Der Goldpreis, der in den vergangenen 14 Tagen 100 Dollar verloren hat, ist am Mittwoch ein weiteres Mal auf Tauchstation gegangen – weil die “Investoren aus dem Gold aussteigen” und dabei eine riesige Flutwelle erzeugen, wie die Experten behaupten. Eine Welle wie jemand, der im Swimmingppool eine Wasserbombe macht. Na dann – rein in Fonds, Aktien und andere Anlagen, die Euch von den Experten empfohlen werden !
Das Schönste für die Wettermacher auf der Barometerinsel… Verzeihung, ich meine: die Barometermacher auf der Zauberinsel muss sein, mitanzusehen, wie sich die Goldkäfer jedes Mal grün und blau ärgern und und “Schiebung ! Schiebung !” schreien. Gähn. Warum, bitte, sollte ausgerechnet hier nicht geschoben werden ?!
Lustig anzusehen sind aber auch die Experten, die ohne eine Miene zu verziehen so tun, als hätten Warren Buffet und George Soros soeben einen Monster-Truck voll Metall abgekippt – so ein Riesending aus der Bergbauindustrie. Oder als ob sich die dunklen Wolken über ihren Häuptern verzogen hätten.
“Die ganze These, dass die Finanzwelt am Ende ist, hat sich nicht bewahrheitet, sagt Peter Jankovskis, Co-Investmentchef für die Kapitalanlagen bei OakBrook Investments in Lisle, Illinois”, einem Pflänzchen aus der “Finanzwelt”.
Ein paar Nobodys aus dem Internet sind draufgekommen, dass jeden Tag an den Rohstoffbörsen und -plattformen ein paar Tausend Tonnen “Gold” verkauft werden ohne dass dieses Metall wirklich seinen Besitzer wechselt, ja überhaupt existiert. Letzteres lässt sich das schon deswegen ausschließen, weil jedes Jahr nur etwa 3.000 Tonnen gefördert werden, was knapp der Menge entspricht, die jeden Tag in London umgesetzt wird (wenn man die 173 Millionen Unzen um die Doppelzählung bereinigt).
Die Freegold-Schlauberger, die sich um diesen Blog hier versammelt haben, wirken zwar auch bereits etwas mürbe, aber sie kultivieren nach wie vor die verrückte Idee, dass der “Goldpreis” rein gar nichts mit dem Marktpreis für physisches Gold zu tun hat, der ihrer Meinung nach um ein Vielfaches höher liegen muss.
Und dass eine Handvoll Staaten, Notenbanken und Superreiche ein abgekartetes Spiel spielen, dessen Zweck darin besteht, die Weltreservewährung Dollar durch physisches Gold zu ersetzen. Die Fädenzieher hinter den Kulissen sind in dieser Sichtweise auch gar nicht besonders böse, weil sie eigentlich (auch) das Ziel haben, der Welt die Mutter aller Finanzkrisen zu ersparen.Wer sich über diese Sekte informieren will, kann hier nachlesen.
Viele normale Goldbugs stimmen hier grundsätzlich zu – mit dem (wohl richtigen) Argument, dass die letztlich einzige Chance der Notenbanken darin besteht, das Währungsmetall so stark aufzuwerten, dass der Ausfall anderer Aktivposten kompensiert werden kann. Vielleicht sogar stark überkompensiert – was die Zentralbanken in die Lage versetzen würde, ungestraft zu tun, was sie am liebsten tun: Geld “drucken” und damit die Wirtschaft ankurbeln.
Die normalen Goldbugs glauben allerdings, dass es zurück zum Goldstandard vor dem Ersten Weltkrieg gehen wird und dass der “Papiergoldpreis” trotz aller Derivate noch mit Angebot und Nachfrage nach physischem Metall verbunden ist.
Die Freegolder akzeptieren das nicht und erwarten, dass der “Goldpreis” bis auf 600 Dollar – eine pure Schätzung – fällt, ehe eine Knappheit entsteht, in der der Systemwechsel erfolgt.
Die große theoretische Schwierigkeit bei dieser Argumentation liegt in der Frage, wie es möglich ist, dass, wenn das Metall im Einzelhandel unter seinem Wert verkauft wird, bisher noch keine physische Knappheit entstanden ist. Freegolder beantworten sie damit, dass nur die unteren Schichten des Goldmarkts vom Marktpreis abgekoppelt sind und dass ganz oben, wo die großen Mengen gehandelt werden, ohnedies schon viel mehr gezahlt wird. Der Goldmarkt zerfällt für sie etwa nach dem hier geschilderten Muster in mehrere Schichten. Und bis sich eine Mangelsituation von der Spitze nach unten durchfrisst, dauert es eben eine Weile.
Passionierte Verschwörungstheoretiker denken, dass die einzige Möglichkeit, das fehlende physische Gold aufzutreiben, darin besteht, die Notenbanken anzuzapfen, oder genauer: die Patsies, Einfaltspinsel unter diesen, die ihr Metall aus der Hand gegeben und in irgendwelche Fonds oder Konten eingezahlt haben. Das ist angesichts der Bilanzpraxis etwa der OeNB nicht auszuschließen.
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Die großen praktischen Fragen, vor denen diese Leute stehen, sind
- wie lange es erstens dauert, bis die Revaluierung erfolgt. Das ist insofern wichtig, weil man als Sterblicher bis dahin schon tot oder pleite sein könnte. Zweitens stellt sich die Frage,
- wie hoch (tief) der letzte Preis ist, zu dem man noch Münzen und Barren kaufen kann. Wer will schon teurer einkaufen als nötig?
Eine dritte praktische Frage hat im Vergleich zu diesen keine spezielle Bedeutung. Es ist die Frage, ob der Switch zu einem physischen Markt eine (zum Beispiel) Verdreißigfachung oder eine (zum Beispiel) Verfünfzigfachung des Preises mit sich bringt. Ausgesorgt, glauben sie, hätten sie in jedem Fall.
Foto: Jeff Belmonte from Cuiabá, Brazil, Wikimedia Commons
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