Demokratur á la française: Zu den eigentümlichen 100 Stimmbezirken

Man hat mich gebeten, die 100 aus der Art schlagenden Stimmbezirke der zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen namhaft zu machen und das Ergebnis ggf. mit einem Link auf die sachkundigere lokale Presse zu untermauern. Das ist mir nicht möglich. Ich kann nur noch einmal feststellen: République en marche hat, wenn man die Maßstäbe der Wahlgänge ab 2002 anlegt, “um fast 100 Abgeordnete zu viel”. Macron dürfte auf Basis dieses Wahlergebnisses eigentlich über keine absolute Mehrheit verfügen, nicht einmal mit dem französischen Wahlrecht.

Die grundsätzlichen Überlegungen sowie die Tabelle zu dieser Sichtweise finden sich in meinem Eintrag vom Tag nach der Wahl, hier. Seither hat sich nur das aktuelle Ergebnis etwas verändert.

Statt 361 Sitze hat République en marche nur 350 Sitze errungen, so das Endergebnis gemäß Wikipedia.

Der Abweichungsfaktor in der letzten Zeile (Stimmen/Mandate) müsste jetzt richtig 188,2 ausmachen (statt 193,8). Das macht für meine Beurteilung:

Macrons République en marche fiel am Sonntag auf gegenteilige Weise aus dem Rahmen – oder noch besser: seine Wahlbewegung sprengte das gesamte Bild.”

keinen Unterschied.

Noch einmal die Überschlagsrechnung hinter diesen meinen Behauptungen:

Wenn République en marche wie die Wahlblöcke der Präsidenten vor Macron um 40 Prozent mehr Mandate bekommen hätte als seinem Stimmenanteil entsprechen würde, müsste die Bewegung auf 261 Sitze kommen (was weit von einer Mehrheit entfernt wäre).

577 * 0,323 * 1,4 = 260,9

REM hat aber 350 Sitze erreicht, also um 89 mehr – was wiederum 88 Prozent mehr sind als im hypothetischen Fall eines perfekten Verhältniswahlrechts.

Das Wahlrecht hat sich seit 2002 nicht wesentlich verändert.

Nun könnte man den Marketing-Claim der Macron-Bewegung ins Treffen führen und behaupten, dass die “52 Prozent Kandidaten aus der Zivilgesellschaft” den Unterschied ausgemacht hätten.

Das ist, mit Verlaub, äußerst fragwürdig. Politikunerfahrene Quereinsteiger bringen bei Wahlen üblicherweise nur dann etwas, wenn sie prominent sind.

Bleibt eigentlich nur die Erklärung, dass scheinbare Konkurrenzparteien gezielt in 100 (89) ausgewählten Wahlbezirken den Wettbewerb “zurückgenommen” haben.

Dass Melenchon da mitgespielt hat, ist möglich, aber nicht sicher. Primär Verdächtige sind zweifellos Republikaner und Sozialdemokraten.

Welche die Wahlbezirke mit den Kartellpraktiken waren, kann man aus der Ferne nur schwer beurteilen.

Man müsste diese einzeln durchgehen und ihre besonderen politischen Umstände bewerten. Das wäre “informationsmäßig” vielleicht in Essonne möglich, nicht aber bei den anderen 576 Wahldistrikten.

Edit 1, 210.6. 9.20: Sinnstörenden Fehler beseitigt “40 Prozent mehr Mandate” (statt “Stimmen”).

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.