Um gegen Energiewende-Propaganda immun zu werden, sollte man für eine große Spedition gearbeitet haben – wie Alice Friedemann, Autorin von When Trucks stop Running. In ihrem nur 130 Seiten langen Text tragen auch griffigste Säger das Gewicht langjähriger Recherche. Wie dieser: “We are headed toward a day not too far away, when the system as we know it will break down. We will not have enough transportation fuel to sustain our way of life. Denial is not a strategy.” NB zu peak oil.
Frust-tolerante Friedemann-Leser sollten sich auf ein Feuerwerk von Fakten, sowie (zugegeben) Urteilen einstellen – die freilich nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sind.
Psychologische Ferndiagnosen der Autorin sind jedenfalls von beschränktem Wert.
Ein erster Schock breitet sich aus, sobald der geneigte Leser gewahr wird, dass das, was ihm bisher als das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Energiewende erschien, die Elektrizitätserzeugung, als scheinbar nicht besonders wichtiger Faktor an das Ende des Texts gerückt wird (zu Recht, weil Strom nur etwa 20 Prozent des Endenergieverbrauchs ausmacht).
Der zweite stellt sich ein, ist erst die Banalität gesickert, dass unsere materielle Umgebung nur wg. Straßen, Lkw. und nicht erneuerbarer Energie dort steht, wo sie sich befindet:
Beinahe alles in unserer modernen Welt befand sich irgendwann einmal auf einem Lkw, auch wenn es nur auf der letzten Meile war: die Möbel und das Baumaterial für jedes Haus, Geschäft, jedes Büro und jede Fabrik, das Essen vom Setzling über die Ernte, bis zur Herdplatte und zum Anrichteteller; und sogar der Asphalt und der Beton auf den Straßen, über die die Nutzfahrzeuge fahren.”
Die in den USA fahrenden 10 Millionen trucks sowie Millionen Traktoren, Baugeräte und andere Sonderfahrzeuge sind jedenfalls auf Diesel angewiesen und werden auch künftig nicht ohne Weiteres auf diesen verzichten können.
Flüssige Alternativ-Treibstoffe? Friedemann dekliniert sie alle durch und kaum eine von ihnen hält dem prüfenden Blick stand:
Kraftstoff aus Biomasse? Soviel Biomasse gibt’s auf der ganzen Welt nicht.
Wasserstoff für die Verbrennung in einem Motor? Eine Energiesenke und “homöopathische Medizin”.
Erdgas? Das stellt als NGL oder CNG sehr wohl eine Teillösung dar – aber nur als “Brückentreibstoff”, so lange die Gasproduktion nicht nachgibt.
Verflüssigte Kohle nach Fischer-Tropsch? Kohle befindet sich bereits auf dem absteigenden Ast.
Batterien? Zu hoher Ressourcenaufwand, zu hohes Gewicht und für heavy duty überhaupt nicht geeignet – auf den Durchbruch in der Batterietechnologie werde jedenfalls schon seit Jahrzehnten gewartet.
Dieses ihr Urteil gilt für Schwerlaster auf der Fernstrecke ebenso wie z.B. für Spezialfahrzeuge im Bergbau (aber nicht für Kleinlastwagen, Lieferwagen & Transporter).
Auf längere Sicht, behauptet Friedemann, blieben sowieso nur Wind und Solar übrig (obwohl bei denen noch immer fraglich ist, welche Nettoenergie über den Lebenszyklus sie bieten und wie die Anlagen künftig zu ihren Aufstellungsorten transportiert werden können).
Bei der Autorin wird so etwas freilich gar nicht glücklich, sozusagen mit resignativem Achselzucken gesagt – ahnend, was ein EROEI von Wind und Solar und geringe Energiedichten für eine an Energieüberfluss gewohnte Gesellschaft bedeutet.
Das gilt zuerst für die USA, über die Alice Friedemann eigentlich schreibt.
Es gilt im Prinzip aber auch für die energieärmeren europäischen Vettern. Die werden eine oder zwei Generationen früher am Brennstoff-Nullpunkt ankommen – denn sie haben kaum konventionelles Öl und Gas und auch keine nennenswerten Shale-Vorkommen.
Alice J. Friedemann, When Trucks stop Running. Energy and the Future of Transportation. Heidelberg-New York-Dordrecht-London 2016.
NB, 11.5.2017, 7.00 Uhr: Wie Lesern dieses Blogs geläufig sein mag, vertritt dessen “Hausherr” die Meinung, dass der heutige 50 Dollar-Ölpreis kein Zeichen eines echten Überangebots ist, und dass dieser Preis regelrecht orchestriert wird;
zweitens, dass das Mem von peak oil mehr ist als ein bloßes Mem, dass sich der Übergang zu einem neuen Energie-Regime aber völlig anders abspielen wird als noch vor zehn Jahren gedacht.
Und drittens, dass die verbreitete Krisenerzählung vom Klimakiller CO2 – vor allem in Europa – verwendet wird, um drakonische administrative Maßnahmen zu rechtfertigen und dabei die Bevölkerungen gefügig zu halten. Dieses G’schichterl macht gerade in der EU, die nur mehr 10 Prozent aller CO2-Emissionen produziert, keinen Sinn mehr.
Mit diesen Gedanken hat das rezensierte Buch freilich nichts zu tun.
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