Energie: Alte News von einer vielleicht untergegangenen Sekte

cover_schneider_resizedEin Sozialwissenschaftler aus Yale hat sich mit der vor zehn Jahren vielleicht untergegangenen Sekte der Peakoilistas befasst und diese einer Einordnung in die heute (bzw. 2015) geltende Orthodoxie unterzogen. Obwohl einige Sektierer das Licht gesehen und sich zur Klimakatastrophe bekehrt haben, ist nicht auszuschließen, dass noch da und dort, im Geheimen, Ketzer-Gemeinden den alten Liturgien nachgehen. Zur Lektüre eines vor fünf Jahren erschienen Buchs.

Vorbemerkung: Dieser Blogger bespricht im Regelfall keine Bücher, die älter als ein paar Monate sind, aber manchmal muss eine Ausnahme drinnen sein und der fragliche Text gab eine informative und unterhaltsame Sommerlektüre ab. Warum nicht auch was dazu schreiben? Man muss nicht immer gleich auf die Copyright-Seite schauen. Außerdem habe ich ein persönliches Interesse an dem Thema, das näher auszuführen freilich nicht angebracht wäre.    :-P

Nun war bisher nicht viel über die peakists bekannt, wenn man von deren prominenten Galionsfiguren absieht,

und es ist das Verdienst von Schneider-Mayerson, Daten über sie erhoben zu haben.

Zwar nur über zwei Internet-Formulare anno 2011 und einen Email-Fragebogen 2013, aber immerhin.

“PO-Gläubige” waren (sind) demnach zu 90 Prozent weiß, zu 80% männlich und wesentlich besser gebildet als der durchschnittliche Milizionär und vergleichbare Rednecks in flyover America.

Ein Drittel der Respondenten hat(te) einen Universtätsabschluss (p. 3) und was ihre Wertvorstellungen betraf,

definierte sich die überwiegende Mehrheit als nicht-konservativ oder sogar als “progressiv” und meinte z.B., dass man Angehörige des gleichen Geschlechts heiraten lassen solle.

Die Sektierer waren 2013 auch nicht verschwunden (wie der ausgeschickte Fragebogen zeigte) – trotz des sich anbahnenden “Shale Oil-Wunders”, eines kurzfristigen “Strohfeuers”, hielten sie hartnäckig an ihrer “Irrlehre” fest.   :mrgreen:

Leider waren die Peakoilistas von Anfang an aber auf eine vertrackte, ihnen selbst wohl gar nicht bewusste Art auch “reaktionär und quietistisch” – weil sie nämlich Individualisten waren, die

  • a) “der Politik” nicht vertrauten und daher erst gar nicht anfingen konkrete Forderungen zu stellen und die sich
  • b) nicht organisierten, weil sie dachten als virtuelle community ihr Auslangen zu finden und die darüber hinaus Nahrungsmittel hamsterten und Karotten züchteten – jede(r) für sich allein.

Das geht für Schneider auf eine libertäre Verschiebung (“libertarian shift”) zurück, die seit R. Reagan überall stattgefunden haben soll

(überhaupt scheint der Herr zu glauben, dass libertäre Wirtschaftspolitik seit damals die Regierungskanzleien dominiert).

Soziologen nennen derlei Gruppen manchmal cyberlibertarians.

“Rassistisch & retrosexuell”

Besagte Leute waren zwar überwiegend antikapitalistisch (p. 123) und Austeiger, die von ihrer Umgebung für übergeschnappt gehalten wurden,

aber eben auch libertär (oder vielleicht doch nur “neoliberal?) und anderswie rückschrittlich;

indem sie beispielsweise an den Geschlechterrollen, dem Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit der amerikanischen Cowboy-Zeit festhielten, wie Schneider meint.

Sie würden sich von Latino-Immigranten und Frauen am Arbeitsplatz bedroht fühlen, seien retro- (statt metro?)sexuell orientiert und würden ansonsten auf ihr male priviledge pochen (wie alle weißen Männer)

(natürlich sofern sich die Gelegenheit ergab, dass ihnen überhaupt noch jemand zuhörte    :mrgreen:   ).

Fehlendes Grundlagenwissen

Das will der Autor mit Zukunfts-Filmen plausibel machen, die nach der Apokalypse spielen und die viele Sektierer konsumiert haben (wie zugegeben wurde).

In diesen Streifen, deren frühester wohl Mad Max war, ging es oft darum

  • um Ressourcen zu kämpfen,
  • Plünderer abzuwehren oder
  • Frau & Familie vor Vergewaltigern zu schützen etc.

Wie überdies an der “World made by Hand”, einem Epos des “Evangelisten” James Kunstler zu ersehen, sind die Helden

durch die Bank weiß und Frauen spielen ebensowenig eine führende Rolle wie sg. people of colour.

Kurz – das hier servierte Omlette aus Film-Apokalypse & Wachstums-Skepsis scheint einen penetrant “rechten Hautgout” zu haben (und das ist deswegen so, weil der “Koch” das so wollte).

Immerhin, sagt Schneider-Mayerson im letzten Kapitel,

nähmen unsere peakists die jetzt ausgebrochene “Umwelt-” bzw. “Klimakrise” ernst

- was Rosstäuscherei par excellence ist.

Aus der (bis dato) nicht eingetroffenen Resourcen-Malaise wird flugs die heutige, angeblich echte Krise gezimmert, eine nach Lesart der CO2-Warmisten. Diese “echte Krise”, wird propagandistisch behauptet, könne durch Selbstbeschränkung der Industrieländer entschärft werden – was kompletter Unsinn ist.

Die sg. Industrieländer stellen zusammen genommen höchstens noch 30 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen.

Das freilich scheint unserem Chef-Ideologen herzlich egal zu sein.

Seiner Meinung nach emittiert die Menschheit jährlich 37 Mrd. Tonnen Kohlenstoff (carbon)wovon fast ein Viertel aus den USA stamme (p.155)

Vielleicht sollte sich der gute Mann einmal den Unterschied zwischen Kohlenstoff und Kohlendioxid erklären lassen

– und dass ein Multiplikationsfaktor von 3,7 dazwischen ist;

oder den CO2(e)-Anteil der USA, der sich 2010 auf echte 15 bis 17 Prozent belief.

Trotz solch offenkundiger Ignoranz freilich wollen Leute wie der Autor die versprengten  peakists belehren,

sie mögen sich doch zur “richtigen Umweltkrise bekehren” und den Weg für eine “richtige peak politics” nach Geschmack der CO2-Warmisten frei machen.

Matthew Schneider-Mayerson, Peak Oil: Apocalyptic Environmentalism and Libertarian Political Culture.2015

Unabhängiger Journalist

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