Ein britischer Ökonom mit einem wahrscheinlich einmaligen Einblick in Theorie und Praxis des westlichen Finanzsystems hat über die Asset Inflation, eine gemäß seiner Darstellung weltweite monetäre Seuche geschrieben. Es ist eine Krankheit, die von jenen Institutionen ausgeht, die vorgeblich geschaffen worden sind um eben die Plage der Finanzmarktinstabilität zu verhindern – den Zentralbanken, speziell der US-amerikanischen. Eine Besprechung.
Die jüngste “Krankheitsepisode”, von der das 2015 erschienene Buch seinen Ausgang nimmt, nennt Brown das Große Monetäre Experiment (GME) der Obama-Administration. Er meint damit die Geldpolitik der Fed in den Jahren 2009 bis 2014, die beschönigend mit Quantitative Easing bzw. vereinfachend mit Gelddrucken bezeichnet wird.
Es hat sich freilich weder um eine gymnastische Übung gehandelt noch sind Druckmaschinen angeworfen worden.
Das Federal Reserve System hat durch den Ankauf von Wertpapieren Zentralbankgeld, high powered money geschaffen, das in den bei der Zentralbank gehaltenen Reserven der Geschäftsbanken sowie in den Märkten für verschiedenste Vermögenswerte wieder aufgetaucht ist.
Sofern es in den Reserven steckte, konnten die Banken es benutzen, eine vielfache Menge davon als Kredit zu vergeben. Das ist zu normalen Zeiten Standardprozedur, das fand aus unterschiedlichen Gründen diesmal aber nur unzureichend statt – trotz der historisch beispiellosen Niedrigzinsphase.
Das ist nicht nur eine amerikanische Sache, auch wenn es lange so ausgesehen hat und ich mir selbst im Herbst 2014 noch nicht ganz sicher war, ob die Eurozone tatsächlich auch aus dem Flugzeug hüpft.
Mittlerweile ist klar, sie ist gehüpft – und wie -, und Mario der Zauberer ist Ben, dem Printer und seiner Nachfolgerin inzwischen ein gutes Stück voraus ( = bodennäher).
Hier, weil ich grad keine Fed-Grafik zur Hand habe, die Entwicklung der Bilanzsumme des Eurosystems via Querschüsse (was egal ist, weil es sich hier wie dort um die gleiche Geschichte handelt).
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Wenn das frische Zentralbankgeld in den Assetmärkten auftaucht, wird das mitunter auch Inflation genannt, Asset inflation beispielsweise bei Anleihen, Aktien und Immobilien.
Eigentlich war/ist diese Teuerung ursprünglich gar nicht beabsichtigt, zumindest nicht unmittelbar (im Alltag wird unter Inflation übrigens nur die Teuerung bei Verbrauchsgütern und Dienstleistungen verstanden – “Verbraucherpreise”).
Die Vermögensblasen, die aus der Inflation der Vermögenswerte entstehen, bedrohen nach Browns Sicht die Stabilität des gesamten Finanzsystems. Nur ein “Wunder” wie z.B. ein unerwartetes starkes Produktivitätswachstum werde sie daran hindern sich gewaltsam zu entladen.
Die historischen Exempel, die Brown in diesem Zusammenhang nennt, sind freilich keine Beispiele dafür, dass Krisen/”Busts” durch überraschende Stärkephasen der Realwirtschaft verhindert worden wären.
So haben Elektrifizierung und kick off der amerikanischen Autoindustrie in den 1920ern die Depression der 1930er nicht verhindert und die reale IT-Revolution der 1990er hat die Dotcom-Bubble und ihr Zerbersten nicht verunmöglicht. Browns Beispiele betreffen also nur Katatsrophen, die im Sinn der Tante Jolesch noch ein Glück waren.
Akademiker mit Praxis-Bezug
Brown ist/war head of research des japanischen Wertpapierhauses Mitsubishi UFJ und ist damit der seltene Fall eines “Theoretikers”, der angelesenes historisches Wissen mit dem intellektuellen Handwerkszeug des Investmentpraktikers verbindet.
Begriffe, die er verwendet - magisches Denken, Kompartmentalisierung oder verankern – stammen aus dem zweiten Bereich. Der ist theoretisch zwar auch unterfüttert – “behavioral finance” -, aber immerhin eine Domäne der Praktiker der Irreführung in den Zentral- und Investmentbanken.
Brown kennt seine ZB-Kumpels und ihre Eitelkeit und meint etwa in Richtung Ben Bernanke, unter mutig verstehe er etwas anderes und jetzt solle man einmal das Ende des Zyklus abwarten, ehe man mission accomplished rufe.
Dieser japanische Engländer ist zu allem Überfluss nämlich noch Österreicher und zeigt, dass der alte von Mises zwar ziemlich alt, aber noch lange nicht tot ist.
Mises hat schon in den 1920ern grob vorgedacht, was Typen wie Brown heute nach- und ausdenken (“excessive rise in the relative price of capital goods”) und darf damit die Großvaterschaft für Browns Global Monetary Plague beanspruchen (der DNA-Test ist eindeutig).
Ohne Mises hätte es Brown womöglich mit Ben Bernanke gut sein lassen und wäre nicht weiter zurückgegangen, zu Haruhiko Kuroda, Alan Greenspan und Arthur Burns, Marriner Eccles sowie Benjamin Strong (auch zu Mario Draghi und implizit Hjalmar Schacht).
Aber Brown hat sich bei den Österreichern irreversibel angesteckt und das Große Monetäre Experiment der Gegenwart ist für ihn nur ein Unterfall des Virus überschießende Ausweitung der Geldbasis, ob die historischen Akteure diese nun bewusst eingefädelt haben oder nicht.
So nimmt sich der Autor auf den Seiten 180 bis 197 das “QE” von Roosevelt & Co. vor, das 1937 in einen veritablen Crash gemündet ist - das den Ami-Regenten aber einfach so passiert ist.
Die Diagnose Browns ist völlig heterodox und die von ihm vorgeschlagenen monetären Reformmaßnahmen (127 – 156) sind noch viel schlimmer. Brown will einen fixen automatischen Mechanismus, der die Geldbasis um jährlich z.B. zwei Prozent ausweitet, auf sehr lange Zeit und damit basta.
Also einen (originalen) Goldstandard oder verfassungsmäßig verankerte Regeln, die dasselbe bewirken.
Das ist für den modernen Ökonomen natürlich ein no go, das man nicht einmal andiskutieren muss. Browns (scheinbare) Verteidigung der Deflation ist da nur mehr Sahnehäubchen.
Da tun nicht einmal mehr Leute mit, die mit dem Autor ansonsten eines Sinns sind, wie sich bei der Vorstellung des Buchs gezeigt hat:
Brendan Brown, A Global Monetary Plague: Asset Price Inflation and Federal Reserve Quantitative Easing. 2015
Ben Bernanke, The Courage to Act: A Memoir of a Crisis and Its Aftermath. 2015
Grafik: Querschüsse, UEBERW. REF.FBADA12090011223
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