Die österreichische Regierung zählt in der Ukrainekrise zur zweiten Kategorie. Schleicher gehören zur Gattung der Kriegstreiber, sie wollen aber keinesfalls zu dieser gezählt werden. Das Gehampel, das Wien derzeit um die Verschärfung der EU-Sanktionen-, seine ständigen Minister-Kaffeekränzchen und seine “Friedensinitiativen” auführt, ist ein gutes Beispiel für feige Kriegsschleicherei. Mutig wäre es z.B., ein überwachtes Referendum in der Ostukraine in die Diskussion zu werfen..
Heute, Freitag, ist die zweite Runde der EU-Sanktionen gegen russische Energiefirmen in Kraft getreten, die hauptsächlich darauf abzielen wird, Rosneft & Co. den Kredithahn abzudrehen (und sie damit in die Pleite zu treiben). Details dazu sind noch nicht bekannt.
Wie erinnerlich, haben die EU-Regierungschefs die Sanktionen vergangene Woche beschlossen, ihr Inkrafttreten aber aufgeschoben, um zu “beobachten” wie sich ein zwischen Poroschenko und den Neurussen ausgehandelter Waffenstillstand entwickelt. Moskau hat diese Vereinbarung mitunterzeichnet – im Gegensatz zu EU und USA.
Putin hat den Rebellen diesen Waffenstillstand auf’s Aug’ gedrückt – in einer militärischen Situation, in der eine Feuerpause für diese von Nachteil war (Mariupol). Die Neurussen, die genau wissen, wo der Bartl den Most (die Waffen) holt, haben mit zugehaltener Nase und maulend unterschrieben, aber klargemacht, dass sie dem Waffenstillstand kein langes Leben geben.
Putin wollte damit eine Eskalation durch die NATO (Gipfel in Wales) und die EU (neue Sanktionen) verhindern und hat ein Abkommen mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko geschlossen, das man nicht wirklich beurteilen kann, solange die geheimen Teile des Deals nicht bekannt sind. Bis es soweit ist, werden wohl noch ein paar Jahrzehnte und ein größerer Krieg durchs Land ziehen.
Der Putin-Poroschenko-Deal
Die Einschätzung, dass Putin mit dem Waffenstillstand taktisch agiert hat, ist vollkommen richtig. Er wollte die EU von weiteren Sanktionen abhalten und das ist wohl mehr als legitim. Aber er hat nicht nur taktisch agiert und der Deal hat ihn auch etwas gekostet. Er hat etliche Bauernopfer bringen müssen – militärisch, politisch, imagemäßig. Die Sache kostete ihn in Neurussland und Russland selbst einiges an politischem Kapital – wie viel kann nur ein Kenner der russischen Innenpolitik abschätzen. Es ist aber unschwer zu erkennen, dass die Allrussen Putin derzeit die Hölle heiß machen. Ziemlich heiß.
Poroschenko, der bei sich daheim selbst ein Getriebener der Kriegspartei ist, glaubt(e), mit dem Deal seine Haut retten zu können – und auf den ersten Blick sieht die Sache auch vorteilhaft für ihn aus. Der offizielle Teil des Protokolls deckt sich fast zu 100 Prozent mit einem Friedensplan, den Poro vor 14 Tagen vorgeschlagen hat, und den die Neurussen damals nicht einmal ignoriert haben.
Zu Poroschenkos Ehrenrettung muss gesagt werden, dass er wenigstens versucht, den Deal mit Putin zu retten, indem er etwa sagt, dass 70 Prozent der russischen Truppen bereits die Ostukraine verlassen hätten.
Faktisch fällt diese Aussage in die Kategorie “politgetriebener Bullshit” – ebenso wie die vorangegangenen Aussagen zur Präsenz russischer Truppen auf dem Staatsgebiet der Ukraine. Es gab und gibt dort keine “russischen Truppen” (wenn man von den berühmt gewordenen 10 Fallschirmjägern absieht). Alle gegenteiligen Behauptungen sind bisher binnen weniger Stunden in sich zusammengefallen.
Was es in Neurussland reichlich gibt, sind Freiwillige und Söldner aller Art, die russische Staatsbürger sind. Etwa 1.000 wie die NATO kürzlich geschätzt hat. Dass diese Gruppe um 70 Prozent kleiner geworden wäre, ist Unsinn. Diese Leute tauchen nicht einfach aus dem Nichts auf und sie verschwinden auch nicht von heute auf morgen. (Im übrigen gibt es auch jede Menge westlicher Söldner in der Ukraine – auf der Gegenseite).
Immerhin versucht(e) der Mann, den sie Porky nennen, seinen Teil der Abmachung zu halten und damit Sand ins Getriebe der Kriegsmaschine zu streuen. Der Plan, der von Anfang an nicht allzu aussichtsreich war, ist mittlerweile von der Wirklichkeit überholt. Nächste Woche finden in der Westukraine Manöver statt, an denen sich auch NATO-Truppen beteiligen. Und die EU hat ihre Sanktionen wie gesagt verschärft. Der Westen ist sichtlich nicht an einer Deeskalation interessiert. Das werden Putin und Poroschenko an irgendeinem Punkt zur Kenntnis nehmen müssen.
Zurück in die Union bzw. nach Wien
Die dortige Regierung weiß, dass
- die wenigsten Österreicher es für klug halten, die Russen militärisch zu reizen und dass diese
- auch keine Lust verspüren, auf Gas und Öl auf Russland zu verzichten. Schon gar nicht zugunsten der strategischen Ziele der NATO – aber auch nicht zu Nutz und Frommen eines Regimes, das seine eigenen Bürger mit Raketenwerfern beschießt.
Die amoralischen Austriaken sind nicht einmal bereit, auf ein bisschen warme Stube zu verzichten, um die territoriale Integrität der Ukraine zu erhalten. Was soll man mit einem solch egoistischen Pack anfangen !
Faylehner und Mittermann wissen jedenfalls, dass sie nicht umhin kommen, den Kriegskurs der europäischen “Freunde” mitzutragen. Sie und ihre Vorgänger haben nicht umsonst alles getan, um bei der Euro-Verbrechergang mitmischen zu dürfen. Jahrzentelang. Wien kann jetzt unmöglich aussteigen – selbst wenn es dies wollte (was eh’ nicht der Fall ist).
Daher muss für das österreichische Publikum ein bisschen gezappelt, muss guter Wille vorgespielt werden: ein Staatsbesuch hier, ein Friedensinitiativerl dort. Schließlich ist man ja gegen den Krieg. Trotzdem ist Wien für die neuen EU-Sanktionen, weil es “solidarisch ist” (mit Arturo Ui). Der Außenmninister hat es im ORF-Morgenjournal so ausgedrückt:
“Die Staats- und Regierungschefs haben neue Sanktionen beschlossen, weil sie nicht wegsehen wollen, sondern ganz klar zeigen wollen, dass sie das Verhalten Putins ablehnen und sanktionieren wollen.“
Verschiedene Aspekte des Interviews würden es verdienen, gesondert dargestellt zu werden, etwa die absurde Geschichte mit den österreichischen Drohnen oder die Behauptung des famosen Interviewers, der Ukrainekonflikt habe im vergangenen Herbst begonnen und Russland habe seither das Heft des Handelns in der Hand gehabt. Das brächte ein paar Lacher, aber es gibt Wichtigeres als derlei Dummheiten.
Die bittere Wahrheit ist, dass Faymann und Kurz absolut nichts zur Deeskalation beitragen. Dazu würden sie Mut benötigen, den sie nicht haben.
Auch wenn man in Rechnung stellt, dass Wien nicht mehr als ein schwaches Lichtlein ist – es hätte die Möglichkeit (gehabt), ein paar symbolische Handlungen zu setzen, auf die einige der anderen Gangmitglieder vielleicht schon lange warten.
Man hätte im Rat beispielsweise gegen die Verschärfung der Sanktionen stimmen können – immerhin muss Faylmann dort als Vertreter eines souveränen Staats und nicht als Haberer der Kriegspartei agieren – theoretisch; als Vertreter eines Staats, dessen Bürger nichts, aber auch gar nichts von Sanktionen halten.
Der Bundeskanzler hätte natürlich auch eine echte Idee in die Diskussion werfen können – beispielsweise, den Ostukrainern die Gelegenheit zu geben, über eine Unabhängigkeit ihrer Oblasts abzustimmen. So wie dieser Tage die Schotten. Langfristig vorbereitet und penibelst überwacht, damit weder das Wahlvolk eingeschüchtert noch die Abstimmung manipuliert werden kann.
Das wäre eine Friedensinitiative ! Wetten, dass Faylmann nach einem solchen Vorschlag nicht mehr von Poroschenko empfangen würde?
Dummerweise ist unsere Regierung für so etwas viel zu feig und teilnahmslos. Sie ist jene wurschtige Mitläuferin, als die sie paretout nicht erscheinen möchte. Sie ist eine Kriegsschleicherin.
Der Kanzlerpartei samt ihrem Organisations-Gehänge scheint es mittlerweile auch egal zu sein, wenn schon in diesem frühen Stadium der Konfrontation Tausende Arbeitsplätze in ihrer Kern-Klientel verloren gehen.
Etwa bei MAN-Steyr, das einen russischen Auftrag von 500 Lkws in den Rauchfang schreiben und 2.000 Leute auf Kurzarbeit schicken muss. Der rote Belegschaftsvertreter, sagt ein oberösterreichischer FPÖ-Abgeordneter, habe seit Wochen über die Situation Bescheid gewusst, aber geschwiegen. Der Betriebsratskaiser gab sich nicht einmal die Mühe,, das zu dementieren: „Zu so einem Blödsinn gebe ich keinen Kommentar ab. Deimek kennt sich im Lkw-Geschäft überhaupt nicht aus.”
Die bei den letzten Wahlen zur größten Arbeiterpartei gewordene FPÖ tut sich heute aus zwei Gründen mit dem Thema leicht: Erstens hat sie seit dem Beginn der Krise das Putin- und Russland-Bashing der anderen Parteien und die Sanktionen abgelehnt. Entscheidender noch scheint zu sein, dass sie keinen Kadavergehorsam gegenüber „Brüssel“ entwickeln musste.
Die FPÖ war nie Teil des in diesem Blog beschriebenen politischen Kartells, das seit 20 Jahren die Auflösung der europäischen Nationalstaaten und die Konzentrierung der Macht in den Händen einer paneuropäischen Junta verfolgt. Das heißt nicht, dass diese Partei keinen Unfug machen würde. Es heißt „nur“, dass sie sich gegenüber Geist und Buchstaben der bestehenden Verfassung loyal verhält.
Addendum
Ich habe in meinem Post vom 9. September durchblicken lassen, dass ich einen Abschuss der MH 17 durch einen Jagdflieger für unwahrscheinlich halte. Ich habe meine Meinung dazu (wieder) geändert.
Es gibt eine Reihe von Punkten, warum ein Abschuss aus der Luft (z.B. per MiG-29) wahrscheinlicher ist als eine SAM (Boden-Luft-Rakete), sowie weitere Argumente, warum dieser Abschuss nicht per AA-Rakete erfolgt sein kann. Die Fotos zweier Trümmer aus dem vorläufigen Untersuchungsbericht nehmen der Abfangjäger-Theorie nichts von ihrem Gewicht.
Der entscheidende Punkt ist in jedem Fall, dass in den nächsten 12 Monaten keine offiziellen Ergebnisse der Untersuchungskommission vorliegen werden. Das ist angesichts der enormen Bedeutung dieses „Unglücks“ für die Eskalation internationalen Konfrontation völlig unverständlich.
Wie erinnerlich, wurde der Abschuss der MH-17 umgehend den prorussischen Separatisten und Wladimir Putin höchstpersönlich in die Schuhe geschoben. Der Vorfall lieferte auch die Begründung für die ersten EU-Sanktionen gegen Moskau – ohne dass dazu eingermaßen strapazfähiges Belastungsmaterial auf den Tisch gelegt worden wäre.
Die nunmehrige Verschiebung des Berichts auf den St. Nimmerleinstag legt nahe, dass es dieses Belastungsmaterial nicht gibt; schlimmer noch: dass die Regierung in Kiew selbst für den Abschuss verantwortlich sein könnte – als Kollektiv oder in Teilen.
Foto: Mateusz Włodarczyk, Wikimedia Commons, Plani, Creative Commons
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