Während sich kontinentale Medien in Gräuelpropaganda für das heimische Publikum üben, ist der Austritt aus der EU für die Hälfte der Briten eine realistische Option, siehe hier. Die volle Mitgliedschaft ist aber primär eine symbolische Frage – hüben wie drüben. Nirgendwo würde sich viel ändern. Die schlimmsten Folgen hätte ein Brexit für kritische EU-Mitglieder, die voll unter die Räder der Zentralisierungs-Fans in Brüssel und den Mitgliedsstaaten kommen könnten.
Viele der kontinentaleuropäischen Qualitätsmedien überbieten sich derzeit in Schauermärchen über die Austrittsfolgen - ganz so, als ob die Entscheidung der Engländer von der Leserschaft der Zeitungen in Deutschland oder Frankreich abhängen würde.
Es handelt sich meist um dieselben Medien, die für den Fall des Fernbleibens vom EWR der Schweiz den Untergang vorausgesagt haben – ebenso wie dem Finanzplatz London, wenn Großbritannien nicht dem Euro beitritt. Beide Vorhersagen waren falsch.
Eigentlich wäre jetzt eine Gräuelpropagandaschau quer durch die kontinentaleuropäische Presse angesagt, aber es findet offenbar niemand die nötige Zeit dafür.
Die Mehrheit besagter Medien geht noch immer davon aus, dass die EU-Mitgliedschaft ein Wachstumsmotor ist – was in der ersten Hälfte der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts zutreffend gewesen sein mochte – aber nicht mehr heute. Heute ist eine solche Annahme nur mehr absurd.
Zweitens wird unterstellt, dass britische Exporteure durch einen Austritt den Zugang zum EU-Markt verlieren würden.
Darauf sollte man sich aber nicht verlassen.
Das könnte theoretisch zwar Folge einer besonders dämlichen Austrittsverhandlungsführung sein, diese ist aber wenig realistisch. Nicht einmal die Leute aus dem Leave-Lager streben eine solche Zäsur an.
Sollte es wider Erwarten doch dazu kommen, wäre das
- zweifelsohne eine demonstrative Strafaktion von in die Enge getriebenen Glühenden Europäern und
- außerdem für die kontinentaleuropäischen Exporteure ziemlich schädlich. Es wäre ein Schuss ins eigene Knie.
Nach Artikel 50 des EU-Vertrags kann jeder Staat aus der EU austreten, muss die Bedingungen dafür aber mit der Union verhandeln,
wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird.”
Das bedeutet faktisch, dass mit den Modalitäten des Abschieds bereits die Eckpunkte der künftigen Beziehungen vereinbart werden und dass sich eine Abschottung der beiden Wirtschaftsräume nur ergeben wird, wenn beide Seiten das wollen/hinnehmen.
Dem aber würde nicht einmal Nigel Farage zustimmen, wenn er diese Verhandlungen führen würde (tatsächlich würde es wohl David Cameron sein).
Die naheliegendste Lösung für das Problem ist jedenfalls der Wiederbeitritt UKs zur EFTA, die 1994 zusammen mit der EU den EWR ins Leben gerufen hat. Dieser wiederum würde den Briten weiter vollen Zugang zum Binnenmarkt garantieren.
Das käme England etwas billiger als seine Vollmitgliedschaft heute, dafür hätte es aber keine Stimme im Rat der EU sowie im Ministerrat. Weil sich London schon bisher nicht schurigeln hat lassen und auf einer Reihe von sogenannten opt outs zu den europäischen Verträgen sitzt, würde “drinnen” oder “draußen” keinen großen Unterschied machen.
So kann UK seine Asylpolitik schon heute weitestgehend selbst bestimmen – jedenfalls muss es dabei keine Rücksicht auf Brüssel nehmen.
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Die geschilderte EFTA-Lösung wäre für den Fall, dass die Mehrheit der Engländer am 23. Juni für den Austritt votiert, der Plan B schlechthin. Sie wäre aber keine völlig sichere Bank und könnte durch den bösen Willen/die Unfähigkeit einer Seite durchaus hintertrieben bzw. “abgesagt werden”.
Das wäre im Fall eines österreichischen EU-Austrittswunschs ein wenig anders, weil der Status quo unmittelbar vor dem EU-Beitritt jener des EWR war – anders als im Fall Großbritannien. Es bedürfte bei Österreich einer verhandlerischen Gewaltaktion um über diese Tatsache hinwegzuturnen.
Die gravierendste politische Folge eines Brexit würde sich für andere Völker/Staaten ergeben, für alle, die nicht daran interessiert sind, von den Brüsselianern noch stärker an die Kandare genommen zu werden.
Die Kommissare Glühbirnenverbot und Gurkenkrümmung würden erst die Zugbrücke hochziehen und danach jeden Widerstand innerhalb der Stadtmauern zerquetschen – unter zustimmendem Gejohle der Mainstream-Journaille.
So etwas wäre keine bloß symbolische, sondern eine sehr reale Folge des Austritts Englands.
Bild: MOTORAL1987, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
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