nationalen Währungen durch den Euro gelte. Das rührt an eine unüberschaubare Debatte mit tiefen ideengeschichtlichen Wurzeln, in der ich nur als interessierter Laie agieren kann. Mit dem vorgebrachten Prinzip bin ich einverstanden, aber nicht eines Sinnes mit dem Einwender. NB zu den Vorteilen von flexiblen Wechselkursen und Währungswettbewerb.
Der Vorbehalt, der jedenfalls ernst zu nehmen ist, kam aus einer Ecke, die für mich nicht verdächtig ist, diese Position aus irgendwelchen geldhistorischen Debatten abgeleitet zu haben. Der Einwender ist ein Unternehmer, der … sagen wir: gute politische Verbindungen hat, der aber rein pragmatisch, als ein “nach Euroland” liefernder Produzent argumentiert. Ich fasse kurz und paraphrasiere:
Es gab keine reale Option den Schilling zu behalten, weil unsere bei weitem wichtigsten Handelspartner in Deutschland und Italien den Euro übernommen haben. Wäre für unsere Lieferungen dorthin ein Wechselkursrisiko entstanden, wären wir zum großen Teil aus diesen Märkten geflogen. Das hätte 25 oder 30 Prozent unserer Wertschöpfung bedroht und wäre ökonomischer Selbstmord gewesen. Referenden über einen kollektiven Selbstmord abzuhalten ist wahnsinnig.”
Das ist alles nicht neu und ich meine selbst auch, dass es in einem Zeitalter, in dem ein derartiger Grad an internationaler Arbeitsteilung wie heute erreicht ist, dumm wäre, sich aus dem gemeinsamen Markt zu kicken.
Das könnten sich nicht einmal die Briten leisten, mit ihrer Größe und ihren viel diversifizierteren Außenhandelsbeziehungen. Insofern bestand und besteht aus österreichischer Sicht keine Option, den Markt, in dem sich namentlich die Bundesrepublik befindet, zu verlassen.
Die Frage ist (aus heutiger Sicht) freilich, ob die obige Annahme mit dem Wechsselkursrisiko in den vergangenen 17 Jahren praktisch zutreffend war (Schwedenkrone/Britisches Pfund) und ob es längerfristig nicht noch viel selbstmörderischer ist, einem dysfunktionalen Hybridsystem wie der Eurozone beizutreten.
Aber ich will das hier gar nicht andiskutieren. Ich will es nur stehen lassen. Will nur festhalten, dass diese Argumentation den heute gängigen geldtheoretischen Positionen vom Chartalismus bis zur Modern Monetary Theory widerspricht.
Wenn Währung bloßes vom Staat ausgegebenes Zeichengeld ist, dessen Wert nach innen letztlich nicht von realwirtschaftlichen Faktoren abhängt, gibt es auch nach außen kein realwirtschaftlich bedingtes Wechselkursrisiko.
Dann lässt sich der Währungskurs durch geldpolitische Operationen der eigenen Zentralbank praktisch beliebig (lange) managen. Dann kann man ohne weiteres national über die Währung abstimmen lassen.
Nachbemerkung 1, 1.9. 2016 14.45 Uhr: Die Darstellung des Unternehmers mag im Einzelfall zutreffen – “das hängt vom Produkt und den Umständen am Markt ab” – sei aber als allgemeines Argument für den Euro eher schwach, meint G., der sich sein geldhistorisches Hintergrundwissen bei einem Studium und in der danach folgenden Erwerbstätigkeit angeeignet hat.
Es sei massiv überzogen, so hohe Wertschöpfungsverluste durch ein Ausscheiden aus der Währungszone in den Raum zu stellen. Außerdem gebe es ein Risiko durch das mögliche Scheitern des heutigen Euro-Währungssystems, das auch beziffert werden müsse.
In der Praxis gebe es heute zahlreiche Möglichkeiten Währungsrisiken zu hedgen (was jede Firma macht, die Rohstoffe aus dem Dollarraum bezieht oder dort hinliefert).
Und auch früher, im Europa der Nationalwährungen, habe es kaum wilde Schwankungen gegeben, die eine Kalkulation für einen Auslandsmarkt verunmöglicht hätten.
“Es waren eher stufenartige Bewegungen, die von institutionellen Arrangements etwa mit den Gewerkschaften begleitet waren. Italien hat halt in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen abgewertet – und es war klar, dass Lieferanten aus dem Ausland das durch Produktivitätserhöhungen wieder hereinbringen mussten.” Das habe im Regelfall auch funktioniert.
In der Österreichischen Schule gibt es laut G. zwei unterschiedliche Perspektiven – eine Hayeks, der den Wettbewerb von Währungen als ein Mittel angesehen habe, Missbräuche z.B. in der Fiskalpolitik und bei der Monopolproduktion von Fiatwährungen zu begrenzen.
Der andere, eher mit Mises identifizierte Ansatz, betone die Handels- und Arbeitsteilungsvorteile eines gemeinsamen übernationalen Währungssystems – eines Goldstandards.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.