Deutsche Wahlen – Weitermachen wie bisher, “es ist neue Normalität”

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben Verluste für die früheren Volksparteien und ein Erstarken der Rechtspopulisten gebracht und im Kommentariat ist vielfach von einer “Quittung” für die herrschenden Mächte, einer “Abwahl auf Raten” oder einer “Rebellion” der Bürger die Rede.  Das ruft unrealistische Erwartungen hervor. Bei uns in Österreich werden die alten Mächte seit 30 Jahren “auf Raten abgewählt” und sitzen noch immer fest im Sattel. NB: Die grüne Blockpartei eilt zu Hilfe.

Das geht auf zahlreiche Gründe – in der Öffentlichkeit bekannte und weniger bekannte - zurück, die hier nicht alle abgehandelt werden können. Die drei wichtigsten sind, dass

  • SPÖ und ÖVP lange auf einem enormen politischen Kapital gesessen sind und dieses buchstäblich Jahrzehnte benötigt, bis es aufgezehrt ist. Bis in die Achtzigerjahre belief sich ihr Wähleranteil auf 90, heute liegt er um die 50 Prozent.
  • Zweitens bekommen die alten Kartellparteien Zuzug aus neuen, hipper wirkenden Bewegungen, die sich in ihrem Auftreten und in politischen Details, nicht aber in der Substanz von den ehemaligen Großparteien unterscheiden. In Österreich sind es die Grünen, die als die zeitgemäßeren Sozialdemokraten und die NEOS, die als die zeitgemäßeren Volksparteiler erscheinen.

Diese (relativ) jungen Bewegungen entsprechen dem, was man zu DDR-Zeiten Blockparteien genannt hat. Sie helfen SPÖ und ÖVP in jenen seltenen Fällen, in denen diese eine Verfassungsmehrheit benötigen und stehen als Reserve zur Verfügung, wenn die Stimmen der ehemaligen Volksparteien unter die 50 Prozent fallen.

  •  Die “Ausgrenzung”/laufende Diffamierung der einzigen großen Nicht-Kartellpartei v.a. durch die Medien war insofern erfolgreich, als in der politischen Klasse eine (“echte”) Beteiligung der FPÖ an den Regierungsgeschäften als peinlich bis undenkbar gilt.

In jahrzehntelanger Propaganda wurden die Freiheitlichen gründlich als antidemokratisch und protofaschistisch gebrandmarkt, obwohl diese meist Positionen vertreten, die SPÖ bzw. ÖVP noch in den 1980ern vertreten haben. Die Dämonisierung der Blauen trug vor allem bei den nachrückenden Akteuren in den anderen Parteien Früchte. (Nur in den Wahlzellen scheint diese Ausgrenzung nicht mehr zu funktionieren; da wird das Nazismus-Mem immer stärker als politische Taktik durchschaut).

Kurz, die Spin-Doktoren der etablierten Parteien sagen sich, dass die oben geschilderte Entwicklung der Gang der Zeit sei: “Das ist eben die neue Normalität.” 

Für sie läuft das unter “Zersplitterung der politischen Landschaft”. Sie sehen es als natürliches Phänomen, das nicht zwingend zu einem Machtverlust führen muss. Es ist ein Trend wie die Liberalisierung des Äthers (“Rundfunkliberalisierung”), der die großen Öffentlich-Rechtlichen massiv Marktanteile gekostet hat, ohne dass diese ernsthaft darunter gelitten hätten.

Es kommt halt d’rauf an, das politische business model ein bisschen zu verändern, sagen die Spin-Doktoren.

Die Kooptierung der Me too-Parteien ist eine solche Veränderung. Sind die einmal fest im Kartell verankert,  kann ruhig ein Grüner Minister- (Baden-Württemberg) oder Bundespräsident (Österreich?) werden. Ein Ergebnis wie in Rheinland-Pfalz stärkt alle Blockparteien massiv – trotz des “Wahlerfolgs” der AfD. In Sachsen-Anhalt ist nicht mehr als eine leichte Änderung des politischen Systems vonnöten, etwa indem die Grünen in den Kreis der Regierungsparteien aufgenommen werden. 

So sind sie eben, die neuen politischen Zeiten. Das kann auch in Deutschland noch jahrzehntelang weitergehen. Jahrzehnte – jedenfalls aber so lang als das politische Kartell es schafft, die katastrophalen Konsequenzen seiner Politik zu verbergen (z.B. seiner Steuer- und Immigrationspolitik). Sobald das nicht mehr gelingt, schlägt das letzte Stündlein der Demokratie. 

Nachbemerkung zur Neuen Einheitspartei Deutschlands (NED) – jetzt hoppeln auch die Grünen zu Hilfe, 6.3.2016, 2.00 Uhr: Wir in Österreich haben nicht viel, wo wir den Deutschen voraus sind, aber in Sachen demokratische Blockparteien haben wir hier schon ein paar Jährchen Vorsprung, gelle Herr Trittin:

Trittin_stimmt_einNa, simmer froh, dass die Deutschen zu 80 Prozent hinter der (Flüchtlings)Politik von Mutti Merkel stehen, die auch die Politik der restlichen NED ist, wie die Deutschen das am Wahlabend von UvdL erfahren durften.  :mrgreen: 

Na – wenn’s gegen die AfD geht, ist ja für einen guten Zweck.

Blöderweise dann das in der ARD:

chart_8896719

Jetzt täten mich glatt die echten, nicht weichgespülten Zahlen von dimap interessieren ! 

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.