Inzwischen in Athen … – Rückblick auf ein gründlich verlorenes Jahr

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Oxi-Demo am Syntagma, Juli 2015

Vor einem Jahr war die neue Koalition in Athen frisch im Amt und alle waren hoffnungsfroh, dass sich nun, nach der Entfernung der korrupten Volksparteien, irgendeine Lösung ergeben werde. Heute ist’s wie eh und je, nur dass die Lage der wirklichen Griechen (alle außer Steuerflüchtlingen und Beamten) schlechter geworden ist. Tsipras und Merkel liefern sich ein Rennen, wer das jeweilige Wahlvolk besser verarschen kann.

Das ökonomische Desaster hat sich nicht verändert – wenn man davon absieht, dass die Arbeitslosenrate von 25 auf 24 Prozent gefallen ist. Die links-rechte Koalition unter Alexis Tsipras tut nichts, was irgendwie als Reformmaßnahme interpretiert werden könnte (z.B. echte Effizienzmaßnahmen in der Verwaltung, vom sachgerechten Beamtenabbau bis zur Einführung eines Grundbuchs).

Die SYRIZA-Regierung wird nur tätig, wenn ihr das Geld aus- und die nächste Kredittranche wegzubleiben droht wie zuletzt, als die Regierungsmehrheit im Parlament an einem Sonntag 7.500 Seiten “Reformen” durchpeitschte, unter anderem eine weitere Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt sowie die Kürzung von “Ausgleichszulagen” für bestimmte Mindestpensionisten.

Im Gegenzug gibt’s demnächst wieder 7,5 Milliarden von der EU. Diese Knete wird auch dringend benötigt – zu vier Fünftel, um den Verbindlichkeiten gegenüber der Union nachzukommen und zu einem Fünftel, um das eigene Beamtenheer zu bezahlen.

Das Parlament des Hauptfinanciers, der Bundestag, musste zwar nicht über den Kredit abstimmen, durfte aber immerhin den Weg frei machen, wie Reuters das so schön umschreibt. Derlei kann man in einer Geschäftsordnungs-Demokratie zum Beispiel dadurch tun, dass

“wir als (Haushalts-)Ausschuss in Gänze keine Stellungnahme abgegeben (haben)”

Ein solches Bild kennt man in den Geberländern schon seit Jahren und auch in Griechenland selbst hat sich, wie gesagt, nicht viel verändert – Tsipras sei Dank.

Nicht einmal bei der versprochenen Aufarbeitung der sogenannten Lagarde-Liste hat sich Nennenswertes getan, obwohl das eigentlich ein ideologisches Anliegen von Tsipras & Genossen darstellen müsste, theoretisch.

Stattdessen ist der SYRIZA in der Hitze des Gefechts ein Gesetz durchgerutscht, das griechischen Politikern beinah wieder erlaubt hätte, sich an Briefkastenfirmen zu beteiligen – aber das hat man eh ganz schnell wieder rückgängig gemacht, wie’s in der Zeitung gestanden ist.

Die Blendereien der SYRIZA

Um einen mittlerweile schon älteren Slogan eines amerikanischen Politikers zu verwenden: Tsipras brachte den Griechen 2015 change, they could believe in.

Wenigstens aus der Sicht von vor einem Jahr. Im Jänner wurde erstmals gewählt und die Syriza ging eine Koalition mit der rechtspopulistischen Anel ein und bis zum Sommer wurde echtes Kasperltheater gegeben.

Damals hauten Tsipras und sein damaliger Finanzminister kräftig auf den Putz, beispielsweise bei den Verhandlungen um ein drittes Bail-out, als sie eine Volksabstimmung über die damit verbundenen Sparmaßnahmen ansetzten, die überraschenderweise mit Oxi, nein ausging: “Nein, wir wollen keine solchen Auflagen.”

Das hinderte Tsipras nicht daran, eine Woche danach bei den Verhandlungen in Brüssel dort fortzufahren, wo man stehengeblieben war – und später zu unterschreiben, ohne nennenswerte Zugeständnisse herauszuverhandeln (die Griechen wiederum hinderte das nicht, Tsipras im darauf folgenden Herbst wiederzuwählen).

Zwischendurch verlor Athen noch den Varoufakis-Zock, was insoferne ein Kunststück war, als es große Teile des politischen Establishments der EU in seinem Team hatte, siehe hier. Der Erfinder der Spielvariante, der brilliante Yannis Varoufakis, hatte sich böse verplappert und musste danach gehen.

Als Folge davon ist Griechenland heute noch immer nicht (teil)entschuldet, obwohl alle wissen, dass das Land seine Verbindlichkeiten nicht tragen und schon gar nicht zurückzahlen kann.

Die Blendereien der CDU

Ein “griechischer” Sieg beim Varoufakis Poker hätte Merkel & Schäuble mit der Ausrede ausgestattet, sie seien wohl oder übel gezwungen, einer formellen Schuldenstreichung zustimmen - höhere Gewalt sozusagen.

So wie die Situation jetzt ist, müssen die beiden deutschen Politicos, die wie Pech und Schwefel an ihren Ämtern kleben, bis nach der Bundestagswahl 2017 warten, um einer Schuldenstreichung zustimmen zu können.

Österreich, da hast du es besser: bei uns Ösis ist niemand mehr im Amt, der uns die Suppe mit eigener Hand eingebrockt hätte und bei den Finanzministern sind sogar schon drei Generationen vorbeigepilgert: Pröll, Fekter, Spindelegger, Schelling.

Gerade eben hat der IWF unzweideutig wieder gesagt, dass Hellas seinen Schuldenberg nicht tragen könne – nicht einmal mit den bestehenden Sonderkonditionen -, und dass ihm daher ein Teil seiner Verbindlichkeiten erlassen werden müsse.

Der Fonds denkt dabei natürlich primär nicht an sich, sondern an den europäischen Steuerzahler.

Auschließlich, um genauer zu sein.

Aus diesem Grund verhandelt er jetzt mit den Euros, ob diese ihm seine Forderungen nicht z.B. aus ihrem ESM ablösen wollen. Es würde sich ohnedies nur um 14 Milliarden handeln.

Na, die Eurostaaten haben im Prinzip nichts dagegen, weil erstens ist von der letzten Griechenland-Fazilität ohnedies noch ein bisserl was über und zweitens könnten die Zinsen für diesen Teil dann noch einmal um ein paar Basispunkte sinken – also her damit, zumal

im Gegenzug der IWF seine Forderung nach einem Schuldenschnitt für den Moment zurückstellen (würde).”

Hört sich fast wie eine Erpressung an.

Inhaltlich hat der Fonds mit seiner debt sustainability analysis übrigens recht, ist zu befürchten.

Was die einzig vernünftige Reaktion wäre

Einem Nackten kann man nicht in die Tasche greifen, ist der Satz, der mir dazu immer in den Sinn kommt – und jeder Versuch, das doch zu tun, endet damit, diesem die Haut bei lebendigem Leib abzuziehen.

Da ist es besser, den Tatsachen ins Auge zu sehen und bereits Verlorenes verloren zu geben.

Meinethalben soll man hier, bei uns, die unmittelbar Beteiligten an diesem Pfusch vor Gericht zu stellen, ansonsten aber die Achseln zucken und die verlorenen Milliarden als Lehrgeld verbuchen. Und umittelbar danach mit der idiotischen Hin- und Herborgerei aufhören, auch mit jener über die Notenbanken. Das ist besser für die Deutschen und Österreicher, aber auch für Griechen jeder Nation.

Man sollte sich an den Gedanken gewöhnen, dass auch eine Volkswirtschaft auf die Dauer nicht mehr ausgeben kann als sie einnimmt und dass die dazugehörigen Subjekte selbst die Konsequenzen tragen müssen, wenn sie das doch versucht.

In einem solchen Fall lässt sich z.B. noch darüber streiten, welche Gruppe wieviel zu tragen hat – aber das ist eine Angelegenheit für die engere Familie, in die sich keine EU und keine EZB einzumischen haben.

Bild: Ggia, Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 

Unabhängiger Journalist

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