Selbstausschaltung US-Parlament?

Bundeskanzler Engelbert Dollfuß

In der ersten österreichischen Republik gab es ein Ereignis, das oft als “Selbstausschaltung des Parlaments” bezeichnet wird. Viel wurde darüber geschrieben, damals und rückblickend. Donald_Trump_(14235998650)_(cropped)Es erlaubte einem “aus demokratischen Wahlen hervorgegangenen” Kanzler ohne Parlament weiterzuregieren. Der am Freitag unvermeidbar gewordene government shutdown in den USA hat – bei allen Unterschieden – das Zeug, sich zu etwas Vergleichbarem auszuwachsen.

Der historische österreichische Bundeskanzler war ein Christdemokrat und hieß Engelbert Dollfuß. Er wurde ein Jahr später von putschenden Nationalsozialisten ermordet.

Das am 15. März 1933 grundgelegte österreichische autoritäre System (“Ständestaat”, “Austrofaschismus”) überlebte aber bis zum sogenannten Anschluss an Nazi-Deutschland, der sich heuer zum 80. Mal jährt.

Je nach “Brille” des heutigen Betrachters kann die Selbstausschaltung als diabolisch-genialer Trick oder als tragisches Ereignis gesehen werden, in dem Parlamantarier wegen einer belanglosen Abstimmung die Geschäftsordnung bis zum Äußersten ausreizten – wobei unwillentlich die zentrale Institution der parlamentarischen Demokratie lahmgelegt wurde.

Dollfuß verhinderte – formaljuristisch wohl legal – ein erneutes Zusammentreten der Abgeordneten und regierte “diktatorisch” weiter.

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, hat ein kluger Kopf einmal bemerkt – und was am Freitag in Washington passierte, wies auf den ersten Blick eigentlich deutliche Unterschiede zum Österreich des Jahres 1933 auf:

  • Republikaner und Demokraten konnten sich im Senat nicht über das Budget für das Fiskaljahr 2018 einigen, was zwangsläufig zu einem shutdown der Regierung und einem Zwangsurlaub für die Beamten führen wird.
  • Es ist dies der 19. shutdown seit 1976 und insofern beinahe schon “Routine” (in der ersten österreichischen Republik scheint es keine “Vorläufer” des 15. März 1933 gegeben zu haben).
  • Natürlich hat die Regierung Trump einen Plan für den Notfall verabschiedet und 659 Regierungsangstellte dabei von der Zwangsbeurlaubung ausgenommen.

Das ist absolut legal und entspricht vororglichem Handeln und früherer Praxis. Nichts an dieser Notfallsplanung deutet auf “sinistre Absichten des Weißen Hauses” hin.

Dennoch:

  • Die “Schuld” am Regierungsstillstand liegt – für alle erkennbar – beim Kongress. Uneinigkeit kann höchstens insoferne bestehen, als jede der Parlamentsparteien die jeweils andere verantwortlich macht. Nur wenig deutet darauf hin, dass Trump, der ja ein belastetes Verhältnis zur “eigenen” (republikanischen) Partei hat, für den shutdown verantwortlich ist. Deswegen könnte,
  • zweitens, die Präsidentschaft als großer Gewinner aus der Krise hervorgehen; die Präsidentschaft, die sich bis zum letzten Moment demonstrativ bemühte, den Staats-Aussetzer abzuwenden und die sich in den kommenden Wochen als “Fels in der Brandung”, als handlungsfähiges Organ letzter Instanz darstellen könnte.
  • Eine schwer einzuschätzende Rolle spielt ein im Detail noch unbekanntes Memo, das dem intelligence committee vorliegt und das in den nächsten Tagen veröffentlicht werden wird. Es soll systemerschütternde (und verifizierbare) Informationen enthalten – z.B. über eine illegale Zusammenarbeit des Obama-Justizministeriums (DoJ) und des FBI mit der Hillary Clinton-Kampagne, wie spekuliert wird. Dabei soll der damalige Clinton-Konkurrent und heutige Präsident von Staatsorganen ausspioniert worden sein.“Nichts genaues weiß man aber nicht” solange das Schriftstück nicht veröffentlicht ist.

Bild: Public Domain, Michael Vadon via Wikimedia Commons

Edit, 21.1.2018, 06.00 Uhr: Erster Satz umformuliert. Dollfuß selbst hat von “Selbstausschaltung des Parlaments” gesprochen. Historiker sehen eher eine “Geschäftsordnungskrise”.

Faktum ist, dass drei Nationalratspräsidenten zurücktraten um mitstimmen zu können, was in den Statuten nicht vorgesehen war und eine ordnungsgemäße Beendigung der Sitzung verunmöglichte.

Dahinter steht der Verdacht, dass die parlamentarische Krise bloß zum Vorwand genommen wurde um das Parlament auszuschalten.

Unabhängiger Journalist

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