In einem legitimen, weil fortschrittlichen Fall von Geschichtsrevisionismus hat nun ein US-Historiker eine Biographie von Alarich vorgelegt, die eher Historical Fiction und/oder Storytelling ist. Nicht dass man den Goten-König, der nach laaaangen 800 Jahren erstmals wieder Rom plündern ließ, nicht als Rassismus-Opfer sehen könnte – MÖGLICH ist, wie im Lotto, ja fast ALLES, vor allem, wenn die gesicherten Fakten überschaubar, aber nicht allgemein bekannt sind. So soll Historie sein - voller Gegenwartsbezüge, sodass man meinen könnte, die Rede sei eigentlich nicht vom alten Rom, sondern von den Trump-USA!
“A talented immigrant is denied citizenship by an unjust empire and, in retaliation, unleashes a surprise attack on one of its beloved cultural capitals, Rome.”
Das ist die Kernaussage von Douglas Boins Text, in dem er u.a. über anständige Mordbrenner & Plünderanten bemerkt:
In their fight for human decency, they ( = the Goths) torched the bigotry that lay at the heart of antiquated notions of citizenship.”
Das haben schon die altdeutschen Germanenfreunde des 19. Jahrhunderts ähnlich gesehen und ihre Nachfahren von heute freuen sich sicherlich über den Walhalla-Moment des Professors aus St. Louis.
Wohl wahr, nach 1.600 Jahren ist nicht mehr allzuviel Hieb- und Stichfestes über den originalen Terwingen-Häuptling übrig geblieben
und wahr ist auch, dass Alarich lange Zeit als Allein-Bösewicht in Sachen Rom herhalten musste;
wo doch ein halbes Jahrhundert später die Vandalen die Stadt noch viel gründlicher in Schutt und Asche gelegt haben.
Wahr ist auch, dass es viele gotische Sklaven gab
sowie dass autochthone Snobs hoffärtig auf derlei Barbaren herab blickten (ohne die sie ihr Imperium nicht mehr verteidigen konnten).
Aber so leid es mir tut – weder waren die sg. Westgoten pauschal irgendwie “anständig”,
noch war Alarich persönlich von allzu großen Skrupeln geplagt (was ihn nicht von christlichen & nicht-christlichen Römern unterschied).
Ein Champion der Religionsfreiheit war der Mann auch keiner,
sondern ein Arianer, die bei den Konzilen von Nicäa und Konstantinopel ins Eck geraten waren und die (zu Recht) Angst vor dem Powerplay der “Trinitarier” bekamen.
Das hat weder was mit Anstand noch mit Toleranz zu tun – und ein Spezialist für Religionsangelegenheiten des späten Kaierreichs, wie Boin einer ist, weiß das zweifellos (“Messgeschirr aus der Petrus-Basilika”, gelle!?)
Man kann einen zweimaligen magister militum auch nicht unbedingt als underdog ansehen.
Alarich beteiligte sich über Jahrzehnte an den Machtspielchen zwischen Rom, Konstantinopel und diversen Barbaren von Hunnen bis Alanen und hat sich dabei ein dickes Fell zugelegt.
Das disqualifiziert A. nicht, das war damals halt so.
Im übrigen bin (nicht nur) ich der Meinung,
dass der Mann ein Marodeur sowie ein Serien-Plünderer und -Schutzgelderpresser war.
Das Neue dabei war “nur”, dass A. am Boden des Imperium Romanum als Stammeskrieger agierte.
Weder Kaiser Honorius noch die wohlstandsverwahrlosten Einwohner Roms wollten oder konnten 408 – 410 die saftige Rechnung des Gotenkönigs begleichen
- weswegen sich dieser den offenen Betrag (und mehr) “in Eigeninitiative holte”.
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