Die NGOs als Totengräber der Zivilgesellschaft

Auf mehrfache Weise nutzen NGOs geschickt die breiten Möglichkeiten des Vereinsrechts aus, um ihre politische Agenda durchzusetzen. Dadurch höhlen sie die Bedeutung des Vereinswesens zunehmend aus, das mit seinen rund 124.000 Vereinen in Österreich tatsächlich Fleisch und Knochen der österreichischen Zivilgesellschaft darstellt. Von Gregor Hochreiter

Seit einigen Jahren gelten sie als das Herzstück der modernen Demokratie: die Nichtregierungsorganisation, die meistens mit ihrer englischsprachigen Abkürzung als „NGOs“ bezeichnet werden.

Der damalige Kurier-Herausgeber und jetzige NEOS-Nationalratsabgeordnete Helmut Brandstätter hatte in einem Kommentar die NGOs sogar als „Träger der Demokratie bezeichnet, womit er eine weit verbreitete Auffassung wiedergab.

Zudem werden die NGOs als wichtiger Teil der „Zivilgesellschaft“ gepriesen, wenn nicht sogar mit dieser gleichgesetzt. Doch hinter diesen wohlklingenden, geradezu religiös aufgeladen Begriffen versteckt sich eine gänzlich andere Realität.

Von Parteien und Vereinen

„Träger der Demokratie“ im engeren Sinne sind zweifelsohne die Parteien, durch die die politische Willensbildung erfolgt. Träger einer breiten, starken Bürgergesellschaft sind ihrem ureigensten Verständnis nach die Vereine, die den höchst unterschiedlichen Interessen der Bevölkerung eine Rechtsform zum gemeinsamen Tun zur Verfügung stellen.

Vereine sind die dem liberalen Staatsverständnis des 19. Jahrhunderts entsprechende freiwillige gesellschaftliche Organisationsform, die die ständischen Organisationsformen, deren verpflichtete Mitgliedschaft vom Berufsstand oder der Geburt nach begründet wird, abgelöst haben.

Auch wenn gerade in Österreich aus historischen Gründen viele Vereine eine parteipolitische Färbung oder weltanschauliche Ausrichtung haben bzw. hatten und damit mittelbar partei- und machtpolitische Zwecke (mit-)verfolgen, ist im Unterschied zur Partei die Vereinstätigkeit stark nach innen, d. h. auf die Mitglieder, gerichtet.

Sie deckt viele Lebensbereiche des Menschen ab, die zur Eindämmung der Politisierung der Gesellschaft nicht den Parteien selbst überlassen werden sollen.

Über NGOs

NGOs bedienen sich im Regelfall der rechtlichen Organisation eines Vereins, obwohl sie wesentliche Merkmale eines Vereins – Mitgliederorientierung, primäre Innenausrichtung, breite Willensbildung und breites Stimmrecht, (nahezu) ausschließliche Ehrenamtlichkeit, vorrangige Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge und Spenden aus vom Verein organisierten Veranstaltungen – nicht oder nur teilweise erfüllen.

In Deutschland hat es diesbezüglich bereits ein ebenso aufsehenerregendes wie wegweisendes Urteil gegeben. In seinem Urteil vom 10. Jänner 2019 hat der deutsche Bundesfinanzhof dem deutschen Ableger von „Attac“ die Gemeinnützigkeit aberkannt.

Die Auswirkungen dieses noch nicht letztinstanzlichen Urteils sind weitreichend.

Damit sind Spenden an „Attac“ nicht mehr steuerlich absetzbar. Der Bundesfinanzhof begründet seine Entscheidung damit, dass “Attac” versuche, die politische Meinung zu beeinflussen, anstatt zur mit der Gemeinnützigkeit zu vereinbarenden politischen Bildung beizutragen.

Da Spenden an politische Parteien nicht absetzbar sind, können es Zuwendungen an “Attac” ebenso wenig sein, sofern “Attac” versucht die politische Meinung zu beeinflussen, also sich politisch betätigt.

NGOs keilen um Spender, statt um Mitglieder zu werben

Auf den Webseiten einschlägiger NGOs wird wesentlich intensiver um Spender geworben als um Mitglieder, und insofern um Mitglieder geworben wird, stehen meist Fördermitglieder ohne Stimmberechtigung höher im Kurs als stimmberechtigte (Förder-)Mitglieder.

Beispielhaft sei auf die Webseite von „Zara“ verwiesen, die die Möglichkeit einer Spende und einer Fördermitgliedschaft erwähnt, nicht aber den Beitritt als gewöhnliches, sprich stimmberechtigtes Mitglied, anführt.

Zara - Spender statt MitgliederBesonders dreist agiert „Attac Österreich“. Geht man auf die Webseite www.attac.at und dann auf die Unterseite „Mitglied werden“, ist in der Eingabemaske „Attac Mitglied werden“ (siehe Screenshot) als Standard die Mitgliedschaftskategorie „Fördermitglied“ eingestellt mit einem – veränderbaren – Jahresbeitrag von 90 Euro.

Attac - FördermitgliedDas nur halb so teure „Standard-Mitglied“ muss hingegen aktiv ausgewählt werden. Mehr noch, das Fördermitglied ist laut den im Internet auffindbaren Statuten mit Stand 4. Mai 2016 nicht stimmberechtigt, das Standard-Mitglied, sofern sich dahinter ein ordentliches Mitglied im Sinne §3, Absatz 1 der Statuten handelt, hingegen schon.

Vereine im eigentlichen Sinne verweisen dagegen auf die „ordentliche Mitgliedschaft“, denn ein Verein wünscht sich ja die aktive Mitarbeit des Neulings in der Vereinsarbeit zum Wohl und Vorteil insbesondere der Mitglieder. Und im Sinne des demokratischen Urgedankens wird das aktive wie passive Wahlrecht den allermeisten Mitgliedern zugestanden.

Das Verhältnis zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern ist somit viel enger als bei NGOs zu ihren Spendern und (nicht stimmberechtigten) Mitgliedern, deren einziger Kontakt zur NGO häufig nur die monatliche oder jährliche Überweisung des Geldbetrags ist. Deswegen müssen NGOs auch fortlaufend um neue Spender werben, häufig sogar durch Keiler auf der Straße. Die Ausgaben für die Spenderwerbung sind daher durchaus beträchtlich, wie folgende Beispiele zeigen:

 Bei Vereinen sind Ausgaben für die Mitgliederwerbung völlig untypisch.

NGOs haben wenige stimmberechtigte Mitglieder

Ein entscheidendes Element beim Verein als Körperschaft ist, dass die Mitglieder den Verein konstituieren. Das kann mitunter zur Folge haben, dass selbst langgediente Präsidiumsmitglieder in einer Generalversammlung abgewählt werden.

Daher obliegt es typischerweise dem Vorstand, über eine Aufnahme eines neuen Mitglieds zu entscheiden. Dadurch wollen insbesondere weltanschaulich geprägte Vereine oder etwa Fußballvereine verhindern, dass Konkurrenten den Verein kapern, indem sie Mitglied bei einem Verein werden.

Weitere Einschränkungen wie eine Mindestmitgliedschaftsdauer von mehreren Jahren zur Ausübung des aktiven oder passiven Wahlrechts stehen diesem Prinzip nicht entgegen.

NGOs legen diese gerechtfertigten Einschränkungen aber häufig sehr eng aus, zusätzlich zu dem oben erwähnten Versuch, Interessenten lediglich zum Spenden oder zum Abschluss einer Fördermitgliedschaft ohne Stimmrecht hinzuleiten.

Beim in Österreich registrierten Verein „Greenpeace in Zentral- und Osteuropa“ kann beispielsweise nur jemand „ordentliches Mitglied“ werden, der von einem „Search Committee“ ausgewählt und anschließend vom Vorstand mit 2/3 der Stimmen aufgenommen wird (§5, 1., Statuten des Vereines ”GREENPEACE in Zentral- und Osteuropa”). Und nur ordentliche Mitglieder sind bei der Generalversammlung stimmberechtigt.

Dass die starke Eingrenzung und die strenge Auswahl der stimmberechtigten Mitglieder durchaus üblich ist, belegen auch die Antworten auf der Webseite von „Greenpeace Deutschland e. V.“ auf die beiden Fragen: 1) Wie viele Mitglieder hat Greenpeace?2) Wie kann ich Mitglied bei Greenpeace werden? Beide Male wird ausschließlich auf die Fördermitgliedschaft verwiesen, die in der Ausgestaltung von „Greenpeace Deutschland e. V.“ eben keine Mitsprache in den Vereinsangelegenheiten begründet.

„Greenpeace Deutschland e. V.“ hat die Anzahl der stimmberechtigten Mitglieder laut Satzung auf 40 begrenzt, wobei die in den Statuten aufgezählten 4 Gruppierungen – „Stichting Greenpeace Council“, „Ehrenamtlich Tätige“, „Mitarbeiter des Vereins“ sowie die von der Personenfindungskommission des Vereins Nominierten – jeweils 10 stimmberechtigte Mitglieder entsenden – siehe hier §4 Abs. 4.

Wie unerwünscht Mitglieder bei NGOs sind, zeigt auch der folgende Screenshot der Liste unter dem Reiter „Was kann ich tun?“ auf der Webseite von „WWF Österreich“.

Versteckt als achter von zehn Punkten findet sich „Werden Sie Mitglied beim WWF Österreich“. An erster Stelle wird – wenig überraschend – der Punkt „Spenden Sie online für den WWF“ angeführt.

WWF - Liste des Mitmachens

Im Regelfall zeichnen sich NGOs also durch eine geringe Anzahl an stimmberechtigten Mitglieder aus, sofern überhaupt eine Zahl in den Jahres- und Tätigkeitsberichten zu finden ist. Das ist für Organisationen, die sich gerne als Teil der „Zivilgesellschaft“ und der „breiten Öffentlichkeit“ verstehen, mehr als verwunderlich.

NGO

Stimmberechtigte Mitglieder

WWF Österreich

“rund 8.000″

Greenpeace in Zentral- und Osteuropa

keine Angabe

Amnesty International Österreich

1.178

Global 2000

keine Angabe

Zara

keine Angabe

Attac

“knapp 5.000″

 Zum Vergleich die Mitgliedszahlen von Vereinen querbeet durch die österreichische Vereinslandschaft:

Verein

Stimmberechtigte Mitglieder

Blasmusikverband

110.948

PPÖ

ca. 85.000

Rapid Wien

16.540*

Schützen Tirol

18.286 + 2.930 weitere Mitglieder

*) 3jährige durchgängige Mitgliedschaft Voraussetzung für die Ausübung des aktiven Stimmrechts

Um von diesem Umstand abzulenken, verweisen NGOs in der medialen Außendarstellung oder in Werbebroschüren auf die Frage nach der Mitgliederanzahl auf die „fördernden Mitglieder“ oder die „Spender”. Zugleich soll damit die (gesellschafts-)politische Bedeutsamkeit möglichst groß erscheinen.

 Diese Vorgehensweise der NGOs ist ungefähr so, als würde ein Verein zusätzlich zur Erwähnung seiner Mitglieder all jene Personen als Unterstützer mitzählen, die bei einer Vereinsaktivität ein Bier kaufen, um dadurch den Verein finanziell zu unterstützen.

Folglich spielen die Mitgliedsbeiträge in den Einnahmen der NGOs eine untergeordnete Rolle, sofern überhaupt Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen verbucht werden. „WWF Österreich“ weist in seinem Jahresbericht 2019 Mitgliedsbeiträge im Umfang von 442.000 Euro aus, das Spendenaufkommen beträgt dagegen 8,3 Millionen Euro. „Amnesty International Österreich“ erhält lediglich 29.278 Euro an Mitgliedsbeiträgen, dafür knapp 6,5 Millionen Euro an Spenden. Keine Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen haben zum Beispiel „Greenpeace in Zentral- und Osteuropa“, „Global 2000“ und der VCÖ.

Wenn NGOs ihre Haupteinnahmen von staatlicher Stelle erhalten wie beispielsweise „Zara“- 2019 machten Subventionen von staatlichen Stellen fast 70% der gesamten Einnahmen aus -, dann fällt es überhaupt schwer, von einer Nichtregierungsorganisation oder einer Organisation der Zivilgesellschaft zu sprechen.

Hohe Personalkosten bei NGOs

Auffällig ist des Weiteren auch der hohe Personalaufwand, der zumindest für gewöhnliche Vereine völlig untypisch ist.

Im alltäglichen Umgang gelten die Begriffe Ehrenamt und Verein weitgehend als nahezu deckungsgleich. Bei vielen kleinen Vereinen ist es sogar nicht unüblich, dass selbst Spesen oder gewöhnliche Aufwendungen des Vereinslebens nicht oder nur zum Teil von den Vereinen übernommen werden.

Dass man jedenfalls keinen finanziellen Nutzen aus der Vereinstätigkeit zieht, oder neben Zeit auch noch Geld zusätzlich zum Mitgliedsbeitrag in die Vereinsarbeit investiert, ist ja der Kern des ehrenamtlichen Engagements.

 „Attac Österreich“ hat bei Gesamtausgaben von knapp über 500.000 Euro im Jahr 2019 Personalkosten von fast 350.000 Euro oder 70%, „Zara“ verbucht bei Gesamtausgaben von rund 750.000 Euro einen Personalaufwand von über 540.00 Euro oder rund 72%, „Amnesty International Österreich“ beschäftigt laut eigenen Angaben nicht weniger als 42 Personen hauptamtlich und nur 2 Mitarbeiter ehrenamtlich.

Es ist ein Schlag ins Gesicht aller ehrenamtlich Tätigen, insbesondere in Vereinen, aber auch in den Parteien, wenn angesichts eines solch hohen Anteils der Aufwendungen für hauptamtlich Beschäftigte, die NGOs als wesentlicher Teil der „Zivilgesellschaft“ gepriesen werden.

Natürlich ist es nicht ehrenrührig, einer entlohnten Tätigkeit nachzugehen. Ebenso wenig ist es ehrenrührig, sich für den Umweltschutz, die Menschenrechte oder eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen, was auch immer man darunter verstehen mag. Aber Teil der – oder sogar die – Zivilgesellschaft sind die NGOs deswegen noch lange nicht.

NGOs wirken vornehmlich nach außen, nicht nach innen

Die Aktivitäten einer NGO sind vornehmlich an Dritte – Adressaten im Sinne des Vereinszwecks bzw. die öffentliche Meinung – gerichtet, nur in den seltensten Fällen an die Mitglieder selber.

Die Mitglieder und Spender einer NGO profitieren vorrangig dadurch, dass Projekte in ihrem Sinne umgesetzt werden, deren Nutznießer aber Dritte oder die Allgemeinheit sind.

Daher sind bei NGOs die Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit dementsprechend hoch. Bei Vereinen sind die Mitglieder sowohl Adressaten des Vereinszwecks als auch Träger der Vereinsaktivitäten, und das sowohl in der alltäglichen Vereinsarbeit sowie bei Aktivitäten, die neben der Geselligkeit zur Gewinnung von Spenden organisiert werden – Stichwort Feuerwehrfeste.

Nur links-liberale Gruppierungen qualifizieren sich als NGO

Unterstützer wie Gegner der NGOs stimmen in einem Punkt überein. Während der Begriff des Vereins keine weltanschauliche Prägung aufweist, ist jener der NGO zweifelsfrei weltanschaulich geprägt.

Nur jene Nichtregierungsorganisationen, sprich Vereine, werden als „NGOs“ bezeichnet, die Themen des links-liberalen Politikspektrums bedienen, ebenso wie „die Zivilgesellschaft“ nur dann aufbegehrt, wenn Demonstranten links-liberale Parolen schwingen.

Gehen Demonstranten für andere – meist als rechtspopulistisch konnotierte – Themen auf die Straße, ist nie von der Zivilgesellschaft die Rede, sondern vom „Mob“, „Pöbel“, „Rechtsextremen“ oder neuerdings von „Covidioten“.

Ebenso wird für Vereine, die in die Organisation von Demonstrationen zu diesen Themen eingebunden sind, niemals der Begriff NGO verwendet, ebenso wenig für die örtliche Blasmusik, die Pfadfindergruppe oder den Kleingartenverein.

Fazit

Unabhängig wie man zur inhaltlichen Ausrichtung der NGOs steht – NGOs sind im besten Fall eine hybride Mischform zwischen Vereinen und Parteien, wenn nicht sogar Unternehmen.

Diesem Umstand sollte durch ein eigenes NGO-Gesetz Rechnung getragen werden, damit die Grenzen, in denen NGOs tätig werden können, klar bestimmt sind. Das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes ist dahingehend ebenso richtungsweisend, wie es Anstoß für eine breite Debatte sein sollte.

Dass die NGOs höchst einflussreich sind, zeigt in Österreich beispielhaft gerade auch die Bestellung von Leonore Gewessler (Grüne) zur Umwelt- und Klimaschutzministerin.

Die fünf Jahre davor war sie Geschäftsführerin von „Global 2000“, einer NGO. Und zu den Gesprächen am 18. Mai 2020 über ein Konjunkturpaket hat sie zahlreiche NGOs eingeladen, darunter auch „Global 2000“, eine NGO, die, wie so viele andere, keinen einzigen Euro an Mitgliedsbeiträgen einnimmt.

Mit Zivilgesellschaft hat das genau so viel zu tun, nämlich null.

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