Energie-Bluff in Deutschland: Lilliputaner proben den Aufstand

Der Hoax, der sich Energiewende nennt, zieht den deutschen Stromkonsumenten nicht nur ständig Geld aus der Tasche, er verärgert auch die umliegenden Klein- und Mittelstaaten, weil er ihnen Strom zu Dumpingpreisen auf’s Aug’ drückt. Die wollen jetzt dagegen aufstehen – und bei der Gelegenheit noch ein paar zusätzliche Kompetenzen nach Brüssel verschieben.

Der aufständische Wiener Minister vom Dienst ist diesmal Andrä Rupprechter, Ressortchef für Umwelt- und Landwirtschaftsbelange.

Die Medien – nicht nur die österreichischen – schreiben jetzt, das Anderl aus Tirol wolle eine Allianz der Kleinen gegen die Energiewende von Angela Merkel ins Feld führen.

Tatsächlich hat sich Rupprechter beim ehemaligen Nachrichtenmagazin Der Spiegel über nachteilige Folgen der deutschen Energiewende beklagt und gemeint, diese hinderten die Alpenrepublik daran, die eigene Energiewende voranzutreiben und in erneuerbare Energien in der Alpenrepublik zu investieren.

Das wirkt zunächst einmal seltsam, vor allem angesichts des Umstands, dass die österreichische Energiewende dank günstiger Geographie sowieso wesentlich besser drauf ist als die deutsche.

Während Berlin darauf stolz ist, mit 200 Milliarden Steuergeld einen Erneuerbaren-Anteil von 32 Prozent geschafft zu haben, erzeugt Österreich ohne spezielle Verschwendung schon heute 76 Prozent seines Stroms mit erneuerbaren Energien.

Ein Verbund-Problem

Unwillkürlich denkt man sich: Was will der eigentlich? Hat der nichts Besseres zu tun, zum Beispiel in seiner engeren Heimat dafür zu lobbyieren, dass vielleicht doch noch ein paar Leitungen und das eine oder andere Speicherkraftwerk gebaut werden? Das wäre hilfreich, um den Merkel-Jargon zu verwenden.

Auf den zweiten Blick freilich sieht man, wo’s die österreichische Regierung genau juckt und diese Stelle hat eine konkrete Bezeichnung: Verbund.

Das ist jener staatlich dominierte Konzern, der die hiesige Stromerzeugerlandschaft dominiert. Der Verbund (nicht nur der) leidet seit Jahr und Tag an den enormen Mengen Elektrizität, die die Energie-Bluffer aus Berlin in die Netze der angrenzenden Länder drücken.

Diese Exporte sind, von der Empfängerseite her gesehen, Zwangseinfuhren. Sie sind deshalb so billig, weil sie vom deutschen Energiekonsumenten über die sogenannte EEG-Umlage subventioniert sind.

Die Überschüsse aus Deutschland werfen ein massives Rentabilitätsproblem für die hiesigen Kraftwerke auf, weil die mit dem subventionierten “Ökostrom” aus der Nordsee nicht konkurrieren können.

Den Ösis bleiben nur suboptimale Problemlösungen wie zuaspirr’n oder verkaufen, beispielsweise Mellach. Das ist ein erst 2011 in Betrieb genommenes Gaskraftwerk, das in nur drei Jahren fast ganz abgeschrieben werden musste – was eine Kapitalvernichtung von mehr als 500 Mio. Euro bedeutete.

Das ist nun tatsächlich ein Problem, primär ein wirtschaftliches, aber nicht nur (moderne Gaskraftwerke zumachen ist auch umweltpolitisch suboptimal).

Im Großen und Ganzen agiert Rupprechter hier als Bauchredner seines Ministerkollegen und Parteichefs.

Das österreichische Problem ist so groß, dass es sogar die großen Donaukraftwerke erreicht, in denen fast die Hälfte des lokal generierten Stroms erzeugt wird. Jene Donaukraftwerke, die sich schon lang amortisiert haben und die deswegen eigentlich unschlagbar günstig produzieren könnten.

“Deutschland produziert zu viel billigen Strom”, sagt Rupprechter wahrheitsgemäß, tut aber so, als wäre das die Schuld der Kohlekraftwerke beim Nachbarn, die mit importiertem Rohstoffeinsatz halb Europa zudumpen würden.

Rupprechter kann nicht offen aussprechen, woran es wirklich krankt, weil er damit der Energiewende, der heiligen Kuh der europäischen Ökoszene, Leid zufügen würde. Er müsste, wäre er aufrichtig, das irre Subventionsregime der deutschen Energie-Bluffer als Ursache des Übels nennen.

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Schwer zu sagen, wie R. es original formuliert hat, aber in den Zeitungen kommt seine Botschaft ‘rüber, als handle es sich um ein ursächlich durch schmutzige Kohle erzeugtes Problem.

Damit rennt er beispielsweise bei den Experten der Spiegel-Redaktion offene Türen ein, nur die etwas Betagteren unter den hiesigen Journos sind ein bisschen vorsichtiger (eigene Hervorhebung):

Durch den billigen Kohlestrom, den Deutschland produziert, schaffen die Nachbarländer ihre Energiewende nicht, schreibt Der Spiegel.

Der Strom aus Kohle ist jedenfalls nicht die Hauptursache der Überschüsse, sondern höchstens eine beigeordnete Bedingung. Den Kohlestrom braucht das deutsche Stromnetz selbst um den kontinuierlichen Betrieb aufrecht zu erhalten.

Das echte Problem sind die in Norddeutschland installierten “intermittenten” Riesenkapazitäten von Windstrom, die wiederum Folge einer hirnlosen Förderpolitik sind. Die vom deutschen Verbraucher mit (wenigstens) 150 Mrd. Euro zwangsfinanziert wurde.

Die in Wien erscheinende Presse deutet die Quelle der Überschüsse anhand eines Extremfalles ja selbst an:

Wenn Sturmtiefs wie „Heini“ im November des Vorjahres mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 170 Stundenkilometern über Norddeutschland hinwegfegen, liefern die deutschen Windräder so viel Energie, wie ganz Berlin an 20 Tagen benötigt.”

Das Grundlast-Dilemma

Die erwähnten Heinis gehen wann immer es ihnen beliebt – der deutsche Verbraucher besteht aber trotzdem drauf das Licht aufzudrehen, wenn Heini wieder weg ist.

Um das garantieren zu können benötigen die deutschen Netzbetreiber Kraftwerke, die die Grundlast produzieren. Das ist, laienhaft ausgedrückt, das Minimum, das nicht unterschritten werden darf, wenn das Netz nicht zusammenbrechen soll.

Dafür eignen sich sowohl Kern- als auch Kohlekraftwerke. Diese sind flexibel und können hoch- und wieder zurück gefahren werden, je nach Bedarf (die KKW eignen sich dafür besser als die trägen Kohlekraftwerke und das mag zum erwähnten Problem ein wenig beitragen).

Nun steigt Deutschland, wie bekannt, in den nächsten Jahren ganz aus der Kernkraft aus und muss daher von irgendwo den 14-Prozent-Anteil nicht-intermittenten Strom herkriegen, den die Kernkraft heute noch liefert.

Die Grünen wären ja sofort dafür auch die Kohle ganz auszuknipsen, aber die schwarz-rote Koalition scheint das noch ein wenig zu verschleppen. Stillegung aller deutschen Zechen reicht vorerst einmal.

Für die fernere Zukunft freilich hat sich auch Schwarz-Rot vorgenommen Deutschland zum ersten Land der Welt zu machen, das ohne Grundlast auskommt. Das haben sich die Väter und Mütter der Energiewende so gewünscht (ob’s funktioniert, ist eine andere Frage).

Hier, bei Energy Matters, findet sich eine Gegenüberstellung der beiden Konzepte in Form einer Grafik.

Das hätte zwar eigentlich den Bau von Stromautobahnen und Speicherkraftwerken erforderlich gemacht, wie schon 2009 in einem Sachverständigengutachten deponiert wurde – aber hey: Was soll die Beckmesserei?

Wer braucht eigentlich noch Kohlekraftwerke? Der Rupprechter ist ja offensichtlich auch der Meinung, dass Piefkes sie nicht brauchen.

Wie gesagt, möglicherweise geht’s dem Anderl aus Tirol ja auch um etwas anderes. Das kann, muss aber nicht sein.

Eine sichere Bank dagegen ist, dass es ihm auch um eine weitere Zentralisierung in der Union geht.

Der Mann ist ein Pflänzchen aus dem Brüsseler Gewächshaus. Er will die EU-Verträge ändern/ergänzen, in denen die Energiepolitik noch zu den wenigen verbliebenen Bereichen gehört, für die die Mitgliedstaaten allein zuständig sind.

Rupprechter hätte auch gern eine EU-weite CO2-Steuer, was ihm letztlich auch die Legitimation verschafft hat, in Sachen Energiepolitik Mitterlehners Maul aufzureißen.

Unabhängiger Journalist

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