Das Ö1-Mittagsjournal, das einst als eine Art “Goldstandard” aktueller Information gegolten hat, segelt voll auf Linie der regierenden Koalition und der ihr ergebenen loyalen Opposition. Das zeigt eine schnelle Analyse der dem Thema gewidmeten ersten Hälfte der Sendung vom 29. Dezember. Vom gesetzlich normierten öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag, der schon bisher “kaum gelebt wurde”, ist nur mehr eine Art Lippenbekenntnis übrig geblieben.
Die ersten beiden Beiträge bis 12:17 sind dem vom Corona-Regime verordneten verkürzten Sperrstunden auch zu Silvester und dem dagegen gerichteten”Widerstand” einiger Gastro-Funktionäre gewidmet.
Dieser Blogger verzichtet der Kürze halber auf dieses Thema und erinnert nur daran, dass die nationale (“all cause”) Übersterblichkeit nach den letztverfügbaren Daten des Europäischen Sterbeobservatoriums innerhalb der normalen Schwankungsbreite liegt (= eine Standardabweichung – siehe dazu etwa den z score auf euromomo.eu).
Der dritte Beitrag widmet sich dem Vorschlag der größten Oppositionspartei, sg. Auffrischungs-Impfungen mit einem Bonus von 500 Euro zu belohnen.
Unüberhörbares Leitmotiv ist dabei die “Sorge” unserer sich demokratisch nennenden Politicos über die zunehmende Impf-Müdigkeit der Leute.
Im Beitrag wird die Reaktion aller Parlamentsparteien abgefragt, was klar dem Ausgewogenheitsgebot im öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag entspricht (die Reihenfolge, wann wer zu Wort kommt, ist eher zweitrangig).
Die Grünen und die ÖVP lassen sich eine Zustimmung zum SP-Vorstoß offen, erklären aber, sie strebten eine Erhöhung der Impfquote an. Es folgt das abschließende Zitat einer VP-Politikern:
Jetzt, wo Omicron vor der Türe steht, ist das unglaublich wichtig (gemeint ist offenkundig die höhere Impfquote).”
Während beim fraglichen Beitrag einer parteipolitisch verstandenen “Ausgewogenheit” Genüge getan worden sein mag, entstehen bei anderen public value-Vorgaben für ORF-Redakteure riesige Fragezeichen,
z.B. bezüglich der ebenfalls gebotenen “sachgerechten Auswahl von Nachrichten und der Vollständigkeit der Berichterstattung”.
Es stellt sich z.B. die Frage, ob die Journal-Redaktion fragwürdige bis manifest falsche Prämissen, unter denen diskutiert wird, “einfach so” stehen lassen kann, gerade in Fragen, die für das politische System von essenzieller Bedeutung sind
(bei Trump wurde in viel weniger eindeutigen Fällen durch angebliche Factchecker umgehend “zurecht gerückt”).
Zum Beispiel bei der für diese Diskussion zentralen Annahme, dass “mehr impfen gegen die Verbreitung der Pandemie hilft”. Hier hätten womöglich zwei Sätze in der Zwischenmoderation das Bild bereits ändern können.
Der Befund war/ist schon bei “Delta” fragwürdig und wird bei Omicron noch dubioser, wie u.a. offizielle Daten aus Großbritannien, Dänemark und Australien nahe legen.
- Wie Public Health England (PHE) wöchentlich berichtet. scheinen die “Geimpften” mit Ausnahme ganz Junger und ganz Alter eine höhere Wahrscheinlichkeit zu haben, sich zu “infizieren” – siehe den letzten, schon vor 6 Tagen erschienenen Bericht von Woche 51. PHE will diese Werte nicht verglichen wissen und nennt sie daher “unadjusted” – aber einigermaßen haltbare “Bereinigungs-Faktoren” sind schlicht und einfach nicht verfügbar. Am liebsten wäre es der PHE wohl, wenn über diese ihre speziellen Daten geschwiegen würde (der Vorbehalt gilt übrigens auch für Hospitalisierungen, Todesfälle, etc.) Tatsächlich würde es sich hier um eine ziemlich komplexe Diskussion über das Verhalten spezieller Altersgruppen handeln, die einigermaßen seriös nur auf Basis umfangreicher Umfragen abgehandelt werden könnte. Weil es in diesem Fall aber nicht wirklich “um die Stellen hinter dem Komma”, sondern um Größenordnungen geht, kann auf Basis von Tabelle 11 behauptet werden, dass “Impfungen” zwar bei Spitalsaufenthalten oder Todesfällen Vorteile bieten, nicht aber bezüglich Ansteckung und Weiterverbreitung – alles auf Basis der bisher dominanten Delta-Variante, wohlgemerkt.
- Die unmittelbare Zukunft heißt aber “Omicron”, wie auch jeder hyperventilierende Politico weiß. Bei dieser Mutation scheint es so zu sein , dass diese – auf 100.000 normalisiert, aber nicht adjusted – vor allem zwei Mal “Geimpfte” und Geboosterte befällt – und zwar viel stärker als es die bisherigen Delta-Zahlen aus dem Vereinigten Königreich zeigen. Siehe dazu andere Daten aus Großbritannien, Dänemark (siehe auch hier) oder aus dem mittlerweile semi-totalitären, “durchgeimpften” Australien. Das kanadische Ontario soll auch so ein Fall sein. Das alles ist international seit Tagen bekannt – nur die hiesigen Politicos und ihre Hofberichterstatter tun, als hätten sie nichts davon gehört und gesehen. Darf die ORF-Information wirklich so uninformiertt sein wie sie vorgibt, oder ist derlei schon gesetzeswidrig?
Fazit: Noch ist die Datenlage relativ dünn
- aber das wird sich zweifellos binnen Wochen ändern, sobald Omicron Delta ersetzt hat.
Bisher jedenfalls weisen die “Einzelstudien” alle in diesselbe Richtung – die unseren Politicos und ihren medialen Liebedienern entgegengesetzte.
Letztere bedienen in diesem Fall nicht allein eine Regierung (wie früher), sondern das gesamte Kartell der Parlamentsparteien mit der (bisherigen) Ausnahme der FPÖ.
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